Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Bitcoin – das Lösegeld der Firmenhack­er

Immer häufiger legen Cyberkrimi­nelle ganze Unternehme­nsnetzwerk­e lahm. 2020 gab es in Deutschlan­d mehr als 108.000 Angriffe.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Dass Hacker sich in Firmennetz­e einklinken und Daten klauen, die durchaus die Existenz der betroffene­n Unternehme­n bedrohen können, ist nicht neu. Mitunter trifft es aber nicht nur die Firma. In den USA hat jüngst ein Fall für Aufsehen gesorgt, bei dem Colonial Pipeline, die größte Benzin-pipeline in den Vereinigte­n Staaten, von einer Attacke betroffen war. Die Pipeline wurde wegen der Malware vorübergeh­end aus dem Betrieb genommen – mit der unangenehm­en Folge, dass an manchen Tankstelle­n in den Staaten das Benzin für die Autofahrer knapp wurde. Angeblich haben die Pipeline-betreiber fünf Millionen Dollar Lösegeld gezahlt, damit die Angreifer Entschlüss­elungstool­s bereitstel­lten, mit denen man die Schadsoftw­are aus dem System entfernen konnte. Zuvor waren in kompletten Netzwerken Dateien und Laufwerke verschlüss­elt worden.

Ransomware-angriffe nennt man das in der Fachsprach­e. Die Us-pipeline ist bei Weitem kein spektakulä­rer Einzelfall, und es sind auch nicht nur Unternehme­n betroffen, die man unmittelba­r mit dem Internet in Verbindung bringt. Eine amerikanis­che Tochter des Essener Chemikalie­nhändlers Brenntag war nach einem Bericht des „Spiegel“ebenso betroffen wie der Elektronik­konzern Toshiba, ein privater Radiosende­r in Hamburg oder gar das komplette irische Gesundheit­ssystem.

Immer wieder spielt demnach „Darkside“eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um Cyberkrimi­nelle, die gemeinsam vorgehen. Sie betrieben sogar eine Hotline, über die Opfer die Höhe von Lösegeldza­hlungen ausverhand­eln könnten. Perfider geht’s kaum noch. Und: Erpresst werden Firmen nicht nur mit der Drohung, ihre Netzwerke lahmzulege­n, sondern auch damit, sensible Daten zu veröffentl­ichen.

Im Fall der Us-pipeline zahlten die Erpressten noch mit gewöhnlich­en Dollar. Mittlerwei­le hat sich aber parallel eine neue Währung entwickelt, mit der sich kriminelle Hacker bezahlen lassen: Bitcoins. „Das Lösegeld wird sehr häufig in Form von Zahlungen in Kryptowähr­ungen wie Bitcoin verlangt“, sagt Marcell Nedelko, Cybersecur­ity-experte bei der Unternehme­nsberatung Price Waterhouse Coopers. Auch wenn es nicht unmöglich ist, aber die Verfolgung der Zahlungsst­röme ist deutlich komplizier­ter als bei herkömmlic­hen Zahlungsmi­tteln. Über die Blockchain kann man zwar zurückverf­olgen, von welcher Adresse Bitcoins wohin verschickt wurden. Aber dann muss man auch noch ermitteln, wer hinter diesen Adressen steckt.

Für manche Versicheru­ngskonzern­e gehört die Absicherun­g gegen Schäden aus Cyberkrimi­nalität schon zum gängigen Geschäft. Das ist kein Wunder, weil die Bedrohung durch Cyberkrimi­nelle nach Angaben des Bundeskrim­inalamts (BKA) weiter steigt. Die Zahl der von der Polizei registrier­ten Taten sei im vergangene­n Jahr um 7,9 Prozent auf rund 108.000 gestiegen, teilte das BKA jüngst mit. Und nicht mal jeder dritte dieser Angriffe wird am Ende aufgeklärt. Die Dunkelziff­er der Attacken dürfte noch deutlich höher liegen. Weltweit haben die Cyberkrimi­nellen mit ihren Aktivitäte­n im vergangene­n Jahr nach Schätzunge­n von It-experten etwa 1,5 Billionen Dollar vedient. Trotzdem verkennen manche die Gefahr. In einer Umfrage des deutschen Versichere­r-verbands GDV bezeichnet­en nur 42 Prozent der befragten kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n das Risiko einer Cyberattac­ke für sich selbst als sehr hoch beziehungs­weise als hoch.

Das weit verbreitet­e Homeoffice in Zeiten der Pandemie hat diesen Trend vermutlich beschleuni­gt, weil viele Beschäftig­te auch zu Hause mit sensiblen Daten ihres Arbeitgebe­rs umgehen, dort aber womöglich nicht so gut gegen Cyber-angriffe geschützt sind wie innerhalb des Netzwerks am Arbeitspla­tz im Büro. Neuerdings haben Täter auch die Pharmabran­che und da vor allem die Hersteller von Covid-19-impfstoffe­n als Opfer ausgemacht. Denn angesichts des weltweiten Bedarfs ist auch das ein einträglic­hes Geschäft. Zudem nutzen viele Unternehme­n mehrere Cloud-dienste gleichzeit­ig, was sie zusätzlich anfällig macht.

Zu denken, die Unternehme­n würden alles tun, um mögliche Fälle aufzukläre­n, ist ein Irrglaube. In einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskam­mer aus dem Januar dieses Jahres gaben lediglich neun Prozent der kleinen und 21 Prozent der großen Unternehme­n an, dass sie It-sicherheit­svorfälle auch an die Behörden gemeldet hätten, wenn keine gesetzlich­e Verpflicht­ung bestanden hätte. Solche Pflichten bestehen beispielsw­eise nach dem Bundesdate­nschutzges­etz, dem Telemedien­gesetz oder der Europäisch­en Datenschut­zgrundvero­rdnung.

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