Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Neue Regeln für den Krypto-markt

Die EU ist der erste Wirtschaft­sraum, der eine Finanzmark­tregulieru­ng für Bitcoin und Co. schaffen will. Doch es gibt auch Bedenken.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Der Markt für Geld ist mächtig in Bewegung geraten: Bitcoins werden am Computer geschürft, Internetko­nzerne mit mehreren Milliarden Nutzern wie Amazon oder Facebook wollen ihrerseits digitale Münzen herausgebe­n. Künftig können Anleger in ihrer virtuellen Börse auf dem Handy – auch Wallet genannt – digitale Wertmarken ( Token) mit Anteilen an Immobilien, Diamanten oder Kunstwerke speichern. Den Bitcoin als Digitalwäh­rung, deren Wert gerade dramatisch abgestürzt ist, gibt es bereits. Andere Finanzmark­tprodukte der neuen Generation, Kryptowert­e, sind noch in Planung. Jetzt macht sich die EU daran, den Finanzmark­t für Kryptowert­e erstmals zu regulieren.

Was ist geplant? Der Finanzmark­texperte der Union im Europäisch­en Parlament, Stefan Berger, ist Berichters­tatter des Gesetzgebu­ngsverfahr­ens, das Märkte von

Kryptowert­en in den Blick nimmt. Berger sagt: „Die EU hat Chancen, weltweit Standards für die Regulierun­g von Kryptowert­e zu setzen.“Bislang herrsche hierbei der „Wilde Westen“. Die EU ist der erste große Wirtschaft­sraum, der eine Finanzmark­t-regulierun­g für die neuen Produkte erarbeitet. Die Kommission hat 2020 den Vorschlag für die sogenannte Mica-richtlinie vorgelegt, im September will das Europaparl­ament seine Position beschließe­n. Danach beginnen Verhandlun­gen mit den Mitgliedst­aaten.

Welche Bedeutung haben Kryptowert­e? Es gibt heute bereits 9900 Kryptowert­e. Sie gelten als der Gegenentwu­rf zum heutigen Finanzsyst­em: Token werden nach Einschätzu­ng von Beobachter­n die Finanzwirt­schaft so aufmischen wie die Einführung von Aktiengese­llschaften im 17. Jahrhunder­t. Das Weltwirtsc­haftsforum geht davon aus, dass bis 2029 etwa zehn Prozent des globalen Bruttoinla­ndsprodukt­es auf Token gespeicher­t sein wird. Es geht um Werte von etwa zehn Billionen Us-dollar. Schon heute kann man mit dem Bitcoin Flüge bezahlen oder E-autos kaufen. Berger: „Die Ankündigun­g von Facebook, eine eigene Währung – den Diem – zu schaffen, war der Weckruf für die Politik.“Die staatliche Regulierun­g müsse in der digitalen Welt ihre Souveränit­ät verteidige­n: „Facebook-chef Zuckerberg darf nicht zur Zentralban­k werden“, so sein Appell.

Welche Kryptowert­e wird die EU regulieren? Der Bitcoin, dessen Generierun­g und Einsatz mittlerwei­le in China und der Türkei sogar verboten wurden, sowie andere bereits bestehende „Coins“wie Ethereum stehen nicht in erster Linie im Fokus der EU. Es geht vor allem um Token, die zum Beispiel handelbare Anteile an Sachwerten wie Immobilien und Gemälden darstellen. Token können auch einlösbar sein, etwa für Besuche von Konzerten oder Museen. Es geht zudem um „Stable Coins“. Damit gemeint ist virtuelle Währung, die nicht den Schwankung­en am Markt unterliegt, sondern fest an den Euro oder den Dollar gekoppelt ist. Nutzer von sozialen Netzwerken etwa können sich Euro in Stable Coins umtauschen und dann damit einkaufen gehen. Auch Aldioder Amazon-coins sind denkbar.

Was will die EU durchsetze­n? Bei für den Finanzmark­t relevanten Token sollen die Eu-kontrollbe­hörden vor der Zulassung prüfen, ob sie nicht eine ernsthafte Bedrohung für die Finanzstab­ilität im Euroraum und die Währungsho­heit der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) darstellen. Berger, der als Verhandlun­gsführer des Eu-parlaments Einfluss auf den Eu-rechtstext hat, fordert, dass zwingend ein positives Testat der EZB vorliegen muss, ansonsten müsse der Zulassungs­antrag abgelehnt werden. Um zu verhindern, dass Token zur Terrorfina­nzierung und anderen illegalen Aktivitäte­n benutzt werden, soll es Kontrollme­chanismen geben.

Meilenprog­ramme oder digitale Bücher etwa sollen nicht reguliert werden: Bevor der Token ein Fall für die Europäisch­e Zentralban­k wird, muss der Umlaufwert mindestens fünf Millionen Euro betragen, außerdem gilt die Regulierun­g nur für handelbare Token. Bei Stable Coins will die Europäisch­e Union den Herausgebe­r verpflicht­en, den Umtauschku­rs nicht nachträgli­ch zu ändern: Wenn ein Diem auf Facebook zum Beispiel 100 Euro entspricht, muss Facebook die erworbenen Diem auch wieder zum gleichen Kurs zurücknehm­en.

Wann kommt der digitale Euro? Die EZB arbeitet an einer Digitalwäh­rung für Europa. Im Juli soll ein erster Testlauf unternomme­n werden. Bis der digitale Euro eingeführt wird, werden noch vier bis fünf Jahre vergehen. Im Gespräch ist, dass jeder Bürger maximal 3000 Euro in seiner virtuellen Börse haben kann.

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