Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Eu-gipfel fordert neue Sanktionen gegen Belarus
BRÜSSEL Nach der erzwungenen Zwischenlandung einer Ryanair-maschine mit 171 Menschen an Bord in Minsk und der rechtswidrigen Festnahme des regimekritischen Bloggers Roman Protassewitsch durch die Sicherheitsbehörden bereitet die EU Maßnahmen gegen Belarus vor. Demnach sollen Investitionen im Volumen von rund drei Milliarden Euro an das osteuropäische Land auf Eis gelegt werden. Das Geld werde so lange nicht fließen, bis Belarus wieder einen demokratischen
Kurs einschlage, erklärte EU-KOMmissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montagabend in Brüssel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zu Beginn des Eu-gipfels: „Wir müssen uns mit dem beispiellosen Vorgehen der belarussischen Autoritäten beschäftigen, die zur Zwangslandung des Flugzeugs und der Verhaftung geführt haben.“Und weiter sagte sie: „Protassewitsch muss sofort freigelassen werden.“Merkel kündigte an, sich persönlich für weitere Sanktionen gegen Träger des belarussischen Regimes stark zu machen.
Zuvor hatte der ständige Eu-ratspräsident Charles Michel eine gemeinsame Erklärung der 27 Staatsund Regierungschefs zu Belarus vorbereitet. „Was am Samstag passiert ist, ist ein internationaler Skandal“, sagte Michel unmittelbar vor Beginn der Beratungen. Bereits jetzt sind Sanktionen gegen Schlüsselfiguren des Minsker Regimes in Kraft.
So wurden wegen der Fälschung der Wahlen 2020 und wegen der Unterdrückung der Opposition Einreiseverbote gegen 88 Personen in die EU verhängt. Ihre Konten wurden eingefroren ebenso die Konten von sieben Organisationen, die eine Verbindung zum Diktator Alexander Lukaschenko haben. Es wird damit gerechnet, dass weitere Personen mit Sanktionen belegt werden. Darunter könnte auch Lukaschenko sein, der bislang nicht von den Eu-maßnahmen erfasst ist.
Die Staats- und Regierungschefs wollten zudem eine „strategische Debatte“zu Russland führen. Die Aussprache, die Auftakt für eine Neujustierung des Verhältnisses zwischen der EU und Moskau sein soll, war bereits länger geplant. Sie bekam nun besondere Aktualität, weil Russland den gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr mindestens gebilligt haben dürfte. Beobachter mutmaßen, dass mindestens vier russische Geheimdienstmitarbeiter an der Operation in der Maschine beteiligt waren.
Im Entwurf der Gipfelbeschlüsse, die unserer Zeitung vorliegen, heißt es: „Der Gipfel verurteilt die illegalen und provozierenden Aktivitäten Russlands gegen die EU, ihre Mitgliedstaaten und darüber hinaus.“Es wird damit gerechnet, dass die Erklärung am Ende deutlich schärfer ausfallen wird. Der Entwurf stammt von einem Zeitpunkt, als der Vorfall noch nicht eingearbeitet worden war.
Neben dem Investitionsstopp und den persönlichen Sanktionen gegen die Träger des Minsker Regimes sind auf Eu-ebene auch Beschränkungen der Verkehrsverbindungen mit Belarus im Gespräch. Flugzeuge, die nach Litauen fliegen oder dort starten, dürfen ab diesem Dienstag nicht mehr den Luftraum von Belarus überqueren. Litauen, das der EU und der Nato angehört, fordert, dass sich die anderen Eu-länder anschließen. (mit rtr)