Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wohlfahrtsverbände unter Druck
Während die Personal- und Sachkosten für die Wohlfahrtsverbände seit Jahren steigen, bleiben die Zuschüsse des Kreises Wesel oft gleich. Die Gelder sollen flexibler fließen, fordert die SPD. Bislang ohne Erfolg.
Die Kosten für Wohlfahrtsverbände steigen seit Jahren. Die Zuschüsse des Kreises bleiben oft gleich. Sie sollten flexibler fließen, fordert die SPD.
KREIS WESEL Wenn am Mittwochnachmittag der Ausschuss für Arbeit und Soziales in Raum 008, dem großen Sitzungssaal des Kreishauses, tagt, dann wird auch Brunhild Demmer dort sein. Sie ist Chefin von gut 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aufgeteilt auf knapp 40 Fachdienste. Im Hauptberuf ist Brunhild Demmer Vorstandsvorsitzende des Caritasverbandes Moers-xanten. Zurzeit aber ist sie auch Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel, das Amt wird regelmäßig weitergereicht.
Nun führt Demmer ihre Aufgabe in Raum 008. Wenn sie bei Tagesordnungspunkt 4A das Wort ergreift, geht es vordergründig um Zahlen,
„Wenn die Verbände es nicht machen, müssen es die Kommunen selbst machen“Gerd Drüten Spd-fraktionsvorsitzender im Kreistag
aber eigentlich geht es auch um das Große und Ganze. Demmer wird, das kündigt sie am Telefon schon einmal an, für eine neue Finanzierung der Wohlfahrtsverbände werben. Denn in den Kassen von Caritas, Diakonie, Awo und Co. wird es knapp.
Dabei übernehmen die Verbände oft Aufgaben, die existenziell sind. Sie kümmern sich um jene, die immer wieder aus dem Blick der Massen zu geraten drohen. Um Menschen in Not, in Armut, in Krankheit, in Existenzängsten, im Alter, um Kinder, Jugendliche und Familien, um Menschen mit Handycap. Die Folgen der Corona-pandemie, die mehr und mehr sichtbar werden und vor allem ärmere Menschen in prekäreren Verhältnissen empfindlich treffen, bescheren den Verbänden zusätzliche Arbeit. „Das erleben wir in unseren Diensten jetzt schon“, sagt Demmer.
Mehr Arbeit und mehr Kosten, das kennen viele Verantwortliche bei den Wohlfahrtsverbänden. Seit Jahren steigen die Sach- und Personalkosten, weil die Löhne angepasst werden, weil die Inflationsrate die Preise treibt, weil die Anforderungen komplexer werden. Mehr Geld vom Staat bekommen die Verbände in vielen Fällen aber nicht. Und genau darum geht es.
Wenn die Kommunen nicht für die zusätzlichen Kosten aufkommen, dann wird es eng, sagt Brunhild Demmer. Gelegentlich war auch schon die Rede davon, dass bestimmte Angebote eingestellt werden müssen, wenn die Zuschüsse nicht den realen Kosten angepasst würden. Die Kommunen sind deshalb in der Verantwortung, weil es sich bei etlichen Aufgaben, die die Wohlfahrtsverbände übernehmen, um sogenannte pflichtige Aufgaben handelt. „Wenn die Verbände das nicht machen, dann müssen die Kommunen es selbst machen. Das wird dann richtig teuer“, sagt Gerd Drüten, der Spd-fraktionsvorsitzende im Kreistag.
Von der SPD stammt ein Antrag vom 1. März, noch bevor der Kreishaushalt verabschiedet wurde. Der Antrag sieht ziemlich genau das vor, was sich die Wohlfahrtsverbände vorstellen, eine „Dynamisierung“, also eine jährliche Anpassung der Zuschüsse. So soll nach Auffassung der SPD sichergestellt werden, die vom Kreis gewährten Zuschüsse finanzielle Auskömmlichkeit für die Verbände gewährleisten“, wie es heißt. In der Praxis hieße das, dass der Kreis Wesel die Mehrkosten vor allem für Personal über die jährlichen Anpassungen der Zuschüsse übernehmen soll.
Nach Auffassung der Spd-fraktion hat die Mehrheitskooperation im Kreistag, bestehend aus CDU, FDP,
Grünen und Freien Wählern, eine derartige Dynamisierung im aktuellen Haushalt verhindert. Awo, Caritas und Diakonie hatten beantragt, dass die tatsächlich anfallenden Personalkosten vom Kreis übernommen werden, oder aber die vereinbarten Stellen verringert werden müssen. Diese Anträge wurden aber abgelehnt, die Zuschüsse für die Verbände bleiben in diesen Fällen auf dem Vorjahresniveau.
Brunhild Demmer sagt, es gehe nicht darum, dass die Verbände Gewinne erwirtschaften wollen, das ginge wegen ihrer Gemeinnützigkeit auch gar nicht. Aber es falle immer schwerer, den von den Kommunen verlangten Eigenanteil zwischen 15 und 50 Prozent für die Finanzierung von Projekten bereitzustellen. „Woher soll ein Wohlfahrtsverband das Geld dafür nehmen?“fragt die Sprecherin der Verbände. Die Schwierigkeiten, die Gelder aufzutreiben, würden immer größer, sagt Demmer: „Die gesamte Finanzierung steht auf dem Prüfstand.“