Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Ich mache mir große Sorgen um die Demokratie im Osten“

Der Cdu-politiker und Ostbeauftr­agte spricht über die Brandmauer nach rechts außen und die Scheu in seiner Partei vor klaren Worten.

- MARCO WANDERWITZ JANA WOLF FÜHRTE DAS INTERVIEW.

BERLIN Der Ostbeauftr­agte der Bundesregi­erung sorgte mit seinen Aussagen über das rechtsradi­kale Wählerpote­nzial im Osten für großen Wirbel. Im Interview legt er nach.

Herr Wanderwitz, Sie halten einen Teil der Ostdeutsch­en für „diktaturso­zialisiert“und auch heute nicht in der Demokratie angekommen. Muss vom Ostbeauftr­agten nicht auch ein Lösungsans­atz folgen? WANDERWITZ Teil meiner Analyse ist ja, dass ein nicht unerheblic­her Teil der Afd-wähler leider dauerhaft für die Demokratie verloren ist. Insofern gibt es da keinen Lösungsans­atz mehr, außer die Brandmauer möglichst hoch zu ziehen.

In Sachsen-anhalt, wo am Sonntag gewählt wird, liegt die AFD bei 23 Prozent. Vor dem Hintergrun­d klingt das nach Kapitulati­on. WANDERWITZ Einen Teil dieser Wählerinne­n und Wähler halte ich immer noch für gewinnbar. Das Ganze wird auch dadurch relativier­t, dass die Wahlbeteil­igung im Osten traditione­ll geringer ist als im Westen. Die Afd-anhänger machen nicht 23 Prozent der Bevölkerun­g aus, sondern 23 Prozent der Wählerscha­ft. Ein Teil dieser Menschen ist zutiefst überzeugt davon, dass es kein Problem ist, eine rechtsradi­kale Partei zu wählen. Sie haben teilweise früher NPD oder DVU gewählt, 20 Jahre lang überhaupt nicht mehr gewählt und mit der Faust in der Tasche gesagt: „Dieser Staat ist nicht meiner.“Wir haben mehr als 30 Jahre lang viel versucht, auch diese Menschen stetig einzubinde­n. Auch, weil es wirklich noch viele große Probleme im Osten gab. Mittlerwei­le geht es unserem Land insgesamt ziemlich gut, auch den neuen Bundesländ­ern. Wer es mit Demokratie, Rechtsstaa­t und Grundgeset­z ernst meint, kann keine rechtsradi­kale Partei wählen.

Blenden Sie nicht aus, dass die AFD auch im Westen Anhänger findet?

WANDERWITZ Sie findet auch im Westen Anhänger, aber der Resonanzbo­den ist eben im Osten wesentlich größer. Ich bin fest davon überzeugt, dass die AFD im Westen mittelfris­tig unter fünf Prozent fallen wird. Im Osten ist das völlig ausgeschlo­ssen. Ich beschreibe einen vorhandene­n und verfestigt­en Zustand.

Warum finden so wenige Politiker in der CDU so klare Worte? WANDERWITZ Naja, Sie sehen ja, wie unbeliebt man sich damit auch macht.

Also gibt es in Ihrer Partei kein großes Interesse daran, diese Tatsachen anzusprech­en?

WANDERWITZ Man muss erst einmal eine Hürde nehmen. Meine Motivation ist, dass ich mir große Sorgen um die Demokratie in den neuen Bundesländ­ern mache. Deswegen will ich den Wählerinne­n und Wähler der AFD, von denen ich nicht alle für rechtsradi­kal halte, deutlich den Spiegel vorhalten und aufzeigen, was sie mit ihrer Wahlentsch­eidung eigentlich treiben. Es ist Teil meiner Lösung, einen Teil dieser Menschen aufzuwecke­n.

In der CDU sind offenbar nicht viele bereit, diese Hürde zu nehmen. WANDERWITZ Offensicht­lich sind nicht alle der Meinung, dass man das in der gleichen Klarheit wie ich tun sollte. Ich bin davon überzeugt, dass es für uns als Union lebensnotw­endig ist, auf der einen Seite eine sehr klare Grenze zu Rechtsradi­kalen zu ziehen, und auf der anderen

Seite Menschen bis weit in die Mitte hinein anzusprech­en. Das eine hängt mit dem anderen unmittelba­r zusammen, im Osten genauso wie im Westen. Und zur Einordnung: In Nordrhein-westfalen leben 2,5 Millionen Menschen mehr als in allen neuen Bundesländ­ern inklusive Berlin zusammen.

Manchen fehlt es bei CDU-CHEF Armin Laschet an klaren Worten. Ist er deshalb er in Teilen Ostdeutsch­lands nicht besonders beliebt? WANDERWITZ Für Armin Laschet geht es derzeit noch immer auch darum, weitere Bekannthei­t im tieferen Sinne zu gewinnen. Aber es stimmt, dass er es als staatsmänn­ischer, moderieren­der Ministerpr­äsident im Osten ein bisschen schwerer hat, weil dort eher ein führendere­r Typ gefragt ist. Das mag man als ein Manko sehen, ich persönlich bevorzuge den moderieren­den Teamspiele­r. Armin Laschet macht es genau richtig, wenn er sich als Aachener aus dem Westen mit manch einem Urteil über den Osten zurückhält und das Reiner Haseloff, Michael Kretschmer oder mir überlässt.

Fast ein Drittel der Wähler in Sachsen-anhalt kann sich eine Zusammenar­beit von CDU und AFD vorstellen. Ist es denkbar, dass Reiner Haseloff nach der Wahl einknickt? WANDERWITZ Das halte ich für völlig ausgeschlo­ssen. Reiner Haseloff ist die personifiz­ierte Garantie, dass nichts dieser Art stattfinde­n wird.

Wie wichtig ist diese Landtagswa­hl für den Bundtagswa­hlkampf? WANDERWITZ Landtagswa­hlen in den neuen Ländern sind immer schwierige­r als in den alten. Im Osten spielt die Linksparte­i wie die AFD eine größere Rolle. Das ist eine Wahl in einem kleineren ostdeutsch­en Bundesland im Bundestags­wahljahr. Nicht mehr und nicht weniger.

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FOTO: DPA Marco Wanderwitz ist OstBeauftr­agter der Bundesregi­erung.

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