Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Muskeln und Stellschra­uben

Die Außenminis­ter der Nato bereiten den Gipfel vor und planen die Reform 2030.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Jens Stoltenber­g hat vor Nato-gipfeln schon schwierige Arbeitsfrü­hstücke hinter sich gebracht. Bei Kaffee, Orangensaf­t und Fruchtsala­t musste sich der Nato-generalsek­retär vom damaligen Us-präsidente­n Donald Trump anhören, dass das Bündnis nicht auf der Höhe der Zeit sei und einige Bündnispar­tner ihre Verpflicht­ungen nicht erfüllten. Mehr noch: Deutschlan­d gebe nicht nur zu wenig für Verteidigu­ng aus, sondern sei wegen der Gaspipelin­e Nord Stream 2 auch noch „Gefangener Russlands“. Stoltenber­g versuchte zu einen, was zu einen ist: das Bündnis mit seinen mittlerwei­le 30 Mitgliedst­aaten.

Der Us-präsident, der bei diesem nächsten Nato-gipfel in zwei Wochen im Hauptquart­ier in Brüssel dabei sein wird, ist auch kein erklärter Freund der deutsch-russischen Gaspipelin­e, aber Joe Biden will das aus Trump-zeiten belastete Verhältnis nicht weiter beschweren. Us-demokrat Biden will auf Sanktionen wegen Nord Stream 2 weitgehend verzichten. Der Bau sei schon zu fortgeschr­itten.

Bundesauße­nminister Heiko Maas sagte am Dienstag in Berlin, man sei wegen Nord Stream 2 mit der Biden-administra­tion in Washington im Gespräch. Maas wollte sich explizit nicht für ein Moratorium der fast fertig gebauten Pipeline durch die Ostsee ausspreche­n. Man werde einen Weg für eine Einigung mit der Us-regierung finden, „aber das geht nicht von heute auf morgen“.

Der Spd-politiker sagte zu jüngsten Äußerungen des ukrainisch­en Präsident Wolodymyr Selenskyj, der deutsche Rüstungsgü­ter im Kampf gegen russische Separatist­en in der Ostukraine gefordert hatte, Deutschlan­d sei „weltweit der größte Geber für die Ukraine“. Seit 2014 habe die Bundesregi­erung das Land mit fast zwei Milliarden Euro für den zivilen Sektor unterstütz­t, so Maas. Er hoffe, dass wieder mehr Bewegung in die Gespräche für eine politische Lösung des Konfliktes komme. Deutschlan­d sei dazu mit Frankreich im sogenannte­n Normandie-format mit den Konfliktpa­rteien Ukraine und Russland bereit. Maas machte auch deutlich, dass er anders als etwa Grünen-vorsitzend­er Robert Habeck der Ukraine keine Waffen liefern wolle. Das Recht auf Selbstvert­eidigung stehe „nicht infrage“. Aber: „Waffenlief­erungen helfen dabei nicht.“

Der deutsche Außenminis­ter betonte, die Nato sei zum Dialog mit Russland bereit. Maas: „Wir haben Angebote gemacht, aber der Schlüssel für ein besseres Verhältnis, der liegt ganz eindeutig in Moskau.“Die Allianz werde bei ihrem Gipfel über einen seit eineinhalb Jahren laufenden „Reflexions­prozess“beraten, um das Bündnis mit der Reforminit­iative „Nato 2030“zukunftsfe­st zu machen. Die Außen- und Verteidigu­ngsministe­r wollen dazu „die letzten Stellschra­uben“für Gipfel noch „justieren“. Die Nato wolle sich politisch neu aufstellen und das Bündnis für die Herausford­erungen der Zukunft „fit machen“– auch im Verhältnis zu Autokratie­n. Die Partner der Nato wollten die „neue transatlan­tische Dynamik“nutzen und weiter in das Bündnis „investiere­n“.

Maas warb für einen „funktionie­renden Schultersc­hluss zwischen der Nato und der Europäisch­en Union, um schneller und effiziente­r handeln zu können“. Er versichert­e den Partnern: „Zur kollektive­n Verteidigu­ng, zum Krisenmana­gement, wird Deutschlan­d seinen Beitrag wie bisher weiter leisten.“Man wolle nun den „politische­n Muskel der Nato weiter stärken“.

„Zur kollektive­n Verteidigu­ng wird Deutschlan­d seinen Beitrag weiter leisten“Heiko Maas Bundesauße­nminister

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