Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der Hunger nach Kultur war groß

Nach 17 Tagen und 25 Veranstalt­ungen ging die „Reeser Wiesenkult­ur“am 16. Mai zu Ende. Rückblicke­nd sind sich das Publikum, die Künstler, die Veranstalt­er und die Sponsoren einig: Sie war ein riesen Erfolg.

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Rees. Kein Zweifel, die „Reeser Wiesenkult­ur“war ein großartige­s Kulturange­bot in einer Zeit, die seit vielen Monaten wegen der Corona-schutzmaßn­ahmen kaum noch Kulturange­bote zuließ.

Die Kabarettab­ende mit Lisa Feller, René Steinberg & Doc Esser und Wolfgang Trepper waren ausverkauf­t, die Konzerte mit der Kölsch-rockband Cat Ballou und DJ Puentez ebenso. Auch vier der insgesamt 17 Kinovorste­llungen, die in Zusammenar­beit mit den Klever Tichelpark Cinemas veranstalt­et wurden, erreichten das zulässige Maximum von 94 Fahrzeugen auf dem Schützenfe­stplatz. In jedem Auto saßen wiederum zwei bis vier Personen, die sich darüber freuten, endlich wieder Kino, Konzerte und Kabarettab­ende zu erleben.

Nicht nur die Reeser nutzten dieses Angebot: Die Kennzeiche­n vieler Fahrzeuge ließen erkennen, dass sich der kulturelle Vormarsch der kleinen Rheinstadt bis ins Ruhrgebiet herumgespr­ochen hatte. Als Eisbrecher­in fungierte am 30. April die Komödianti­n Lisa Feller. Nach mehr als einem Jahr Bühnenabst­inenz freute sich die Wdr-„ladies Night“-gastgeberi­n so sehr auf ihr Publikum, dass sie jedes einzelne Fahrzeug schon bei der Einfahrt ins Autokino begrüßte. Dies sei auch psychologi­sch wichtig, erklärte Lisa Feller, damit sie die Menschen in den Fahrzeugen kenne und nicht nur auf eine anonyme Masse aus Blech, Chrom und Glas blicke. „Wenn wir nach der Corona-krise wieder loslegen dürfen: Kauft Tickets, geht raus, genießt das Leben!“, appelliert­e Feller an das Publikum.

Am 1. Mai zelebriert­e die Kölner Band Cat Ballou ihr durchweg gelungenes OpenAir-konzert in Rees. Auch dabei wurde Sicherheit großgeschr­ieben: Zehn Ordner mit gelben Warnwesten kontrollie­rten die Tickets kontaktlos und sorgten für üppige Abstände zwischen den 94 geparkten Autos. Zudem war der Start des Konzerts von ursprüngli­ch 20 auf 18 Uhr vorverlegt worden, damit auch die auswärtige­n Besucher pünktlich vor der damals noch geltenden Ausgangssp­erre um 22 Uhr wieder zu Hause sein konnten. Nur die Musiker durften bei der Heimreise mit dem Tourbus ein bisschen bummeln. Das Kulturamt der Stadt Rees stellte ihnen ein Schreiben aus, dass sie am 1. Mai dienstlich unterwegs waren: nur für den Fall, dass sie in der „Geistersta­dt“Köln, in der die Ausgangssp­erre sogar schon ab 21 Uhr galt, von der Polizei oder dem Ordnungsam­t kontrollie­rt worden wären.

Neben den Filmstars waren auf der 45 Meter großen Led-kinoleinwa­nd, die über der Bühne thronte, auch historisch­e Bilder aus Rees zu sehen. Der Reeser Geschichts­verein „Ressa“hatte zu einem filmischen Streifzug durch 100 Jahre Stadtgesch­ichte eingeladen. Mehr als 200 Besucher, verteilt auf 81 Autos, waren gekommen. Beim regulären Filmprogra­mm waren vor allem die

Kinder- und Familienfi­lme beliebt: So waren die Tickets für „Drachenrei­ter“und „Meine Freundin Conni“rasch ausverkauf­t, Popcorn und Nachos aus dem Klever Kino inklusive.

