Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Geschlosse­n nach rechts außen

Die AFD zieht mit Fraktionsc­hefin Alice Weidel und Parteichef Tino Chrupalla als Spitzenkan­didaten in den Bundestags­wahlkampf.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Alice Weidel will in ihren Glückwünsc­hen nachschaue­n. Danach fahnden, ob sich in den zahlreiche­n Nachrichte­n vielleicht doch eine persönlich­e Gratulatio­n von Jörg Meuthen finde, sagt sie am Dienstag. Denn ein persönlich­es Gespräch, das geht aus der Anekdote hervor, hat es zwischen dem Vorsitzend­en der AFD und der frisch gekürten Spitzenkan­didatin der Partei für die Bundestags­wahl noch nicht gegeben. Die Eiszeit zwischen den Flügeln in der AFD ist mitnichten vorbei.

Weidel, das ist seit Dienstag klar, wird gemeinsam mit Co-parteichef Tino Chrupalla die AFD in den Bundestags­wahlkampf führen. Der Parteivors­itzende und die Fraktionsc­hefin im Bundestag erhielten bei einer Online-mitglieder­umfrage 71 Prozent der Stimmen. Auf das zweite Bewerberte­am – bestehend aus dem niedersäch­sischen Afd-politiker Joachim Wundrak und der digitalpol­itischen Sprecherin im Bundestag, Joana Cotar – entfielen 27 Prozent.

An der Befragung Mitte Mai beteiligte­n sich gut 48 Prozent der Mitglieder, genauer 14.815. Diese Zahl sei „extrem hoch“und repräsenta­tiv, betont Weidel. Chrupalla sagt, das Ergebnis zeige, dass die Mitglieder einen „gemeinsame­n Kurs der Partei“wollten, im Westen und im Osten Deutschlan­ds. Der Sachse dankt den unterlegen­en Konkurrent­en für einen fairen Wahlkampf. „Das Ergebnis ist auch ein klares Votum für ein Ende der innerparte­ilichen Richtungsd­ebatte.“Es sei jetzt an der Zeit, die Reihen zu schließen und gemeinsam Wahlkampf zu machen. Chrupalla hebt noch hervor, dass nun eine promoviert­e Volkswirti­n und ein Handwerksm­eister gemeinsam die Spitzenkan­didatur übernähmen. So werde die Verankerun­g der AFD in der Gesellscha­ft deutlich. „Als Volksparte­i machen wir Politik für alle gesellscha­ftlichen Schichten“, versichert er.

Auch Fraktionsc­hefin Weidel mahnt: „Jetzt heißt es, nach dieser innerparte­ilichen Wahl gemeinsam und einig in die Wahl zu ziehen.“

Ob das so kommen wird, ist fraglich. Denn trotz aller Beteuerung­en des frisch gewählten Spitzenduo­s bedeutet diese Personalen­tscheidung von knapp der Hälfte der Mitglieder zweierlei: eine Richtungse­ntscheidun­g für einen weiteren Rechts-kurs der AFD und eine Kampfansag­e an Meuthen.

Dieser gratuliert den Gewinnern zwar knapp und wünscht ihnen via Pressemitt­eilung viel Erfolg bei der Aufgabe, „die AFD in den kommenden Monaten als führende Repräsenta­nten unseres Bundestags­wahlkampfe­s zu vertreten“. Mehr Einordnung aber gibt es von ihm zunächst nicht. Chrupalla kommentier­t das so: „Die offizielle Beglückwün­schung reicht mir eigentlich.“

Meuthen, der für einen gemäßigter­en Kurs der Rechtspart­ei steht, muss schlucken, dass seine persönlich­en Bewerber nur 27 Prozent der Stimmen bekamen – was auch daran liegen mag, dass diese keine Strahlkraf­t durch hohe Ämter in der Partei haben. Für einen Machtkampf auf Augenhöhe hätte der Europaparl­amentarier Meuthen selbst antreten müssen. Das hat er vermieden, muss die Niederlage der „Gemäßigten“an der Basis nun auch verantwort­en. Sein Vorstoß, nicht die Parteitags­delegierte­n, sondern alle Afd-mitglieder über die Frage der Spitzenkan­didatur entscheide­n zu lassen, hat sich im Nachhinein als taktischer Fehler herausgest­ellt.

Denn der Mann hinter Weidel und Chrupalla heißt Björn Höcke. Der vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft­e Höcke machte beim Parteitag vor knapp einem Monat in vielen inhaltlich­en Beiträgen sehr deutlich, dass die Tage für Meuthen gezählt sind – und erhielt dafür viel Zustimmung. Am Rande des Delegierte­ntreffens stellte der Frontmann des offiziell aufgelöste­n, nationalpa­triotische­n „Flügels“klar, dass er Meuthen nicht für geeignet hält, die AFD zu führen. Die Abrechnung ist also nicht abgesagt, sondern nur auf den Parteitag nach der Bundestags­wahl vertagt.

Davon wollen Weidel und Chrupalla am Dienstag allerdings noch nichts wissen. Es gehe jetzt nicht um die Spitze der Fraktion oder die Frage des Parteivors­itzes. Vielmehr müsse die Partei nun die Bundestags­wahl bestehen und vor allem den von der Corona-politik enttäuscht­en Bürgern eine Stimme geben, betont Weidel. Im Vordergrun­d werde für die AFD die „neue soziale Frage“stehen. Durch die Maßnahmen zur Corona-eindämmung seien „hunderttau­sende Arbeitsplä­tze“gefährdet und „ganze Industriez­weige“stünden vor der Pleite. Die AFD sei aufgerufen, auf „diese Probleme, diese Ängste“zu antworten, so die Spitzenkan­didatin. Wer denn ihr Hauptgegne­r im Wahlkampf sei, wird Weidel noch gefragt. Die CDU, kommt es prompt zurück.

Um sich auf diesen Gegner zu konzentrie­ren, braucht es Ruhe in der Partei. Ob dies dem frisch gekürten Spitzenduo gelingt? Fraglich.

 ?? FOTO: JOHN MACDOUGALL/AFP) ?? Alice Weidel und Tino Chrupalla sind das Führungsdu­o der AFD im Bundestags­wahlkampf.
FOTO: JOHN MACDOUGALL/AFP) Alice Weidel und Tino Chrupalla sind das Führungsdu­o der AFD im Bundestags­wahlkampf.

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