Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Der neue Angel-boom am Niederrhein
Angeln liegt auch in der Region wieder im Trend. Das Ganze hat jedoch einen Haken: Tierschützer schlagen Alarm.
Region. Angeln ist mehr, als eine Schnur mit einem Köder ins Wasser zu halten“, erklärt der Deutsche Angelfischerverband (DAFV) seine aktuelle Kampagne „Angeln in der Mitte der Gesellschaft“. Diese solle eine möglichst breite gesellschaftliche Akzeptanz für das Angeln in Deutschland erreichen und zeigen, dass dieses Hobby zeitgemäß, nachhaltig und gesellschaftlich bedeutsam ist, so der DAFV.
Demnach gehen 6,24 Millionen Deutsche oder mehr als sieben Prozent der Gesamtbevölkerung mindestens einmal im Jahr Angeln. Der Verband verbindet mit dem Angelsport ausdrücklich Werte wie Lebensqualität, Abenteuer, Erholung, Artenschutz, Verbindung von Generationen, ökologische Bildung oder Bewegung an der frischen Luft und spricht grundsätzliche Themen wie Nahrungsmittel, Ehrenamt, soziale Integration und Naturnutzung und -verbundenheit an.
Dagegen halten die Tierschützer von Peta Deutschland Angeln für eine „Freizeitbeschäftigung, bei der Fischen
Leid zugefügt wird“und empfiehlt stattdessen die aus den USA importierte pfiffige Idee des Müllangelns. Auf Basis ihrer Überzeugung, dass „Tiere nicht dazu da sind, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten“, formulieren die Tierrechtler „sieben Gründe, warum Angeln kein Naturschutz ist“.
Die Peta-aktivisten nennen hier die menschenähnliche Schmerzempfindlichkeit der seit über 400 Millionen Jahren existierenden Wirbeltier-spezies, den gestörten Einklang der heimischen Natur durch ausgesetzte gebietsfremde Arten, dezimierte Bestände bestimmter Arten oder – im Gegenteil – Überpopulationen durch Überfischung beziehungsweise übermäßiges Anfüttern. Ebenso wie Gewässerbelastungen durch Anlock-futter mit möglichen Folgen (Algenbildung und Sauerstoffmangel) sowie Tier- und Umweltgefahren durch zurückgelassene Haken, Angelschnüre oder Köderdosen. Des Weiteren kritisieren die Tierschützer die oft unbewusste Zerstörung von Laichgebieten. Nichtsdestotrotz ist vielerorts von einem Angel-boom in der Corona-krise die Rede. Wenngleich keine genauen Zahlen genannt werden, sprechen manche Medien von einem Trend in diesen
Zeiten. Auch in der Region wird der Mitgliederzuwachs in den Angelvereinen berichtet.
Der Trend wird zumeist mit den typischen Begleiterscheinungen der derzeitigen Situation erklärt wie zum Beispiel der Rückbesinnung auf die Natur und Outdoor-aktivitäten angesichts der Lockdown-maßnahmen sowie der verringerten Ansteckungsgefahr an der frischen Luft. Und wo noch dazu die Nerven bei vielen Menschen beruflich wie privat immer mehr blank liegen, gilt das Angeln als beruhigender Ausgleich. „Gerade in Corona-zeiten ist das Fischen eine gute Möglichkeit, dem eingeschränkten Alltag für ein paar Stunden am Wasser zu entfliehen“, bringen es Hobbyangler auf den Punkt. Allerdings ist hierzulande das wilde Angeln nicht erlaubt, sondern es muss alles einen offiziellen Weg gehen. Das heißt: Zuerst muss der landläufig als „Anglerschein“bezeichnete Fischerei-schein erworben werden. Wer also die Fischereiprüfung in der Tasche, seine Fischereiabgabe bezahlt und sich beim Inhaber des Fischrechtes eine Erlaubnis geholt hat, der darf dann angeln gehen.
Der mündlichen und praktischen Prüfung geht ein mehrwöchiger Kurs voraus: Zur Sachkunde gehören die umfassende Fischwelt, ökologische und rechtliche Kenntnisse wie auch das Know-how, welcher Fisch mit welchem Gerät zu fangen ist. Ebenso müssen die Kenntnisse über Schonzeiten oder Mindestgrößen der Fischarten sitzen. Die praktische Prüfung dreht sich um die richtige Fangausrüstung für ausgesuchte Fischarten. In der hiesigen Region sind Anglervereine aktiv, die einem der drei Verbände angehören – entweder dem Rheinischen Fischereiverband von 1880 (RHFV), dem Landesfischereiverband Westfalen und Lippe (LFW) oder dem Landesverband Westfälischer Angelfischer (LWAF). Die Zugehörigkeit hat anscheinend nicht nur mit dem Standort, sondern auch mit traditioneller Verbundenheit zu tun. So ist der DAFW zwar offiziell für die Kreise Kleve und Wesel zuständig, aber zum Beispiel der ASV Dingden im LFW organisiert und der AV Oberhausen in Hamminkeln gemeldet. Der LWAF führt wiederum eine Kreisgruppe im Münsterland. Ordnung muss sein, und so gehören die drei Regionalverbände dem Fischereiverband Nordrhein-westfalen an, dem Landesverband im DAFV.
Übrigens kommt einer der bundesweit bekanntesten Angelwurmzüchter aus der Region, von der gegenüberliegenden Rheinseite. Es handelt sich um die „Niederrheinische Wurmhandlung“der Familie van Weelden in Kalkar.