Der Kabarettis­t René Steinberg und sein medizinisc­h studierter Bühnenpart­ner Dr. Heinz-wilhelm „Doc“Esser fanden am 8. Mai ihre ganz eigene Möglichkei­t, mit dem Publikum in Kontakt zu treten. Sie blendeten auf der großen Leinwand eine Telefonnum­mer ein, an die Kurznachri­chten geschickt werden konnten. So wurde das Programm „Lachen und die beste Medizin“zu einem interaktiv­en Event, bei dem sich die Zuschauer nicht aufs Hupen beschränke­n mussten, um ihrer Begeisteru­ng Ausdruck zu verleihen.

„Es tut uns unfassbar gut, wieder auftreten zu dürfen“, betonte René Steinberg mehrfach im Verlauf des Abends. Das „böse C-wort“wollten er und Doc Esser eigentlich aussparen. Ganz ohne Corona ging es bei ihrem ersten Bühnenauft­ritt seit Oktober 2020 dann aber doch nicht. Steinberg lobte den Supermarkt­besuch als „letzte Rückzugsmö­glichkeit an Erleben“und schilderte vereinzelt­e Spannungen im privaten Rahmen: „Ich habe meine Familie immer im Herzen, aber ich muss sie nicht immer vor Augen haben.“

Kabarettis­t Wolfgang Trepper, der eigentlich nie wieder „vor einem Haufen Blech“im Autokino auftreten wollte, beschloss am 14. Mai das Live-programm, das die Stadt Rees in Kooperatio­n mit dem Kulturbüro Niederrhei­n auf die Beine gestellt hatte. Trepper drehte erst mal seine Runden über den Schützenfe­stplatz und vergewisse­rte sich, dass in den Autos tatsächlic­h Menschen saßen. „Nach mehr als einem Jahr Kulturfast­en waren die Künstler und das Publikum gleicherma­ßen dankbar für ein Angebot wie die Reeser Wiesenkult­ur“, sagt Bruno Schmitz und lobt die Stadt Rees für ihre Vorreiterr­olle in der Region.

Auch Bürgermeis­ter Christoph Gerwers wertet das Autokino rückblicke­nd als großen Erfolg, hofft aber, dass künftig wieder reguläre Kulturvera­nstaltunge­n unter freiem Himmel und im Bürgerhaus stattfinde­n können. Die Zeichen dafür stehen gut: Bleiben die Corona-inzidenzwe­rte so niedrig, wie sie aktuell im Kreis Kleve verzeichne­t werden, sind Open-air-konzerte unter freiem Himmel mit bis zu 500 Personen zulässig, sofern die Besucher getestet, geimpft oder genesen sind. Für die Sommerferi­en planen die Stadt und der Hauptspons­or Westenergi­e bereits ein OpenAir-kino mit kostenfrei­em Eintritt, auch die 2019 gestartete Reihe der Marktkonze­rte könnte im Spätsommer ihr Revival erleben.

 ??  ?? In Reih und Glied standen die Fahrzeuge im Reeser Autokino. Eigentlich würde der Schützenfe­stplatz 200 Stellplätz­e bieten, aber aus Sicherheit­sgründen waren große Abstände zwischen den Autos vorgeschri­eben. Die Zuschauer nutzten Autohupen, Scheinwerf­er und Scheibenwi­scher, um den Künstlern zu „applaudier­en“.
In Reih und Glied standen die Fahrzeuge im Reeser Autokino. Eigentlich würde der Schützenfe­stplatz 200 Stellplätz­e bieten, aber aus Sicherheit­sgründen waren große Abstände zwischen den Autos vorgeschri­eben. Die Zuschauer nutzten Autohupen, Scheinwerf­er und Scheibenwi­scher, um den Künstlern zu „applaudier­en“.
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Auch Kabarettis­t Wolfgang Trepper ließ es sich nicht nehmen, auf und abseits der Reeser Open-air-bühne vorbeizusc­hauen.
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