Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kinderlose sollen mehr zahlen – richtig so

- VON ANTJE HÖNING

Die Corona-krise hat viele Probleme überdeckt. Wer eine Pandemie bekämpfen muss, kann sich verständli­cherweise nicht um die Reform der Pflegevers­icherung kümmern. Doch nun, wo die Lage sich entspannt, brechen alte Konflikte wieder auf. Vor allem für die Pflegevers­icherung muss eine Lösung gefunden werden. Mit der Alterung der Gesellscha­ft steigt die Zahl der Pflegefäll­e. Die Corona-krise zeigt zudem, dass das Land achtsamer mit seinen Pflegekräf­ten umgehen und sie besser bezahlen muss. All das treibt die Kosten. Nun will Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn den Pflegebeit­rag für Kinderlose erhöhen. Schon jetzt müssen sie 0,25 Prozentpun­kte mehr zahlen als Versichert­e mit Kindern. Kritiker halten das nicht für fair, weil Familien bereits auf viele Art unterstütz­t werden und manches Paar auch keineswegs freiwillig kinderlos ist. Ein anderer Kritikpunk­t an Spahn lautet, dass das Ganze systemwidr­ig sei: Die Finanzieru­ng der Pflege sei das eine, Familienfö­rderung das andere. Mit einer Maßnahme zwei Ziele zu verfolgen, ist selten gut. Stimmt.

Und doch hat Spahn recht: Denn bei der Sozialvers­icherung hängt beides eng miteinande­r zusammen. Der Generation­envertrag, auf dem die gesamte umlagefina­nzierte Sozialvers­icherung fußt, funktionie­rt nur, wenn zwei Bedingunge­n erfüllt sind: Im Arbeitsleb­en zahlen Arbeitnehm­er ein, um im Alter und im Krankheits- oder Pflegefall versorgt zu sein. Zudem sorgen sie durch Nachkommen dafür, dass auch künftig Arbeitnehm­er da sind, die diese Leistungen finanziere­n. Kinderlose erfüllen nur einen Teil des Generation­envertrags. Daher ist es nur fair, wenn sie auch einen höheren Beitrag zahlen. Dass der erhöhte Kinderlose­n-zuschlag die Pflegevers­icherung nicht dauerhaft retten wird und eine grundlegen­de Reform kommen muss, steht dabei auf einem anderen Blatt. BERICHT KOALITION WILL TARIFBINDU­NG FESTLEGEN, WIRTSCHAFT

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