Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
In Marseille grassiert die Pest
Die Krankheit kam mit dem
Schiff: Am 25. Mai 1720 legte die „Le Grand St. Antoine“in der französischen Hafenstadt
Marseille an. Die Bürger dort hatten schon mehrere Ausbrüche der Pest erleben müssen. Marseille hatte deshalb ein sinnvolles Schutzsystem entwickelt, um einen neuen Ausbruch zu verhindern. Schon seit Ende des
16. Jahrhundert wurde jedes ankommende Schiff untersucht. Beamte der Stadt prüften unter anderem das Logbuch, um zu kontrollieren, ob die Reiseroute an Orte geführt hatte, von denen Pestfälle bekannt waren. Auch der Gesundheitszustand der Matrosen wurde erfragt. Beim geringsten Anzeichen einer Krankheit musste die Mannschaft in eine verlängerte Quarantäne, die mehr als einen Monat dauern konnte. Selbst ein unauffälliges Schiff wurde mitsamt Besatzung in eine mindestens 18-tägige Quarantäne geschickt. Doch als die „Le Grand St. Antoine“anlief, waren alle diese Maßnahmen vergebens – sie wurden schlicht missachtet. Das Schiff hatte das von der Pest stark betroffene Zypern angelaufen. Mehrere Passagiere und Besatzungsmitglieder waren krank geworden und gestorben, darunter der Schiffsarzt. Im italienischen Livorno hatten die Behörden die Einfahrt verweigert, in Marseille musste die Besatzung bloß in Quarantäne. Doch die Kaufleute der Stadt wollten möglichst schnell an die Ladung aus Tuch und Seide kommen. Die Quarantäne der „Le Grand St. Antoine“wurde verkürzt. Kurz darauf brach die Pest in der Stadt aus. Sie forderte zwischen 30.000 und 50.000Menschenleben. Um die weitere Ausbreitung in der Region zu verhindern, wurde die „Pestmauer“gebaut. Ihre Überreste sind noch heute in der Provence zu sehen.