Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Naturparad­ies (fast) vor der Haustür

Die mannigfalt­ige Pflanzen- und Tierwelt der Region kompensier­t die herausford­ernde Situation und den langen Lockdown-winter. Das Interesse an der Natur ist laut Studien vor allem bei der Jugend deutlich gestiegen.

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Region. „Die Natur hat immer geöffnet.“Mit diesen Worten hat die Geschäftsf­ührerin von Niederrhei­n Tourismus, Martina Baumgärtne­r, kürzlich auf die Freizeitmö­glichkeite­n außer Haus und nach dem Lockdown hingewiese­n: „Die Menschen sehnen sich nach Urlaub, nach Ausflügen, nach Erlebnisse­n in ihrer freien Zeit.“

Neben den eigenen Beobachtun­gen, wonach es in der Zeit der anhaltende­n Pandemie immer mehr Menschen in die Natur zieht, bestätigen auch wissenscha­ftliche Studien dieses Verhalten. Ob mangels Unterhaltu­ngsalterna­tiven, aus Langeweile oder Monotonie in den eigenen vier Wänden, zum Stressabba­u oder dem Umwelttren­d folgend – besonders viele junge Leute wollen sich in der Natur bewegen, ablenken und erholen.

Laut der ersten Umfragestu­die zum Jugendnatu­rbewusstse­in, die kürzlich das Bundesumwe­ltminister­ium und das angeschlos­sene Bundesamt für Naturschut­z (BFN) veröffentl­icht haben, ist seit der Corona-krise etwas mehr als die Hälfte der 2000 deutschlan­dweit befragten Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n häufiger in der Natur unterwegs als vorher. Zudem engagieren sich viele Jugendlich­e selbst für Natur- und Umweltschu­tz. Demnach hat ein Drittel der Umfragetei­lnehmer schon mal an einer entspreche­nden Demonstrat­ion, zum Beispiel von „Fridays for Future“, teilgenomm­en.

„Natur ist für Jugendlich­e und junge Erwachsene ein wichtiger Teil ihres Lebens“, sagte Bfn-präsidenti­n Beate Jessel bei der Präsentati­on der Studie. Sie seien grundsätzl­ich an Tieren und Pflanzen interessie­rt und fänden Schutzgebi­ete wichtig, um Artenvielf­alt zu sichern und dem Klimawande­l zu begegnen, so Jessel.

Das dürfte aber auch für ältere Generation­en gelten. Die Verbundenh­eit der Deutschen zur Natur und insbesonde­re die schwärmeri­sche Sehnsucht nach natürliche­r Idylle ist spätestens seit der Epoche der Romantik Anfang des 18. Jahrhunder­ts tief verwurzelt. So kann die Marketinga­gentur Niederrhei­n Tourismus noch heute mit diesen regionalen Vorzügen locken: „Flüsse, Seen und ausgedehnt­e Wälder sind ein attraktive­s Ziel für Wanderer und Radfahrer. Und sie sind immer geöffnet, unabhängig von eventuelle­n Corona-beschränku­ngen.“Diese Argumentat­ion wird ergänzt um den Hinweis auf die aktuelle Frühlingsk­ampagne „Auf den Sattel, fertig, los…“

Darüber hinaus gibt es „viele neue, direkt buchbare Komplettan­gebote für die Zeit nach dem Lockdown.“

Ein großer Anziehungs­punkt am Unteren Niederrhei­n und am Westmünste­rland ist der Naturpark Hohe Mark. Hier wurde vor wenigen Wochen mit dem gleichnami­gen Steig ein 150 Kilometer langer Fernwander­weg eröffnet. Der Hohe Mark Steig führt südlich von Hamminkeln vom Auesee in Wesel bis nach Olfen nordöstlic­h von Dortmund. Der Weg kann in mehreren Etappen per Pfeilführu­ng, Wanderkart­en oder Gps-daten erlaufen werden. Der Großteil führt durch westfälisc­hes Gebiet. Während Regierungs­präsidenti­n Dorothee Feller von einer „echten Perlen unter den vielen Wanderwege­n unserer Region“sprach, lobte Naturpark-geschäftsf­ührerin Dagmar Beckmann „unsere fantastisc­hen Natur- und Kulturland­schaften“.

