Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ansturm auf die Hausärzte
Weil die Termine im Impfzentrum nahezu ausgebucht sind, wenden sich immer mehr Menschen an die niedergelassenen Ärzte. Doch auch dort sind die Wartelisten voll. Und bald könnte die Lage sich noch verschlimmern.
In der kommenden Woche wird auch in Duisburg die Impfpriorisierung aufgehoben. Ab dem 7. Juni kann sich dann jeder im Impfzentrum oder beim Hausarzt impfen lassen – unabhängig von Alter, Vorerkrankungen und Beruf. So zumindest die Theorie. Tatsächlich ist aber nach wie vor nicht genügend Impfstoff da, um die hohe Nachfrage zu bedienen. Im Impfzentrum am Theater am Marientor ( TAM) werden derzeit zwar täglich mehr als 2000 Dosen gespritzt, in der Regel handelt es sich aber fast immer nur um Zweitimpfungen. Derzeit ist über die Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) kein einziger freier Termin im TAM verfügbar.
Viele Duisburger suchen deshalb den Weg über den Hausarzt. Doch auch das funktioniert nicht für alle reibungslos. „Wir sind am Rande der Belastung“, sagt der Gynäkologe Thomas Gehl, der auch Vorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte im Bezirk Duisburg ist. Mittlerweile dürfen neben den Hausärzten auch die Fachärzte impfen. Generell arbeiten die Ärzte aber erstmal ihre eigenen Patienten ab. Wer keinen festen Hausarzt oder Facharzt hat, muss warten.
In der Praxis von Gehl ist die Warteliste so lang, dass mit den geplanten Liefermengen in den nächsten vier bis fünf Wochen voraussichtlich kein Termin mehr frei ist. „Viele meiner Patientinnen wurden aber bereits im Impfzentrum oder bei ihrem Hausarzt geimpft, sonst wäre die Liste wohl noch länger“, sagt Gehl.
Der bürokratische Aufwand, den die Impfungen erfordern, ist enorm, so der Mediziner, der seine Praxis in Großenbaum betreibt. „Meine Frau führt ständig eine aktuelle Liste der impfwilligen Patientinnen, ich wüsste sonst gar nicht, wie das hier laufen sollte.“Nebenbei läuft der normale Praxisbetrieb immerhin weiter. Terminvereinbarung, Schwangerschaftsuntersuchungen, Krebsvorsorge. „Selbst wenn genügend Impfstoff da wäre: Den könnten wir gar nicht so schnell verimpfen, wie wir Anfragen haben.“
Wer in den vergangenen Tage und Wochen bei einem Hausarzt in Duisburg angerufen hat, dem dürfte vielleicht aufgefallen sein, wie schwer es mitunter sein kann, überhaupt jemanden zu erreichen. Oft sind die Leitungen besetzt oder eine Bandansage ertönt. „Die Nachfrage bei uns ist riesig“, sagt auch der Allgemeinmediziner Helmut Gudat, der in Duisburg die Kreisstelle der KV Nordrhein leitet.„natürlich impfen wir, aber der Aufwand ist erheblich“, sagt Gudat. Ganz so selbstverständlich ist seine Bereitschaft allerdings nicht. Einige Ärzte in Duisburg haben mittlerweile entschieden, nicht oder nicht mehr zu impfen.
Das mag neben dem hohen Aufwand – viele Ärzte impfen selbst in der Mittagspause in ihren Praxen
– auch am Geld liegen. „Betriebswirtschaftlich ist die Corona-impfung kein gutes Geschäft“, sagt Gynäkologe Gehl. Ärzte erhalten laut Impfverordnung vom Bund und der KV jeweils 20 Euro pro durchgeführter Impfung – macht also insgesamt 40 Euro für die erste und zweite Dosis. Für die Patienten ist die Impfung aber kostenlos. „Von einigen Kollegen weiß ich, dass sie aus der Impfkampagne ausgestiegen sind“, sagt Gehl, der nebenbei auch noch im Impfzentrum arbeitet.
Einige Patienten, so erzählt es auch Gudat, sind unzufrieden, weil sie noch auf ihre Impfung warten müssen. „Viele fürchten natürlich, im Sommer nicht in den Urlaub fahren zu können, wenn sie nicht rechtzeitig geimpft werden.“Immer wieder muss Gudat Patienten vertrösten, die bereits einen Termin ausgemacht haben. Grund: Nicht immer wird so viel Impfstoff an die Praxen geliefert, wie angekündigt war. „Wir erfahren erst drei bis fünf Tage vorher die genaue Liefermenge“, sagt Gudat. Gehl lässt indes ganze Familien auf seine Wartelisten setzen. „Wir müssen so viele Menschen impfen wie möglich, da muss man pragmatisch sein“, sagt er.