Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Lieber langsamer lockern
Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-westfalen erklärt die dritte Pandemiewelle für beendet. Jetzt, da die Inzidenz unter 100 liegt und damit die Bundesnotbremse nicht mehr greift, können CDU und FDP der Pandemiepolitik im Land wieder ihren Stempel aufdrücken. Lockern, heißt die Devise der Stunde. Besuche von Konzerten, Kinos und Theatern sowie Geschäften ohne Tests (!) sollen von Freitag schon bei einer Inzidenz von 99,9 wieder möglich sein – und damit in allen Kreisen und kreisfreien Städten des Landes außer Hagen. Sogar Messen und Ausstellungen können ab Freitag wieder stattfinden, wenn auch mit Personengrenze und Hygienekonzept. Die Kitas kehren übrigens erst am 7. Juni zum vollen Betreuungsumfang zurück. Die sinkenden Inzidenzwerte und steigenden Impfquoten würden dies erlauben, lautet die Überzeugung der Landesregierung.
Die muss man nicht teilen. Schon oft in der Pandemie hat sich gezeigt, wie schnell das Blatt sich wenden kann. Frankreich etwa hat am Mittwoch eine Quarantäne für Briten verhängt – wegen der indischen Virusmutante. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Biontech zunächst weniger Impfstoff liefert als geplant. Die Dosen, die da sind, müssen nun zuerst für Zweitimpfungen verwendet werden. Und auch nicht so recht ins optimistische Bild will passen, dass die Inzidenzwerte in sozial benachteiligten Stadtteilen nach wie vor hoch sind. Die Lockerungen aber, die für einen gesamten Kreis oder eine gesamte Stadt gelten, treten auch in Teilgebieten mit hohen Inzidenzen in Kraft.
Zu schnell zu lockern bei niedrigen Inzidenzen kann in dieser Pandemie ganz ähnliche Folgen haben wie zu langsam zu schließen bei hohen Inzidenzen. Und wozu das führt, hat die Entwicklung in Deutschland seit dem vergangenen Oktober gezeigt.
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