Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Geschlossen nach rechts außen
Die AFD zieht mit Fraktionschefin Alice Weidel und Parteichef Tino Chrupalla als Spitzenkandidaten in den Bundestagswahlkampf.
BERLIN Alice Weidel will in ihren Glückwünschen nachschauen. Danach fahnden, ob sich in den zahlreichen Nachrichten vielleicht doch eine persönliche Gratulation von Jörg Meuthen finde, sagt sie am Dienstag. Denn ein persönliches Gespräch, das geht aus der Anekdote hervor, hat es zwischen dem Vorsitzenden der AFD und der frisch gekürten Spitzenkandidatin der Partei für die Bundestagswahl noch nicht gegeben. Die Eiszeit zwischen den Flügeln in der AFD ist mitnichten vorbei.
Weidel, das ist seit Dienstag klar, wird gemeinsam mit Co-parteichef Tino Chrupalla die AFD in den Bundestagswahlkampf führen. Der Parteivorsitzende und die Fraktionschefin im Bundestag erhielten bei einer Online-mitgliederumfrage 71 Prozent der Stimmen. Auf das zweite Bewerberteam – bestehend aus dem niedersächsischen Afd-politiker Joachim Wundrak und der digitalpolitischen Sprecherin im Bundestag, Joana Cotar – entfielen 27 Prozent.
An der Befragung Mitte Mai beteiligten sich gut 48 Prozent der Mitglieder, genauer 14.815. Diese Zahl sei „extrem hoch“und repräsentativ, betont Weidel. Chrupalla sagt, das Ergebnis zeige, dass die Mitglieder einen „gemeinsamen Kurs der Partei“wollten, im Westen und im Osten Deutschlands. Der Sachse dankt den unterlegenen Konkurrenten für einen fairen Wahlkampf. „Das Ergebnis ist auch ein klares Votum für ein Ende der innerparteilichen Richtungsdebatte.“Es sei jetzt an der Zeit, die Reihen zu schließen und gemeinsam Wahlkampf zu machen. Chrupalla hebt noch hervor, dass nun eine promovierte Volkswirtin und ein Handwerksmeister gemeinsam die Spitzenkandidatur übernähmen. So werde die Verankerung der AFD in der Gesellschaft deutlich. „Als Volkspartei machen wir Politik für alle gesellschaftlichen Schichten“, versichert er.
Auch Fraktionschefin Weidel mahnt: „Jetzt heißt es, nach dieser innerparteilichen Wahl gemeinsam und einig in die Wahl zu ziehen.“
Ob das so kommen wird, ist fraglich. Denn trotz aller Beteuerungen des frisch gewählten Spitzenduos bedeutet diese Personalentscheidung von knapp der Hälfte der Mitglieder zweierlei: eine Richtungsentscheidung für einen weiteren Rechts-kurs der AFD und eine Kampfansage an Meuthen.
Dieser gratuliert den Gewinnern zwar knapp und wünscht ihnen via Pressemitteilung viel Erfolg bei der Aufgabe, „die AFD in den kommenden Monaten als führende Repräsentanten unseres Bundestagswahlkampfes zu vertreten“. Mehr Einordnung aber gibt es von ihm zunächst nicht. Chrupalla kommentiert das so: „Die offizielle Beglückwünschung reicht mir eigentlich.“
Meuthen, der für einen gemäßigteren Kurs der Rechtspartei steht, muss schlucken, dass seine persönlichen Bewerber nur 27 Prozent der Stimmen bekamen – was auch daran liegen mag, dass diese keine Strahlkraft durch hohe Ämter in der Partei haben. Für einen Machtkampf auf Augenhöhe hätte der Europaparlamentarier Meuthen selbst antreten müssen. Das hat er vermieden, muss die Niederlage der „Gemäßigten“an der Basis nun auch verantworten. Sein Vorstoß, nicht die Parteitagsdelegierten, sondern alle Afd-mitglieder über die Frage der Spitzenkandidatur entscheiden zu lassen, hat sich im Nachhinein als taktischer Fehler herausgestellt.
Denn der Mann hinter Weidel und Chrupalla heißt Björn Höcke. Der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Höcke machte beim Parteitag vor knapp einem Monat in vielen inhaltlichen Beiträgen sehr deutlich, dass die Tage für Meuthen gezählt sind – und erhielt dafür viel Zustimmung. Am Rande des Delegiertentreffens stellte der Frontmann des offiziell aufgelösten, nationalpatriotischen „Flügels“klar, dass er Meuthen nicht für geeignet hält, die AFD zu führen. Die Abrechnung ist also nicht abgesagt, sondern nur auf den Parteitag nach der Bundestagswahl vertagt.
Davon wollen Weidel und Chrupalla am Dienstag allerdings noch nichts wissen. Es gehe jetzt nicht um die Spitze der Fraktion oder die Frage des Parteivorsitzes. Vielmehr müsse die Partei nun die Bundestagswahl bestehen und vor allem den von der Corona-politik enttäuschten Bürgern eine Stimme geben, betont Weidel. Im Vordergrund werde für die AFD die „neue soziale Frage“stehen. Durch die Maßnahmen zur Corona-eindämmung seien „hunderttausende Arbeitsplätze“gefährdet und „ganze Industriezweige“stünden vor der Pleite. Die AFD sei aufgerufen, auf „diese Probleme, diese Ängste“zu antworten, so die Spitzenkandidatin. Wer denn ihr Hauptgegner im Wahlkampf sei, wird Weidel noch gefragt. Die CDU, kommt es prompt zurück.
Um sich auf diesen Gegner zu konzentrieren, braucht es Ruhe in der Partei. Ob dies dem frisch gekürten Spitzenduo gelingt? Fraglich.