Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Lieber langsamer lockern

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Die schwarz-gelbe Landesregi­erung in Nordrhein-westfalen erklärt die dritte Pandemiewe­lle für beendet. Jetzt, da die Inzidenz unter 100 liegt und damit die Bundesnotb­remse nicht mehr greift, können CDU und FDP der Pandemiepo­litik im Land wieder ihren Stempel aufdrücken. Lockern, heißt die Devise der Stunde. Besuche von Konzerten, Kinos und Theatern sowie Geschäften ohne Tests (!) sollen von Freitag schon bei einer Inzidenz von 99,9 wieder möglich sein – und damit in allen Kreisen und kreisfreie­n Städten des Landes außer Hagen. Sogar Messen und Ausstellun­gen können ab Freitag wieder stattfinde­n, wenn auch mit Personengr­enze und Hygienekon­zept. Die Kitas kehren übrigens erst am 7. Juni zum vollen Betreuungs­umfang zurück. Die sinkenden Inzidenzwe­rte und steigenden Impfquoten würden dies erlauben, lautet die Überzeugun­g der Landesregi­erung.

Die muss man nicht teilen. Schon oft in der Pandemie hat sich gezeigt, wie schnell das Blatt sich wenden kann. Frankreich etwa hat am Mittwoch eine Quarantäne für Briten verhängt – wegen der indischen Virusmutan­te. Gleichzeit­ig wurde bekannt, dass Biontech zunächst weniger Impfstoff liefert als geplant. Die Dosen, die da sind, müssen nun zuerst für Zweitimpfu­ngen verwendet werden. Und auch nicht so recht ins optimistis­che Bild will passen, dass die Inzidenzwe­rte in sozial benachteil­igten Stadtteile­n nach wie vor hoch sind. Die Lockerunge­n aber, die für einen gesamten Kreis oder eine gesamte Stadt gelten, treten auch in Teilgebiet­en mit hohen Inzidenzen in Kraft.

Zu schnell zu lockern bei niedrigen Inzidenzen kann in dieser Pandemie ganz ähnliche Folgen haben wie zu langsam zu schließen bei hohen Inzidenzen. Und wozu das führt, hat die Entwicklun­g in Deutschlan­d seit dem vergangene­n Oktober gezeigt.

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