Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
EU plant Sanktionen noch vor Sommer
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko droht dem Westen mit scharfen Reaktionen.
BRÜSSEL (dpa/rtr) Die geplanten neuen Eu-sanktionen gegen Belarus wegen der erzwungen Landung einer Passagiermaschine sollen unter anderem die für die Devisenbeschaffung des Landes wichtige Kali-industrie treffen. In diesem Wirtschaftsbereich seien vor allem Staatsunternehmen der früheren Sowjetrepublik aktiv, erklärten Eu-diplomaten am Mittwoch in Brüssel. Im Idealfall sollten die geplanten Sanktionen gegen ausgewählte Wirtschaftszweige noch vor dem Sommer in Kraft treten. Unterschiedliche Interessen der Eu-staaten könnten allerdings auch noch zu Verzögerungen führen. Noch offen ist den Angaben zufolge, ab wann der Luftraum der EU für belarussische Fluggesellschaften wie vorgesehen komplett gesperrt wird. Das Thema erfordere Diskussionen unter den Eu-staaten, hieß es. Einzelne Mitgliedstaaten hätten bereits ihre nationalen Luftverkehrsabkommen mit Belarus annulliert.
Nach Angaben aus dem EURat ist bei den geplanten Sanktionen gegen Wirtschaftszweige etwa noch unklar, ob auch die Mineralölindustrie ins Visier genommen werden sollte. Dies könnte für einige Eu-staaten bedeutendere Auswirkungen haben. Belarus ist zwar einer der weltweit bedeutendsten Exporteure von Kali-produkten wie Mineraldüngern, die Ausfuhren gingen jedoch laut der Deutschen Rohstoffagentur zuletzt vor allem nach Brasilien, China, Indien und Indonesien. Nach Deutschland exportierte Belarus nach eigenen Angaben zuletzt vor allem Erdölprodukte und Produkte der Forst- und Holzwirtschaft.
Deutlich schneller sollen weitere Strafmaßnahmen gegen Personen, Unternehmen und Organisationen beschlossen werden, die eine direkte Mitverantwortung an der Zwangslandung der Ryanair-maschine und der Unterdrückung der Opposition im Land haben. Geplant seien mehrere Dutzend neue Einträge in die Eu-sanktionsliste, hieß es am Mittwoch. Der notwendige Beschluss dafür könne beim Außenministertreffen am 21. Juni gefällt werden.
Die Staats- und Regierungschefs der Eu-staaten hatten in der Nacht zum Dienstag beschlossen, neue Sanktionen gegen Belarus auf den Weg zu bringen. Zuvor hatte das Land am Sonntag ein Ryanair-flugzeug mit mehr als 100 Passagieren auf dem Weg von Athen nach Vilnius zur Landung gebracht – angeblich wegen einer Bombendrohung. Die EU verurteilte das Vorgehen als Gefährdung der Flugsicherheit und als Angriff auf die Pressefreiheit. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko kontert die wachsende internationale Kritik an der erzwungenen Landung des Flugzeugs und der Festnahme eines Bloggers mit scharfen Vorwürfen gegen den Westen. Ausländische Kräfte würden einen Hybridkrieg gegen Belarus führen, sagte der seit mehr als einem Vierteljahrhundert autoritär regierende Präsident am Mittwoch in seiner ersten öffentlichen Äußerung zu dem Vorfall. Ziel sei es, Belarus die Luft abzuschneiden und seine Regierung zu untergraben. Er habe jedoch rechtmäßig gehandelt und sei im Einklang mit sämtlichen internationalen Normen.
Lukaschenko drohte, auf sämtliche Sanktionen scharf zu reagieren, wie die Nachrichtenagentur Belta meldete. Sein Ministerpräsident brachte beispielsweise Importverbote und Transit-beschränkungen ins Gespräch ohne jedoch Details zu nennen. Der Kreml in Moskau erklärte, er sehe keinen Grund, Lukaschenkos Darstellung des Falls zu misstrauen.