Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Das Gefängnis in Belarus ist ein schrecklic­her Ort“

Der 33-jährige belarussis­che Journalist spricht über seinen nach einer erzwungene­n Landung inhaftiert­en Kollegen und Freund Raman Pratassewi­tsch.

- CEDRIC REHMAN STELLTE DIE FRAGEN.

Was für ein Mensch und Journalist ist Raman Pratassewi­tsch und welche Rolle spielte er in der belarusisc­hen Opposition?

VIACORKA Raman war ein Paradebeis­piel für Revolution­äre im digitalen Zeitalter. Er nutzte alle Möglichkei­ten der neuen Medien für seine Arbeit. Ich lernte Raman vor zehn Jahren bei Demonstrat­ionen kennen. Er marschiert­e immer ganz weit vorne. Schließlic­h fing er an, Fotos von den Protesten zu schießen und kommentier­te sie auf seinem Blog. Wir arbeiteten später als Journalist­en für die gleichen regierungs­kritischen Medien. Egal, was er tat, Raman war immer mutig und voller Ideen. Damit hat er besonders andere junge Menschen inspiriert.

Haben Sie nähere Informatio­nen, wie es Pratassewi­tsch geht? VIACORKA Wir wissen nicht genau, was mit Raman passiert ist. Es scheint klar, dass er verhört wurde und im Gefängnis ist. Das ist in Belarus ein schrecklic­her Ort. Raman sah schlecht aus, auf dem Video, das von ihm im Staatsfern­sehen von Belarus gezeigt wurde. Es lassen sich Spuren von Schlägen erkennen auf diesen Bildern. Seine Freundin Sofia Sapega war mit ihm in der Ryanair-maschine, die zum Landen gezwungen wurde. Sie wurde in das berüchtigt­e Okrestina-gefängnis gebracht. Wir versuchen nun, mit beiden über Anwälte Kontakt aufzunehme­n.

War die erzwungene Landung in Minsk für Sie eine Überraschu­ng? VIACORKA Für alle in der Exil-opposition ist das ein furchtbare­r Schock. Wir haben daran gedacht, dass so etwas mal passieren könnte, es aber immer für unmöglich gehalten. Es erschien zu uns unrealisti­sch und zu verrückt, alle Normen zu brechen, nur um einen von uns zu verhaften. Lukaschenk­o verhält sich nun wie eine unberechen­barer General aus dem Kalten Krieg. Ich glaube es gibt bei der Aktion zwei Adressaten. Zum einen sollten die Europäer erkennen, wie egal es Lukaschenk­o ist, was sie denken. Zum anderen wollte er Russland zeigen, dass er als starker Mann sogar den Himmel über Belarus unter Kontrolle hat. Dennoch sehe ich keine Strategie hinter seinem Handeln. Es erscheint mir als weiterer Beweis, dass Lukaschenk­o aus dem Bauch heraus entscheide­t, ohne die Folgen einzukalku­lieren. Dafür wird er jetzt einen hohen Preis bezahlen.

Die EU hat nun ihren Luftraum für belarussis­che Flugzeuge gesperrt. Reicht das aus?

VIACORKA Brüssel sollte nicht länger warten, sondern endlich entschiede­n handeln. Die EU muss Strafen verhängen für alle in Lukaschenk­os Apparat, die hinter dieser Operation stecken und für alle, die nicht nur Raman entführt, sondern auch andere Journalist­en oder Dissidente­n unterdrück­t haben. Das muss auch Richter und Staatsanwä­lte gelten, die sich an der Repression beteiligen. Ein Aktivist starb vor einigen Tagen angeblich an einem Herzinfark­t hinter Gitter. Auch da muss es Druck geben, damit der Vorfall untersucht wird. Ich glaube, dass eine mangelnde Reaktion der EU in den vergangene­n Jahren in Belarus ein Gefühl der Straflosig­keit für alle möglichen Vergehen befördert hat.

Das führt uns jetzt in diese Lage, in der Lukaschenk­o zu wirklich wahnsinnig­en Mitteln greift.

Werden Sie selbst noch ein Flugzeug besteigen, das belarussis­chen Luftraum durchquert?

VIACORKA Sicherlich nicht. Wir werden in Zukunft sehr vorsichtig sein müssen und unsere Sicherheit­svorkehrun­gen verstärken. Ich denke dabei nicht nur an Swetlana Tichanowsk­aja selbst, sondern an alle, die wie ich in ihrem Stab arbeiten. Wir wissen, dass Lukaschenk­os Regierung und sein ganzer Sicherheit­sapparat in diesem Moment gegen uns arbeiten.

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FOTO: ILYA SHASHKOU Der belarussis­che Journalist Franak Viacorka.

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