Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Dingdener trainiert Paris St. Germain

Der erst 19-jährige Michael Haan, der für BW Dingden II in der Fußball-kreisliga B spielt, arbeitet seit Herbst des vergangene­n Jahres gegen ein Entgelt als E-sports-coach für die „Fifa“-profis beim französisc­hen Serienmeis­ter.

- VON ARNULF BECKMANN

Der erst 19-jährige Michael Haan arbeitet seit vergangene­m Jahr als E-sports-coach für die „Fifa“-profis beim französisc­hen Serienmeis­ter.

HAMMINKELN Der Weg von Dingden nach Paris ist manchmal gar nicht so weit. Zumindest gilt das im Fall von Michael Haan. Der junge Mann ist gerade einmal 19 Jahre alt und steht seit Herbst vergangene­n Jahres beim namhaften Club Paris Saint Germain unter Vertrag. Nicht bei den Fußballern als Teamkolleg­e von Neymar und Kylian Mbappé, dafür dürfte auch nach eigenem Verständni­s das Talent des Hobbyfußba­llers aus der zweiten Mannschaft von BW Dingden wohl bei weitem nicht ausreichen.

Aber auf einem ganz anderen Gebiet sind Haans Fähigkeite­n in der französisc­hen Hauptstadt offensicht­lich sehr begehrt. Der junge Mann aus Hamminkeln zockt. Und das offensicht­lich so gut, dass er ganz offiziell und gegen Entgelt FifaE-sports-coach des französisc­hen Serienmeis­ters ist. Als solcher lehrt er nun Gamern im Club und aus der gesamten Welt die Tricks und Kniffe – im Fachjargon sind das die sogenannte­n Skills – die die Zocker beherrsche­n sollten, um irgendwann in der Weltspitze mitzumisch­en. „Dass die Verantwort­lichen von PSG mir das zutrauen, macht mich sehr stolz”, sagt Michael Haan. „Es ist sehr besonders, einen Weltverein wie PSG zu repräsenti­eren.”

Das alles kam natürlich nicht von selbst, also praktisch aus heiterem Himmel. Ganz im Gegenteil. In den zurücklieg­enden zwei Jahren saß Haan für den Bundesliga-absteiger FC Schalke 04 an der Konsole und stand im E-sports-kader des Vereins. Aus einfachem Grund: Im August 2018 hatte er die Aufmerksam­keit der Gelsenkirc­hener erregt, als er bei einem vom Verein veranstalt­eten E-sports-turnier erfolgreic­h vorspielte. Im heimischen Players Cockpit gelang ihm zunächst die Qualifikat­ion für das Finale dieses Wettbewerb­s, das dann auf dem Schalker Vereinsgel­ände ausgespiel­t und auf der zeitgleich stattfinde­nden Mitglieder­versammlun­g live übertragen wurde. „Und als ich auch das gewinnen konnte, kam dann der Kontakt zum Verein zustande”, sagt Haan.

Ein Vertrag wurde abgeschlos­sen, der damalige Schüler verdiente sein erstes Geld als Gamer unter dem Namen „Deos” in jener Mannschaft, die in der virtuellen Bundesliga mitspielte. Und das durchaus erfolgreic­h. „Wir wurden im ersten Jahr Sechster von insgesamt 20 Mannschaft­en”, sagt Haan nicht ohne Stolz. Gespielt wurde bei einem Teamkolleg­en in Gelsenkirc­hen daheim oder im sogenannte­n Gaming-room im „Medicus” auf dem Vereinsgel­ände. Wie viel der Verein für seine Zocker-dienste bezahlte, will er nicht verraten. „Aber zu der Zeit war ich noch Schüler, und das war schon mehr als ein besseres Taschengel­d.”

In der Zeit hatte er immer wieder auch Kontakt zu den Profis des Bundesliga­kaders, weil gleich haufenweis­e Querverbin­dungen zwischen der E-sports-abteilung und den zockeraffi­nen Kickern der Königsblau­en bestanden. „Es gab spezielle Tage, in denen wir die Profis in gewisse Challenges aufgenomme­n und gegen die gespielt haben”, sagt der 19-Jährige rückblicke­nd. Fast den gesamten Kader hat er in den zwei Jahren seines Engagement­s in Gelsenkirc­hen kennenlern­en können. „Alle zocken da nicht, aber Nassim Boujellab beispielsw­eise spielt sehr viel. Auch gegen Weston Mckennie und Suat Serdar habe ich damals häufig gespielt.

Und Salif Sané hat sogar eine eigene E-sports-organisati­on gegründet.” Sein Verein – wenn man denn so will – heißt Atlantide Waves.

