Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
FAKTEN & HINTERGRUND
Bald fällt die Priorisierung bei den Corona-impfungen. Impfbereite in Dinslaken, Voerde und Hünxe müssen mit Wartezeiten rechnen.
Hausärzte appellieren an Geduld Impfwilliger
DINSLAKEN/VOERDE/HÜNXE (cd) Am 7.Juni fällt die Priorisierung bei den Corona-schutzimpfungen in Nordrhein-westfalen komplett. Dann soll nicht mehr nach Priorisierungsliste und Impfgruppen geimpft werden. Jede Person könnte sich demnach um einen Impftermin bemühen. Doch Hausärzte in Dinslaken, Voerde und Hünxe warnen vor einem möglichen Ansturm auf die Praxen. Es werde noch dauern, bis wirklich jede Person in der Region die Möglichkeit bekommt, sich gegen Corona impfen zu lassen.
„Bei uns herrscht bereits seit mehr als sechs Wochen ein großer Ansturm. Das Telefon steht nicht still“, berichtet Dieter Fischer. Seit Anfang April verabreicht er in seiner Praxis am Neutor in Dinslaken die Corona-schutzimpfung. Dennoch kann sich bislang nicht jeder impfen lassen, der laut Priorisierung einen Termin bekommen darf. Die Impfstoffverteilung der Kassenärztlichen Versorgung und der Apotheken sorgt für lange Wartezeiten. „Wir bekommen ja nur begrenzt Impfstoff. Aber wir bestellen immer die Höchstanzahl an Impfdosen“, beteuert Fischer.
Weil der Arzt erst donnerstags erfährt, wie viele Impfdosen seine Praxis in der kommenden Woche erhält, muss auch der Terminplan ständig umgestellt werden. „Dass ist mit einer Menge Handarbeit und Stress verbunden, weil wir ja momentan noch unsere Listen abarbeiten. Wenn Impfstoff übrig bleibt, schauen wir sofort, wer nachrücken kann. Trotzdem können wir immer nur von Woche zu Woche planen. Dass wird sich auch mit der Aufhebung der Priorisierung nicht ändern.“Zudem fallen seit der vergangenen Woche bereits die ersten Zweitimpfungen mit dem Impfstoff der Firma Biontech an. „Das ist natürlich eine Herausforderung für uns. Die Zweitimpfungen kommen dazu, viele Leute aus den Impfgruppen wollen aber auch ihre Erstimpfung“, erklärt Dieter Fischer.
Auch die Impftermine mit Astrazeneca seien mittlerweile ausgebucht, verrät der Arzt. „Der Impfstoff wird mittlerweile akzeptiert, es gibt erstmal keine freien Termine in den nächsten Wochen.“Trotzdem sieht der Hausarzt es positiv, dass die Impfpriorisierung Anfang Juni aufgehoben wird. „Es ist erfreulich und insgesamt auch unproblematisch, dass die Priorisierung fällt. Die Leute wollen ja geimpft werden. Dennoch bitten wir um Verständnis und Geduld, dass erstmal nicht jeder einen Impftermin erhalten wird.
Für Allgemeinmediziner Michael Wefelnberg ist die Aufhebung der Impfpriorisierung ebenfalls „prinzipiell gut, weil dadurch noch mehr Menschen geimpft werden können.“In seinen drei Praxen in Dinslaken, Bruckhausen und Hünxe wird ebenfalls seit Anfang April fleißig gegen Corona geimpft. Durch den Beschluss des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums geraten Wefelnberg und seine Mitarbeiter trotzdem unter Zugzwang. „Wir müssen uns jetzt anstrengen, dass all unsere Risikopatienten und priorisierten Personen von der Liste bis zum 7. Juni geimpft werden, bevor die Corona-impfung für alle zugänglich ist.“
Wegen der Aufhebung dürften nun noch mehr Impfwillige einen Termin haben wollen, glaubt Wefelnberg. „Es wird einen großen
Run auf die Impftermine geben. Aber nicht jeder wird auch direkt einen Impftermin bekommen.“Nicht nur genug Impfstoff werde benötigt, sondern auch ausreichend geschultes Personal in den Praxen. Weil in seinen Praxen die Zweitimpfungen anstehen, wird der Aufwand für seine Mitarbeiter nochmal größer. „Jetzt stecken wir in der Phase mit den doppelten Terminen. Sowohl die Zweit- als auch neue Erstimpfungen fallen an. Das ist eine große organisatorische Herausforderung für meine Mitarbeiter.“
Weil das Ziel der Impfkampagne Herdenimmunität heißt, werden Personen mit dem zweiten Impftermin erstmal bevorzugt. „Die Zweitimpfung ist aktuell wichtiger. Ich kann verstehen, dass viele Leute ihren Urlaub als Grund angeben, sich möglichst bald impfen zu lassen, aber das ist momentan sekundär.“Deswegen bittet Michael Wefelnberg alle wartenden Personen um Rücksicht: „Mein Appell an die Leute: Bleibt geduldig und fahrt nicht aus der Haut, wenn es keine Termine gibt.“Wer dennoch nicht warten kann, könne sich mit Astrazeneca impfen lassen. „Das geht schneller, als auf Dosen von Biontech zu warten.“Auch wenn jetzt die Phase startet, in der immer mehr Zweitimpfungen verabreicht werden, glaubt Michael Wefelnberg nicht, dass das Impftempo in Deutschland und NRW stocken wird. „Das Tempo wird zwar nicht beschleunigt, aber weiterhin hoch bleiben.“in Voerde ist man trotz der Aufhebung entspannt. „Bei uns stehen mittlerweile an die 300 bis 400 Personen auf der Warteliste für Impftermine. Und jeden Tag kommen etwa 20 weitere Anfragen. Aber mehr als unsere Impfdosen verteilen können wir nicht“, erklärt Ruslan Vinokurov. Der Internist verabreicht in seiner Praxis im Osterfeld ebenfalls seit Anfang April die Corona-impfung und ist genauso davon abhängig, wie viel Impfdosen wöchentlich zur Verfügung gestellt werden, wie seine Kollegen in der Region.
„Wir bekommen im Durchschnitt nur etwa 20 Impfdosen pro Woche. Das höchste, was wir bekommen haben, waren 60 Impfdosen“, verrät Vinokurov. In erster Linie seien in seiner Praxis nur seine Stammpatienten aus den Impfgruppen geimpft worden. Die meisten Patienten aus der Impfgruppe Eins haben im Impfzentrum in der Kreisstadt Wesel ihre Impfungen bekommen. „Aus der Gruppe Eins und Zwei sind fast alle durch, nur bei der Impfgruppe Drei sind noch nicht alle geimpft“, sagt der Mediziner. Weil einige Personen aus den Priorisierungsgruppen aber keine Impfung von Astrazeneca wollten, wuchs die Warteliste in den vergangenen Woche immer weiter an.
Zudem erhalten Frauen in der Praxis von Ruslan Vinokurov keine Impfung der britisch-schwedischen Firma. „Das Risiko ist bei Frauen zu groß. Deswegen habe ich entschieden, nur jüngere Männer mit Astrazeneca zu versorgen.“Falls Termine nicht wahrgenommen werden, rücken Personen von der Warteliste nach. „Wir haben uns natürlich auch die Nummern geben lassen, damit die Leute von der Liste kommen. Durch die Aufhebung der Impfpriorisierung dürfte die Liste aber nicht kleiner werden“, glaubt Ruslan Vinokurov.