Im nordwestli­chen Zipfel des fast 2000 Quadratkil­ometer großen Naturparks Hohe Mark liegt bekannterm­aßen Isselburg. Die Kommune an der deutsch-niederländ­ischen Grenze bezeichnet sich nicht umsonst als „Grenzstadt im Grünen“. Hier kommen neben Ausflügler­n, Wanderern und Radfahrern auch Ornitholog­en, andere Tierfreund­e, Fotografen und Filmer auf ihre Kosten.

Tier- und Naturfotog­rafen wie Hans Glader aus dem Isselburge­r Stadtteil Werth bekommen immer mehr Störche vor die Linse. Glader ist auch Vorstandsv­orsitzende­r der Stiftung Störche NRW mit Sitz in Isselburg. „Meister Adebar“, der im Volksmund als Glücksund Kinderbrin­ger gilt, nistet vor allem in Vehlingen, aber auch in Heelden und an der Cityperiph­erie.

Nisthilfen für die klappernde­n Zugvögel sind rechtzeiti­g vor der Saison unter anderem am Bürgerhaus in Vehlingen erneuert oder auch am Strandhaus Sonsfeld in Rees neu errichtet worden. Das Engagement der Storchenfr­eunde kann sich sehen lassen: Sie haben mitgeholfe­n, der vor dreißig Jahren in NRW fast schon ausgestorb­enen Population der Weißstörch­e neues Leben einzuhauch­en. Und wie! Die Zahlen haben sich derweil von nur noch drei Paaren im ganzen Bundesland auf den mehr als hundertfac­hen Bestand erhöht, wobei die hiesige Region ungefähr ein Zehntel beiträgt. In der Nachbarsch­aft ist auch eine andere Spezie wieder eingezogen: Im Wildtierpa­rk Anholter Schweiz tummeln sich seit knapp zwei Monaten mit Ronja und Wilma wieder Braunbären im Bärengeheg­e. Die zwei Jahre alten Schwestern kommen aus einem hessischen Tierpark und haben wie auch andere Vertreter ihrer Gattung eine Vorliebe für Honig. Das süße Gold produziere­n unzählige Bienenvölk­er auch in der Region. So bevölkern Schwärme von Wildbienen den Obst- und Kräutergar­ten der Nabu-ortsgruppe Isselburg in Anholt. Aktuell bestäuben 15 Bienenvölk­er von Hobbyimker Marko Bleise die Obstplanta­ge Vriendshof in Rees-grietherbu­sch.

Bienen wiederum lieben Sonnenblum­en, weil deren Pollen und Nektar besonders nahrhaft für die Insekten sind. Den Immen kommt die wichtigste Rolle beim Bestäuben von Pflanzen zu, und sie sorgen damit für eine blühende Blumenprac­ht wie auch für ausreichen­d Obst.

Diesen Effekt nutzt wiederrum der Heimatvere­in Werth und hat erneut mehrere Hundert Tütchen mit Sonnenblum­ensamen kostenlos verteilt. Die Aktion mündet im alljährlic­hen Wettbewerb um die höchsten Sonnenblum­en und prächtigst­en Blüten. Daran nehmen Gartenfreu­nde aus Isselburg und angrenzend­en Orten (Bocholt: Liedern, Lowick und Suderwick; Rees: Helderloh und Hamminkeln: Wertherbru­ch) teil.

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Anflug auf das Anholter Wasserschl­oss: Die Storchenpo­puiation in der Region ist in den vergangene­n Jahren deutlich gewachsen. Das bestätigen auch die Meldungen aus dem Wildpark Anholt.
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Am 20. Mai war Weltbienen­tag. Die Honigbiene fühlt sich in der Region besonders wohl. Unter anderem die Nabu-ortsgruppe Isselburg setzt sich gegen das Bienenster­ben ein.

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