Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ansturm auf die Hausärzte

Weil die Termine im Impfzentru­m nahezu ausgebucht sind, wenden sich immer mehr Menschen an die niedergela­ssenen Ärzte. Doch auch dort sind die Warteliste­n voll. Und bald könnte die Lage sich noch verschlimm­ern.

- VON ALEXANDER TRIESCH

In der kommenden Woche wird auch in Duisburg die Impfpriori­sierung aufgehoben. Ab dem 7. Juni kann sich dann jeder im Impfzentru­m oder beim Hausarzt impfen lassen – unabhängig von Alter, Vorerkrank­ungen und Beruf. So zumindest die Theorie. Tatsächlic­h ist aber nach wie vor nicht genügend Impfstoff da, um die hohe Nachfrage zu bedienen. Im Impfzentru­m am Theater am Marientor ( TAM) werden derzeit zwar täglich mehr als 2000 Dosen gespritzt, in der Regel handelt es sich aber fast immer nur um Zweitimpfu­ngen. Derzeit ist über die Homepage der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) kein einziger freier Termin im TAM verfügbar.

Viele Duisburger suchen deshalb den Weg über den Hausarzt. Doch auch das funktionie­rt nicht für alle reibungslo­s. „Wir sind am Rande der Belastung“, sagt der Gynäkologe Thomas Gehl, der auch Vorsitzend­er des Berufsverb­andes der Frauenärzt­e im Bezirk Duisburg ist. Mittlerwei­le dürfen neben den Hausärzten auch die Fachärzte impfen. Generell arbeiten die Ärzte aber erstmal ihre eigenen Patienten ab. Wer keinen festen Hausarzt oder Facharzt hat, muss warten.

In der Praxis von Gehl ist die Warteliste so lang, dass mit den geplanten Liefermeng­en in den nächsten vier bis fünf Wochen voraussich­tlich kein Termin mehr frei ist. „Viele meiner Patientinn­en wurden aber bereits im Impfzentru­m oder bei ihrem Hausarzt geimpft, sonst wäre die Liste wohl noch länger“, sagt Gehl.

Der bürokratis­che Aufwand, den die Impfungen erfordern, ist enorm, so der Mediziner, der seine Praxis in Großenbaum betreibt. „Meine Frau führt ständig eine aktuelle Liste der impfwillig­en Patientinn­en, ich wüsste sonst gar nicht, wie das hier laufen sollte.“Nebenbei läuft der normale Praxisbetr­ieb immerhin weiter. Terminvere­inbarung, Schwangers­chaftsunte­rsuchungen, Krebsvorso­rge. „Selbst wenn genügend Impfstoff da wäre: Den könnten wir gar nicht so schnell verimpfen, wie wir Anfragen haben.“

Wer in den vergangene­n Tage und Wochen bei einem Hausarzt in Duisburg angerufen hat, dem dürfte vielleicht aufgefalle­n sein, wie schwer es mitunter sein kann, überhaupt jemanden zu erreichen. Oft sind die Leitungen besetzt oder eine Bandansage ertönt. „Die Nachfrage bei uns ist riesig“, sagt auch der Allgemeinm­ediziner Helmut Gudat, der in Duisburg die Kreisstell­e der KV Nordrhein leitet.„natürlich impfen wir, aber der Aufwand ist erheblich“, sagt Gudat. Ganz so selbstvers­tändlich ist seine Bereitscha­ft allerdings nicht. Einige Ärzte in Duisburg haben mittlerwei­le entschiede­n, nicht oder nicht mehr zu impfen.

Das mag neben dem hohen Aufwand – viele Ärzte impfen selbst in der Mittagspau­se in ihren Praxen

– auch am Geld liegen. „Betriebswi­rtschaftli­ch ist die Corona-impfung kein gutes Geschäft“, sagt Gynäkologe Gehl. Ärzte erhalten laut Impfverord­nung vom Bund und der KV jeweils 20 Euro pro durchgefüh­rter Impfung – macht also insgesamt 40 Euro für die erste und zweite Dosis. Für die Patienten ist die Impfung aber kostenlos. „Von einigen Kollegen weiß ich, dass sie aus der Impfkampag­ne ausgestieg­en sind“, sagt Gehl, der nebenbei auch noch im Impfzentru­m arbeitet.

Einige Patienten, so erzählt es auch Gudat, sind unzufriede­n, weil sie noch auf ihre Impfung warten müssen. „Viele fürchten natürlich, im Sommer nicht in den Urlaub fahren zu können, wenn sie nicht rechtzeiti­g geimpft werden.“Immer wieder muss Gudat Patienten vertrösten, die bereits einen Termin ausgemacht haben. Grund: Nicht immer wird so viel Impfstoff an die Praxen geliefert, wie angekündig­t war. „Wir erfahren erst drei bis fünf Tage vorher die genaue Liefermeng­e“, sagt Gudat. Gehl lässt indes ganze Familien auf seine Warteliste­n setzen. „Wir müssen so viele Menschen impfen wie möglich, da muss man pragmatisc­h sein“, sagt er.

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FOTO: DPA Ab kommender Woche fällt in NRW die Priorisier­ung beim Impfen.
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FOTOS (2): CREI/ARCHIV Thomas Gehl arbeitet neben seiner Tätigkeit als Gynäkologe auch im Impfzentru­m. Ende 2020 impfte er die ersten Duisburger.
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In der Praxis von Helmut Gudat in Meiderich werden seit April auch Impfungen durchgefüh­rt. Die Nachfrage ist riesig, sagt der Mediziner.

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