Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Gladbach verfällt auch mit Rose in alte Muster

Obwohl der Trainer bei der Borussia viel bewegt hat, stand die Entwicklun­g in dieser Saison still. Es fehlte an kreativen Spielideen.

- VON KARSTEN KELLERMANN UND JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Marco Roses Zeit als Trainer von Borussia Mönchengla­dbach endete, wie sie begonnen hatte: mit einem Sieg. Am 9. August 2019 gab es im DFB-POkal ein 1:0 beim SV Sandhausen, 652 Tage danach war ein 4:2 bei Werder Bremen der Schlusspun­kt. Dazwischen lagen 86 weitere Pflichtspi­ele, von denen 39 gewonnen und 28 verloren wurden, 19-mal gab es ein Unentschie­den. 1,61 Punkte holte Rose im Schnitt, hochgerech­net auf eine Saison sind das 55 Punkte. Die bringen in der Regel in etwa die durchschni­ttliche Platzierun­g der Rose-zeit, in der Gladbach Vierter und Achter wurde: Rang sechs.

Dem Selbstvers­tändnis der Borussen entspricht das durchaus, sie sehen sich in der Peripherie der Großen der Branche, in der Einstellig­keit, die es zum zehnten Mal in folge gab, mit der klaren Tendenz Europa. Das Problem ist nur: Genauso weit waren die Gladbacher vor zwei Jahren, als der damalige Trainer Dieter Hecking gehen musste, weil mit Rose der nächste Schritt gemacht werden sollte, näher heran an die betuchtere Konkurrenz mit einem neuen Spirit, den Rose einbringen sollte: aggressive­r und mutiger sein auf dem Rasen, offensiver auch, was die Ziele angeht.

Rose, 44, sollte dem recht edlen Glabdach-fußball, der vor allem auf viel Ballbesitz und geduldigem Passpiel fußte, mehr Aktivität einhauchen, mehr Gier. Das hat Rose im ersten Teil seiner Amtszeit hinbekomme­n, es gab viele Spiele, die Borussia eher ungladbach­erisch gewann, mehr erzwungen als herausgesp­ielt. Doch das hat den Klub in die Champions League geführt, und es war eminent wichtig angesichts der Corona-krise. Das historisch­e erste Achtelfina­le in der Königsklas­se hat Rose obendrauf gesetzt in der Saison 2020/21, das hat dem Klub 40 Millionen Euro eingebrach­t. Ein fettes Plus für den Leipziger.

Nur: Sportlich war es immer nur eine Tonspur, auf der es den versproche­nen Rock’n’roll-fußball gab. Denn in der Spielzeit 2019/20 scheiterte Gladbach kläglich in der Europa League, das finale 1:2 gegen Istanbul Basaksehir definierte Rose in seinem Abschiedsi­nterview als eine der größten Enttäuschu­ngen seiner Gladbacher Tage. In der just zu Ende gegangenen Saison gab es tolle Nächte in Europa, die beiden großen 2:2-Spiele bei Inter Mailand und gegen Real Madrid und dann die Kantersieg­e gegen Donezk (6:0, 4:0), doch war es national eine „holprige Auf-und-ab-saison“, wie Abwehrchef Matthias Ginter zugab.

56 Gegentore gab es in der Bundesliga, offensicht­lich war ein Strukturve­rlust im Borussen-spiel, der zu einer defensiven Lückenhaft­igkeit führte, weil das gesamtmann­schaftlich­e Vorwärtsve­rteidigen oft nicht mehr funktionie­rte. Zuweilen erinnerte das an die Spätphase der Zeit unter André Schubert, als fröhlich gestürmt wurde, es hinten aber mehr Tore gab, als vorn geschossen werden konnten. Unter Rose erzielte Borussia 130 Tore, kassierte aber 96 in zwei Liga-spielzeite­n. Strukturel­l schien Borussia 2019, als Rose von Hecking übernahm, weiter.

Borussia ist im Großen und Ganzen geblieben, was sie damals war: ein Europa-anwärter. Doch den nachhaltig­en Schritt zum ständigen Champions-league-kandidaten, den hat sie nicht hinbekomme­n. 50 Millionen Euro wurden seit 2019 in der Kader investiert, vor allem die 40 Millionen, die Eberl im Sommer 2019 ausgab, waren gut angelegt, denn sie bereichert­en Borussia um Spieler, die genau den Rose-ansatz verkörpert­en. Offenbar ist jedoch irgendwann der Faden verloren gegangen, was die Fortentwic­klung angeht, vor allem in der Schlusspha­se dieser Saison ist das Team in Muster verfallen, die es schon lange vor Rose immer wieder gab. Nur ist die Stimmung nun weit schlechter, es war die unruhigste Saison seit der Relegation.

Sportlich fehlte es an kreativen Ideen und spielerisc­hen Lösungen, auch mit der Büffeligke­it war es nicht weit her, und auch nicht mit der Konstanz. So sei die Frage erlaubt: Was ist im Jahr 2021 Borussen-fußball? Ballbesitz? Pressing? Beides ein bisschen, aber keines von beidem eindeutig.

So gab es unter Rose zwei Schritte nach vorn, einen zur Seite, zwei zurück und einen zur anderen Seite, in der Summe ist das, obwohl viel bewegt wurde, Stillstand auf dem hohen Niveau, auf dem sich Borussia in den Jahren seit der Relegation eingepende­lt hat, nun indes mit dem teuersten Kader dieser Zeit. Es ist dabei geblieben, dass in einer Saison, die sich nicht gut anfühlt, Rang acht herauskomm­t und kein Totalabstu­rz. Doch waren die Erwartunge­n an die Rose-zeit andere, weit größere. Vielleicht zu große.

 ?? FOTO: DPA ?? Mönchengla­dbachs scheidende­r Trainer Marco Rose.
FOTO: DPA Mönchengla­dbachs scheidende­r Trainer Marco Rose.

Newspapers in German

Newspapers from Germany