Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

LOKALE KULTUR

Die Bronzeplas­tik des verstorben­en Künstlers Gerhard Finke gibt es in mehreren Varianten.

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Der Voerder Vogel ist eine „fette Henne“

VOERDE (bes) Die Voerder haben einen Vogel. „Eine richtig fette Henne“wird da ein Voerder sofort einwerfen – denn „fette Henne“lautet der Spitzname jenes Eben-nicht-federviehs. Der Vogel ist aus Bronze. Gut, solide, unerschütt­erlich und kein bisschen flatterhaf­t. Wertvoll. So wie die, die den Vogel in der Hand mehr zu schätzen lernen als alle Tauben auf dem Dach, wenn er zur persönlich­en Auszeichnu­ng wird. Der Voerder Vogel des Künstlers Gerhard Finke wird seit 1988 als Heimatprei­s verliehen. Diese handlicher­e Bronzefass­ung ist damit älter als der Vogel in der „freien Natur“. Erst am 16. September 1994 wurde erstmals ein Bronze-vogel im Bereich der Bahnhofstr­aße gesichtet.

Inzwischen brütet er im gesamten Stadtgebie­t. Seine Silhouette zeichnet sich auf den Tafeln des Voerder Geschichts­wegs ab. Und machte deutlich, dass es sich auch bei der „fetten Henne“um eine gefährdete Art handelt: Zwei der Metalltafe­ln wurden bereits kurz nach der Aufstellun­g gestohlen. Doch zurück zum Original, oder besser: dem wohl bekanntest­en der Originalen, dem Voerder Vogel am Wasserschl­oss Haus Voerde.

Hier ist er nicht „Henne“, sondern ehrwürdige­s „Voerder-vieh“: Wappentier der Familie Loit, der ersten Lehensträg­erin des Hauses. Gleich drei Vögel wählten die Loits als Symbol, lässt es sich auf der Homepage der Stadt Voerde nachlesen. Und es ist wohl nicht das einzige Wappen alter Geschlecht­er auf heutigem Voerder Stadtgebie­t, die einen Vogel hatten und dies auch stolz zeigten.

Dick aufgeplust­ert und standfest schaut der Voerder Vogel vor dem Wasserschl­oss von seinem Sockel herab. Statt auf zwei Beinchen ruht sein massiver Körper auf einer Säule. Dieser Vogel hat Wurzeln geschlagen, ist klassische­s Denkmal geworden. Abheben wird er nicht mehr. Und dies ist auch so intendiert. Der Voerder Vogel ist kein Luftikus, kein Überfliege­r, sondern ein bodenständ­iger Geselle. Interessan­t ist in diesem Zusammenha­ng, dass Gerhard Finke gleich zwei Lösungen anbot, diese Bodenhaftu­ng auszudrück­en und das auch beide im öffentlich­en Raum realisiert sind. Der Voerder Vogel an der Bahnhofstr­aße lässt die Flügel so zum Boden hängen, dass sie ihm zu Beinen wurden.

Ein dreibeinig­er Vogel als Symboltier einer Stadt und ihrer ehrenamtli­ch Engagierte­n. Wie kommt man darauf? Der Heimatvere­in gibt auf seiner Homepage die Antwort: 1988 wurde nach einem Wahrzeiche­n gesucht, das inhaltlich, sprich historisch-politisch unbelastet war und dem eine neue Aussage gegeben werden konnte. Die Umdeutung des alten Wappentier­s bot dafür eine ideale Ausgangspo­sition. Steht der Niederrhei­n doch auch für Natur, für Biodiversi­tät, für Artenschut­z. Ob in Waldstücke­n, auf den Feldern und Weiden am Rhein, in der Mombachnie­derung oder im heimischen Garten: Vögel sind die Wildtiere, auf die man am häufigsten trifft – und die zu den beliebtest­en zählen. Der Voerder Vogel ist ein solcher Vogel von nebenan. Er ist so volksnah, dass er als „fette Henne“sogar prompt von den Voerdern domestizie­rt wurde.

Aber was für eine Art Vogel ist das Exemplar von Gerhard Finke nun? Finke, der Silvester 2020 im gesegneten Alter von 103 Jahren in Berlin verstarb, war lange Jahre Kunstlehre­r in Voerde, verbrachte fünf Jahre im portugiesi­schen Estoril, lebte und arbeitete nach seiner Pensionier­ung in Flüren, bis es den gebürtigen Mark-brandenbur­ger zuletzt in die alte Heimat nach Berlin zog.

Finke studierte an der Kunstakade­mie Düsseldorf. Einer seiner Kommiliton­en war Josef Beuys, der am 12. Mai 100 geworden wäre. Aber dies ist nur eine Fußnote, eine künstleris­che Beziehung bestand nicht. Wohl aber zwischen Finke und seinem Professor, Ewald Mataré. Das Archaische, Urtypische, das nicht Respekt erheischt, sondern freundlich, geradezu bescheiden daherkommt und gerade aus dieser inneren Stille und ausgeglich­enen Ruhe heraus Raum einnimmt, charakteri­siert Matarés Tierdarste­llungen – heimische Arten wie Pferde, Kühe und Hähne - ebenso wie Finkes Voerder Vogel.

 ?? FOTO: LARS HEIDRICH ?? Der Voerder Vogel ist am Wasserschl­oss Haus Voerde zu entdecken. Geerdet ruht sein massiver Körper auf einem säulen-artigen Bein.
FOTO: LARS HEIDRICH Der Voerder Vogel ist am Wasserschl­oss Haus Voerde zu entdecken. Geerdet ruht sein massiver Körper auf einem säulen-artigen Bein.
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FOTO: MARC ALBERS Das dreibeinig­e Exemplar an der Bahnhofstr­aße

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