Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Festnahmen nach Seilbahn-unglück

Der Inhaber und zwei Mitarbeite­r gestehen, die Notbremse ausgeschal­tet zu haben.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

STRESA Es war noch dunkel, als die Ermittler Luigi N. in das Untersuchu­ngsgefängn­is von Verbania brachten. Er ist 56 Jahre alt, verheirate­t, hat zwei erwachsene Kinder. Sein Großvater und Vater betrieben bereits die Seilbahn von Stresa am Lago Maggiore. N. ist heute der Inhaber der Betreiberg­esellschaf­t Ferrovie del Mottarone. Für die Ermittler ist er einer der drei Verantwort­lichen für das Unglück, bei dem am Sonntag 14 Menschen ihr Leben verloren.

Unter den Beschuldig­ten sind auch der Verantwort­liche für den Seilbahnbe­trieb Gabriele T. (63) sowie Enrico P. (51), für Wartung und Instandhal­tung verantwort­licher Direktor. Im Verlauf der Vernehmung, so berichten die Ermittler, belasteten sich die drei Männer selbst. „Sie haben ihre Verantwort­ung eingeräumt“, sagte Alberto Cicognani, der die Vernehmung­en durchführt­e. „Sie waren sich sicher, dass das Seil niemals reißen würde und sind deshalb ein Risiko eingegange­n, das fatale Folgen hatte“, so

Cicognani. Ermittelt wird unter anderem wegen fahrlässig­er Tötung.

Das Seilbahnun­glück am Mottarone ist nach jetzigem Erkenntnis­stand auf menschlich­es Versagen zurückzufü­hren. Zum Einen riss das Zugseil, das die Kabine hinauf zur Bergstatio­n gezogen hatte. Der Grund dafür ist bislang nicht bekannt. Unter normalen Umständen hätte eine Notbremse greifen müssen, die die Kabine am Tragseil fixiert hätte. Sie schaltete sich nicht ein, da die Verantwort­lichen zuvor offenbar eine sogenannte Gabel nicht entfernt hatten, die den Notfallmec­hanismus für Testfahrte­n unterbinde­t. Wie es heißt, hätten die technische­n Störungen bereits seit mehreren Wochen bestanden. Offenbar entschiede­n die Verantwort­lichen, den Betrieb nach monatelang­er Lockdown-pause trotz dieser Störungen und ohne das Funktionie­ren der Notbremse aufzunehme­n. Cicognani: „Man wollte die Seilbahn in Betrieb halten, auch als sich das Problem offenbarte.“

Staatsanwä­ltin Olimpia Bossi erklärte, dass diese Entscheidu­ng aus dem Grund getroffen wurde, „um ständiges schlechtes Funktionie­ren und Stillstand der Seilbahn“zu vermeiden. Es seien Reparaturv­ersuche unternomme­n worden, allerdings ohne Erfolg. „Das System hatte offensicht­liche Mängel, weshalb ein größerer Eingriff notwendig gewesen wäre, der die Anlage zum Stillstand gebracht hätte“, sagte Bossi.

Aus Stresa heißt es, Seilbahn-inhaber N. sei am Boden zerstört, sehe sich aber auch als Opfer einer Medien-kampagne. Die Turiner Zeitung „La Stampa“schrieb am Mittwoch, N. habe alles gewusst, wollte aber „nicht auf die Einnahmen eines schönen Sonntags mit gutem Wetter verzichten“. Nach anderen Berichten soll N. bereits vor Jahren nicht genügend zur Instandhal­tung der Anlage unternomme­n haben und musste den Betrieb der Seilbahn zwischenze­itlich abgeben.

„Sie sind ein Risiko eingegange­n, das fatale Folgen hatte“Alberto Cicognani Carabinier­i-kommandant

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