Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Luxusproblem beim Impfen
Vakzine nach unserer Ferienplanung zu beurteilen, können wir uns nicht leisten.
Vaxzevria von Astrazeneca bleibt das schwarze Schaf unter den Corona-impfstoffen. Im abtrünnig gewordenen Großbritannien entwickelt, wurde der Impfstoff zuerst nur zögerlich ausgeliefert und stand dann unter Verdacht, Hirnvenenthrombosen hervorzurufen. Und nun verdirbt er den Deutschen auch noch den Urlaub, denn zwischen Erst- und Zweitimmunisierung sollen laut Stiko zwölf Wochen liegen.
Wie Covid-19-vaccine-janssen von Johnson & Johnson und der russische Sputnik V ist Vaxzevria ein Adenovirus-impfstoff. Adenoviren sind eine große Gruppe natürlich vorkommender Viren, die im Menschen Erkrankungen der Atemwege, aber auch von Leber und Darm hervorrufen können. Die für Vektorimpfstoffe verwendeten Adenoviren wurden gentechnisch so verändert, dass sie Zielzellen befallen und gezielt Antigene produzieren, sich jedoch nicht mehr vermehren können.
Vektorimpfstoffe haben viele Vorteile. Sie rufen stabile Immunantworten hervor, sind schnell und kostengünstig herzustellen und unkompliziert lagerbar. Ein Nachteil ist, dass unser Immunsystem auch auf das Adenovirus reagiert, was die Zweitimmunisierung nachteilig beeinflussen kann. Bei Sputnik V wird dieses Problem dadurch umgangen, dass für die zweite Impfung ein anderer Virustyp verwendet wird. Covid-19-vaccine-janssen hingegen wird schlichtweg nur einmal geimpft. Für Vektorimpfstoffe ist es weiterhin typisch, dass die befallenen Zellen über einen längeren Zeitraum
Antigene produzieren. Dies fördert die Antikörperbildung, verlangsamt jedoch die Ausbildung von Gedächtniszellen und ist der Grund für den empfohlenen dreimonatigen Impfabstand. Adenovirus-impfstoffe sind solide und bezahlbare Impfstoffe mit großer Zukunft, die ihren schlechten Ruf nicht verdient haben. Sie nach ihrer Kompatibilität mit der Urlaubsplanung zu beurteilen, ist ein Luxusproblem, das wir uns angesichts mangelnder Impfstoffverfügbarkeiten für Kinder und Jugendliche und einer möglichen vierten Infektionswelle nicht leisten können.
Unsere Autorin ist Professorin für Infektionsbiologie an der RWTH Aachen. Sie wechselt sich hier mit der Philosophin Maria-sibylla Lotter ab.