Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Riesenandrang bei Impfaktion in Marxloh
Nach nur zwei Stunden musste die Feuerwehr die Warteschlange schließen: Rund 1200 Anwohner aus ärmeren Vierteln ließen sich am Montag vor der Merkez Moschee impfen. Viele warteten mit Campingstühlen und Decken.
Rainer V. steht seit sechs Uhr morgens in der Schlange und jetzt ist er noch nicht mal der Erste. „Mit dem Andrang hatten wir hier ehrlich gesagt nicht gerechnet“, sagt er. In der Hand hält der 57-Jährige seinen Personalausweis, 47167 ist dort als Postleitzahl eingetragen, der Duisburger Stadtteil Neumühl, und das bedeutet: Rainer V. und seine Partnerin werden gleich im Zelt geimpft.
Einmal ans Ende der Schlange, vorbei am Zelt, vorbei an rund 800 Menschen, über die Warbruckstraße, links in die Sandstraße, dann noch mal links, etwa 300 Meter um das Gelände und da steht Werner. Ein 40-Jähriger, der pünktlich um zehn Uhr zum Impfen in Marxloh war. Ober er heute noch dran kommt? Ist zuerst noch unklar. Die Feuerwehr verspricht am Morgen eine Art Gutschein für alle, die am Ende vergeblich in der Schlange warten. In den nächsten Tagen sollen sie bevorzugt drankommen. „Ich warte jetzt hier“, sagt Werner. „und wenn das bis heute Abend dauert.“
10.15 Uhr, Pfingstmontag, die Merkez Moschee in Duisburg-marxloh. Seit dem Frühjahr betreibt die Stadt auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein kleines Testzentrum, nun wird dort auch geimpft. Nach dem Vorbild der Schwerpunktimpfung im Kölner Stadtbezirk Chorweiler hat auch der Krisenstab in Duisburg entschieden, in den sogenannten sozialen Brennpunkten im Norden eine mehrtägige Impfaktion zu starten. In Köln gab es Anfang Mai einen riesigen Andrang. In Duisburg standen am Montag die ersten Impfwilligen um vier Uhr morgens an der Warbruckstraße. Einige hatten Campingstühle dabei und wärmten sich mit Decken und heißen Getränken.
Viele Familien leben im Norden der Stadt in ärmlichen Verhältnissen, in viel zu kleinen, engen Wohnungen, oft arbeiten vor allem die Männer in Fabriken und der Schwerindustrie, wo Abstände und Homeoffice kaum möglich sind. Den Stadtteil Bruckhausen, eine alte Arbeitersiedlung, traf die Pandemie besonders hart. Im April lag die Inzidenz bei 518,1. Für die Stadt war klar: Zuerst sollen die Menschen geschützt werden, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer Infektion am größten ist. Krisenstabsleiter Martin Murrack sagte Anfang Mai: „Man sagt, in der Krise zeigt sich das wahre Gesicht. Und das Gesicht von Duisburg ist freundlich.“
Unabhängig von Alter und Beruf konnten sich am Montag alle Einwohner von Bruckhausen, Hamborn, Neumühl und Marxloh impfen lassen. Insgesamt wohnen dort mehr als 70.000 Menschen. Duisburg hatte zuvor vom Land 3800 Dosen des Impfstoffs von Johnson & Johnson erhalten. Bereits eine Dosis der Vakzine reicht für den vollen Schutz. Immerhin müssen sich die Menschen nur einmal anstellen. Alles, was man benötigt, ist der Personalausweis – und viel Zeit.
„Wir können nicht abschätzen, wie lange wir brauchen, um alle Impfungen in die Arme zu bekommen“, sagt Feuerwehrchef Oliver Tittmann am Morgen. Er und seine Kollegen müssen kaum Menschen abweisen, die nicht berechtigt sind, nur oft erklären, wo man sich überhaupt anstellen muss. „Nächste Straße rechts, ganz hinten, da beginnt die Schlange“, sagt Tittmann einmal zu einem älteren Mann.
Mittags geht dann alles doch viel schneller. Kurzfristig wird neben den vier Impfstraßen noch eine fünfte eröffnet und die einzelnen Impfungen laufen plötzlich zügiger als eingeplant. Gegen Mittag teilt die Stadt mit, dass am Montag insgesamt 1200 Menschen geimpft werden können. Ursprünglich hatte man nur mit 400 Personen gerechnet. Gleichzeitig wird per Lautsprecher verkündet, dass die Warteschlange nun erstmal geschlossen ist. Am Dienstag soll es weitergehen. Bald könnten dann auch weitere Stadtteile folgen.