Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Neue Regeln für den Krypto-markt
Die EU ist der erste Wirtschaftsraum, der eine Finanzmarktregulierung für Bitcoin und Co. schaffen will. Doch es gibt auch Bedenken.
BRÜSSEL Der Markt für Geld ist mächtig in Bewegung geraten: Bitcoins werden am Computer geschürft, Internetkonzerne mit mehreren Milliarden Nutzern wie Amazon oder Facebook wollen ihrerseits digitale Münzen herausgeben. Künftig können Anleger in ihrer virtuellen Börse auf dem Handy – auch Wallet genannt – digitale Wertmarken ( Token) mit Anteilen an Immobilien, Diamanten oder Kunstwerke speichern. Den Bitcoin als Digitalwährung, deren Wert gerade dramatisch abgestürzt ist, gibt es bereits. Andere Finanzmarktprodukte der neuen Generation, Kryptowerte, sind noch in Planung. Jetzt macht sich die EU daran, den Finanzmarkt für Kryptowerte erstmals zu regulieren.
Was ist geplant? Der Finanzmarktexperte der Union im Europäischen Parlament, Stefan Berger, ist Berichterstatter des Gesetzgebungsverfahrens, das Märkte von
Kryptowerten in den Blick nimmt. Berger sagt: „Die EU hat Chancen, weltweit Standards für die Regulierung von Kryptowerte zu setzen.“Bislang herrsche hierbei der „Wilde Westen“. Die EU ist der erste große Wirtschaftsraum, der eine Finanzmarkt-regulierung für die neuen Produkte erarbeitet. Die Kommission hat 2020 den Vorschlag für die sogenannte Mica-richtlinie vorgelegt, im September will das Europaparlament seine Position beschließen. Danach beginnen Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten.
Welche Bedeutung haben Kryptowerte? Es gibt heute bereits 9900 Kryptowerte. Sie gelten als der Gegenentwurf zum heutigen Finanzsystem: Token werden nach Einschätzung von Beobachtern die Finanzwirtschaft so aufmischen wie die Einführung von Aktiengesellschaften im 17. Jahrhundert. Das Weltwirtschaftsforum geht davon aus, dass bis 2029 etwa zehn Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes auf Token gespeichert sein wird. Es geht um Werte von etwa zehn Billionen Us-dollar. Schon heute kann man mit dem Bitcoin Flüge bezahlen oder E-autos kaufen. Berger: „Die Ankündigung von Facebook, eine eigene Währung – den Diem – zu schaffen, war der Weckruf für die Politik.“Die staatliche Regulierung müsse in der digitalen Welt ihre Souveränität verteidigen: „Facebook-chef Zuckerberg darf nicht zur Zentralbank werden“, so sein Appell.
Welche Kryptowerte wird die EU regulieren? Der Bitcoin, dessen Generierung und Einsatz mittlerweile in China und der Türkei sogar verboten wurden, sowie andere bereits bestehende „Coins“wie Ethereum stehen nicht in erster Linie im Fokus der EU. Es geht vor allem um Token, die zum Beispiel handelbare Anteile an Sachwerten wie Immobilien und Gemälden darstellen. Token können auch einlösbar sein, etwa für Besuche von Konzerten oder Museen. Es geht zudem um „Stable Coins“. Damit gemeint ist virtuelle Währung, die nicht den Schwankungen am Markt unterliegt, sondern fest an den Euro oder den Dollar gekoppelt ist. Nutzer von sozialen Netzwerken etwa können sich Euro in Stable Coins umtauschen und dann damit einkaufen gehen. Auch Aldioder Amazon-coins sind denkbar.
Was will die EU durchsetzen? Bei für den Finanzmarkt relevanten Token sollen die Eu-kontrollbehörden vor der Zulassung prüfen, ob sie nicht eine ernsthafte Bedrohung für die Finanzstabilität im Euroraum und die Währungshoheit der Europäischen Zentralbank (EZB) darstellen. Berger, der als Verhandlungsführer des Eu-parlaments Einfluss auf den Eu-rechtstext hat, fordert, dass zwingend ein positives Testat der EZB vorliegen muss, ansonsten müsse der Zulassungsantrag abgelehnt werden. Um zu verhindern, dass Token zur Terrorfinanzierung und anderen illegalen Aktivitäten benutzt werden, soll es Kontrollmechanismen geben.
Meilenprogramme oder digitale Bücher etwa sollen nicht reguliert werden: Bevor der Token ein Fall für die Europäische Zentralbank wird, muss der Umlaufwert mindestens fünf Millionen Euro betragen, außerdem gilt die Regulierung nur für handelbare Token. Bei Stable Coins will die Europäische Union den Herausgeber verpflichten, den Umtauschkurs nicht nachträglich zu ändern: Wenn ein Diem auf Facebook zum Beispiel 100 Euro entspricht, muss Facebook die erworbenen Diem auch wieder zum gleichen Kurs zurücknehmen.
Wann kommt der digitale Euro? Die EZB arbeitet an einer Digitalwährung für Europa. Im Juli soll ein erster Testlauf unternommen werden. Bis der digitale Euro eingeführt wird, werden noch vier bis fünf Jahre vergehen. Im Gespräch ist, dass jeder Bürger maximal 3000 Euro in seiner virtuellen Börse haben kann.