Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Ich mache mir große Sorgen um die Demokratie im Osten“
Der Cdu-politiker und Ostbeauftragte spricht über die Brandmauer nach rechts außen und die Scheu in seiner Partei vor klaren Worten.
BERLIN Der Ostbeauftragte der Bundesregierung sorgte mit seinen Aussagen über das rechtsradikale Wählerpotenzial im Osten für großen Wirbel. Im Interview legt er nach.
Herr Wanderwitz, Sie halten einen Teil der Ostdeutschen für „diktatursozialisiert“und auch heute nicht in der Demokratie angekommen. Muss vom Ostbeauftragten nicht auch ein Lösungsansatz folgen? WANDERWITZ Teil meiner Analyse ist ja, dass ein nicht unerheblicher Teil der Afd-wähler leider dauerhaft für die Demokratie verloren ist. Insofern gibt es da keinen Lösungsansatz mehr, außer die Brandmauer möglichst hoch zu ziehen.
In Sachsen-anhalt, wo am Sonntag gewählt wird, liegt die AFD bei 23 Prozent. Vor dem Hintergrund klingt das nach Kapitulation. WANDERWITZ Einen Teil dieser Wählerinnen und Wähler halte ich immer noch für gewinnbar. Das Ganze wird auch dadurch relativiert, dass die Wahlbeteiligung im Osten traditionell geringer ist als im Westen. Die Afd-anhänger machen nicht 23 Prozent der Bevölkerung aus, sondern 23 Prozent der Wählerschaft. Ein Teil dieser Menschen ist zutiefst überzeugt davon, dass es kein Problem ist, eine rechtsradikale Partei zu wählen. Sie haben teilweise früher NPD oder DVU gewählt, 20 Jahre lang überhaupt nicht mehr gewählt und mit der Faust in der Tasche gesagt: „Dieser Staat ist nicht meiner.“Wir haben mehr als 30 Jahre lang viel versucht, auch diese Menschen stetig einzubinden. Auch, weil es wirklich noch viele große Probleme im Osten gab. Mittlerweile geht es unserem Land insgesamt ziemlich gut, auch den neuen Bundesländern. Wer es mit Demokratie, Rechtsstaat und Grundgesetz ernst meint, kann keine rechtsradikale Partei wählen.
Blenden Sie nicht aus, dass die AFD auch im Westen Anhänger findet?
WANDERWITZ Sie findet auch im Westen Anhänger, aber der Resonanzboden ist eben im Osten wesentlich größer. Ich bin fest davon überzeugt, dass die AFD im Westen mittelfristig unter fünf Prozent fallen wird. Im Osten ist das völlig ausgeschlossen. Ich beschreibe einen vorhandenen und verfestigten Zustand.
Warum finden so wenige Politiker in der CDU so klare Worte? WANDERWITZ Naja, Sie sehen ja, wie unbeliebt man sich damit auch macht.
Also gibt es in Ihrer Partei kein großes Interesse daran, diese Tatsachen anzusprechen?
WANDERWITZ Man muss erst einmal eine Hürde nehmen. Meine Motivation ist, dass ich mir große Sorgen um die Demokratie in den neuen Bundesländern mache. Deswegen will ich den Wählerinnen und Wähler der AFD, von denen ich nicht alle für rechtsradikal halte, deutlich den Spiegel vorhalten und aufzeigen, was sie mit ihrer Wahlentscheidung eigentlich treiben. Es ist Teil meiner Lösung, einen Teil dieser Menschen aufzuwecken.
In der CDU sind offenbar nicht viele bereit, diese Hürde zu nehmen. WANDERWITZ Offensichtlich sind nicht alle der Meinung, dass man das in der gleichen Klarheit wie ich tun sollte. Ich bin davon überzeugt, dass es für uns als Union lebensnotwendig ist, auf der einen Seite eine sehr klare Grenze zu Rechtsradikalen zu ziehen, und auf der anderen
Seite Menschen bis weit in die Mitte hinein anzusprechen. Das eine hängt mit dem anderen unmittelbar zusammen, im Osten genauso wie im Westen. Und zur Einordnung: In Nordrhein-westfalen leben 2,5 Millionen Menschen mehr als in allen neuen Bundesländern inklusive Berlin zusammen.
Manchen fehlt es bei CDU-CHEF Armin Laschet an klaren Worten. Ist er deshalb er in Teilen Ostdeutschlands nicht besonders beliebt? WANDERWITZ Für Armin Laschet geht es derzeit noch immer auch darum, weitere Bekanntheit im tieferen Sinne zu gewinnen. Aber es stimmt, dass er es als staatsmännischer, moderierender Ministerpräsident im Osten ein bisschen schwerer hat, weil dort eher ein führenderer Typ gefragt ist. Das mag man als ein Manko sehen, ich persönlich bevorzuge den moderierenden Teamspieler. Armin Laschet macht es genau richtig, wenn er sich als Aachener aus dem Westen mit manch einem Urteil über den Osten zurückhält und das Reiner Haseloff, Michael Kretschmer oder mir überlässt.
Fast ein Drittel der Wähler in Sachsen-anhalt kann sich eine Zusammenarbeit von CDU und AFD vorstellen. Ist es denkbar, dass Reiner Haseloff nach der Wahl einknickt? WANDERWITZ Das halte ich für völlig ausgeschlossen. Reiner Haseloff ist die personifizierte Garantie, dass nichts dieser Art stattfinden wird.
Wie wichtig ist diese Landtagswahl für den Bundtagswahlkampf? WANDERWITZ Landtagswahlen in den neuen Ländern sind immer schwieriger als in den alten. Im Osten spielt die Linkspartei wie die AFD eine größere Rolle. Das ist eine Wahl in einem kleineren ostdeutschen Bundesland im Bundestagswahljahr. Nicht mehr und nicht weniger.