Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Das kleinste Strommuseu­m der Welt

2007 wäre die kleine, ehemalige Trafostati­on in Damm fast abgerissen worden – nur knapp ist sie der Abrissbirn­e entgangen. Dann wurde sie zu einem Museum umgebaut, das nun sein zehnjährig­es Bestehen gefeiert hat.

- VON HELMUT SCHEFFLER

SCHERMBECK Zwischen einem geplanten Abriss und dem „zweiten Leben“einer ehemaligen Trafostati­on im Schermbeck­er Ortsteil Damm lagen vor eineinhalb Jahrzehnte­n nur wenige Jahre. Dem Turmverein Damm ist es zu verdanken, dass dieses zum kleinsten Strommuseu­m der Welt umgewandel­te Gebäude inzwischen bundesweit bekannt geworden ist.

Im März 2007 sah es so aus, als würde das Transforma­torenhaus am Dammer Elsenberg sein 100-jähriges Bestehen nicht mehr erleben. Das RWE plante den Abriss des etwa 95 Jahre alten Gebäudes. Hintergrun­d für die Maßnahme war die Absicht des Energiekon­zerns, die Überland-leitungen für die Stromverso­rgung durch eine Erdverkabe­lung zu ersetzen.

Für die Dammer war das Trafohaus mehr als ein Gebäude mit reiner Funktional­ität für die Weiterleit­ung der Elektrizit­ät. Für sie war das schmale Gebäude ein Denkmal der Geschichte der Elektrifiz­ierung ihres Heimatraum­es. Eine enorme Entwicklun­g nahm die Elektrifiz­ierung, als das Kraftwerk Niederrhei­n in den Jahren 1910 und 1911 in Obrighoven errichtet wurde. Innerhalb kürzester Zeit erfolgte der Ausbau der 5-, 10- und 25-Kilovolt-leitungen. Eine Karte vom Juni 1912, die das Versorgung­snetz der Betriebsve­rwaltung Wesel zeigt, lässt erkennen, dass die Leitung bereits bis Schermbeck und Gahlen führte und einen Abzweig zum Lühlerheim besaß.

Ein paar Jahre vor dem geplanten Abriss des Turmes hatten einige Dammer Schützen das Wappen ihres Vereins auf die weiße Südwand gemalt. Der Dammer Ochse ohne Horn grüßt seither die Besucher, die sich dem Elsenberg von der Bundesstra­ße 58 aus nähern. Stillschwe­igend wollten die Schützen den Abriss des Trafohause­s nicht dulden.

Als RWE signalisie­rte, dass Gebäude einem Dammer Verein mit allen Rechten und Pflichten zu überlassen, wurde der Turmverein am 2. April 2009 gegründet. Am 19. November 2009 wurde der Kauf des ehemaligen Trafo-hauses am Dammer Elsenberg zwischen dem Verein und dem bisherigen Eigentümer RWE notariell besiegelt. Die Schlüsselü­bergabe für den Turm, den der Verein zum symbolisch­en Preis von einem Euro erhielt, fand am 8. Dezember 2009 statt.

Eineinhalb Jahre lang dauerten die Vorbereitu­ngen für das geplante Turmmuseum. Die Eröffnung des Strommuseu­ms fand am 27. Mai 2011 statt. Zu den Gästen, die der Turmverein­svorsitzen­de Ernst-hermann Göbel am Turm begrüßte, gehörte auch der Schermbeck­er Heinrich Tenk, der gemeinsam mit Michael Sonfeld vom Rwe-netzservic­e Rhein-ruhr von Beginn an die Absichten des Turmverein­s unterstütz­te, das ehemalige Trafohäusc­hen einer neuen Nutzung zuzuführen.

In Kleingrupp­en hatten die Gäste anschließe­nd Gelegenhei­t, die zahlreiche­n Exponate zu besichtige­n. Sachkundig­e Führerin am Eröffnungs­tag war Sabine Oetzel, die Leiterin des Museums „Strom und Leben“im Umspannwer­k Recklingha­usen. Sie war bereit, dem Dammer Museum Leihgaben aus dem Recklinghä­user Museum zur Verfügung zu stellen.

Pünktlich zur Museumserö­ffnung wurde vom Verein „Naturpark Hohe Mark-westmünste­rland“an der Süd-west-seite des Turms eine großformat­ige Karte der Region aufgestell­t.

Ein Besuch im kleinsten Strommuseu­m der Welt lohnt sich, weil inzwischen eine stattliche Sammlung auf zwei Ebenen zusammenge­tragen werden konnte. Zahlreiche Ausstellun­gsstücke zur Geschichte der Elektrifiz­ierung wurden dem Verein bislang übergeben. Das reicht von einer alten Handwaschm­aschine über ein Telefon, einen

Ventilator und Messgeräte bis hin zu einem recht monströsen elektronis­chen Vibrator-sexspielge­rät der Frühzeit. Zur Sammlung gehören alte Brennscher­en zur Haarpflege, Stromprüfe­r, eine intakte Glühbirne aus dem Jahre 1936, batteriebe­triebene Rasierer und Hörgeräte, ein elektrisch­es Massageger­ät aus den 1920er-jahren und vieles mehr. Besonders stolz ist der Verein auf einen leuchtende­n Stopfpilz des Altbundesk­anzlers Konrad Adenauer und auf eine „Graphonett­e“der Schweizer Firma Thorens. Das von einem Raesfelder Sammler zur Verfügung gestellte Reise-grammophon der Firma Thorens wurde seit 1925 hergestell­t. Wenn man den Tonarm auf eine Schallplat­te legt, erklingt schon kurz darauf der Foxtrott „Küss mich, Angelina“.

Das Strommuseu­m ist vom Mai bis Oktober an jedem ersten Sonntag im Monat zwischen 11.30 Uhr und 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei – gegen eine Spende wehrt sich aber niemand. Für Gruppen besteht auch die Möglichkei­t, an Sonderführ­ungen teilzunehm­en. Entspreche­nde Anmeldunge­n sind per Mail unter admin@turmverein-damm.de möglich.

Auf der Homepage des Vereins (www.turmverein-damm.de) findet man Bücher und zahlreiche Pressearti­kel, die sich mit dem Turmverein und dem Strommuseu­m befassen. Für Modelleise­nbahner gibt es den Turm übrigens als Kartonmode­llbogen zum Nachbauen in den Spurgrößen H0, TT, N und Z.

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FOTOS: SCHEFFLER (3) Im kleinsten Strommuseu­m der Welt werden viele Exponate zur Geschichte der Elektrifiz­ierung gezeigt.
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Am 27. Mai 2011 wurde das Museum im Ex-trafohaus am Elsenberg eröffnet.
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Elektrotec­hnik von damals. Nostalgief­ans kommen in Damm auf ihre Kosten.

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