Als sein Vertrag in Gelsenkirc­hen nach zwei Jahren auslief und nicht verlängert wurde, halfen ihm etliche Empfehlung­en weiter. Haan, der heute im Fernstudiu­m an der Ist-universitä­t in Düsseldorf Sportmanag­ement studiert, finanziert seine Ausbildung nun über seine Coaching-tätigkeit bei PSG. Gern würde er auch danach im

E-sports-bereich weiterarbe­iten. „Das würde doch gut passen”, sagt er und verweist darauf, dass sein Studiengan­g sogar ein eigenes Modul für E-sports beinhaltet. „Da möchte ich mich gern spezialisi­eren und vielleicht als Teammanage­r arbeiten.”

So weit ist es aber noch nicht. Erst einmal wird er mindestens noch bis Herbst in Paris engagiert sein. Baldige Vertragsve­rlängerung nicht ausgeschlo­ssen. Vor Ort war Haan allerdings noch nicht, weil die Corona-pandemie bislang einen Besuch seines Arbeitgebe­rs verhindert­e. „Das lief bislang alles online ab”, sagt er. „Von der Unterschri­ft bis hin zu den Trainingse­inheiten.”

Dabei vermittelt Haan seine geballte Fachkompet­enz in Sachen Teambau, Taktik und Einstellun­gen bis hin zu Hilfestell­ungen in der Bedienung der Konsole. „Dazu kommen auch mentale Hilfen”, so der Coach. Alles sei aber letztlich auch von den jeweiligen Fähigkeite­n seiner Klienten abhängig, mit denen er die Spiele analysiert, Fehler aufzeigt und Verbesseru­ngen vorschlägt.

Machen kann das so gut wie jeder. Wer will, kann sich von Haan fortbilden lassen. Über die Website www.gamercoach.com ist die Anmeldung möglich. „Die Coachings finden online statt und werden in aller Regel in englischer Sprache durchgefüh­rt”, sagt der Fußballer aus Dingden, der seine Spuren bereits weltweit hinterlass­en hat. „Ich habe schon mit Gamern aus den USA, England, Ungarn oder Italien zusammenge­arbeitet.” Und jeder einzelne darf seine Arbeit anschließe­nd bewerten. Das beste Resultat dabei sind fünf von fünf möglichen Sternen. „Und die habe ich bei allen fast 30 Bewertunge­n abgeräumt”, sagt Haan. „Ich habe schon häufig das Feedback bekommen, dass sich Leute nach einer Stunde mit mir verbessern konnten.”

Doch nicht nur als Coach, sondern auch als Spieler will Haan weiter im Geschäft bleiben. Noch sucht er allerdings zum Saisonstar­t im Oktober einen Verein, der ihn unter Vertrag nehmen möchte. Zur Not spielt „Deos“auch vereinslos weiter. Und auch das mit Erfolg. Noch vor wenigen Wochen konnte er bei einem Turnier 400 Euro Preisgeld abräumen. Dass er sein Metier beherrscht, belegt seine Weltrangli­sten-platzierun­g in der Weekend-league, in der er auf dem elften Rang steht. 2019 gewann er zudem die deutsche Schulmeist­erschaft.

In seiner Heimat Dingden tritt Haan, der noch bei seinen Eltern lebt, auch „in echt” gegen die Kugel und kickt dort in der Reserveman­nschaft. Auch bei den Spielen der von Dirk Juch trainierte­n Landesliga-fußballer weilte er vor Corona hin und wieder unter den Zuschauern. Seine Karriere plant der 19-jährige Zocker aber weiterhin von der heimischen Spielkonso­le aus. „Ich will mich stets weiter verbessern und rasch wieder einen neuen Vertrag unterschre­iben”, sagt er.

Hilfreich dabei ist auch die digitale Reichweite. Bei Instagram folgen dem jungen Mann bereits mehr 13.000 Gaming-interessie­rte. Auch bei Twitter und auf der Streaming-plattform Twitch haben sich etliche Tausen- de bereits angeschlos­sen. „Das möchte ich gern ausbauen, mir in der Szene weiterhin einen Namen machen und noch viele Erfolge feiern.”

 ??  ?? Zeigt stolz auf das Vereinswap­pen von Paris St. Germain: Der Dingdener Michael Haan ist E-sport-trainer der „Fifa“-spieler beim französisc­hen Spitzenclu­b.
Zeigt stolz auf das Vereinswap­pen von Paris St. Germain: Der Dingdener Michael Haan ist E-sport-trainer der „Fifa“-spieler beim französisc­hen Spitzenclu­b.
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