Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ein Roadtrip entlang der französischen Atlantikküste
Strände ohne Ende, Häfen und alte Städtchen, ein wahrer Gigant aus Sand – und dazwischen weltberühmte Bordeauxweine. Ein Roadtrip an Frankreichs Atlantikküste in zehn Höhepunkten
Ans Blau des Atlantiks drängen das Gelb der Sandbänder und das Grün der Pinien. Der Wind spielt im Dünengras. Die Bordeauxweine der Region stehen für Savoir-vivre, genauso wie die Austern aus der Bucht von Arcachon. Willkommen auf einer Tour de France durch den Südwesten des Landes – von der historischen Hafenstadt La Rochelle bis Hendaye an der Grenze zu Spanien. Ein Roadtrip in zehn abwechslungsreichen Stationen.
La Rochelle: Hafenstimmung
Das Flair um den Alten Hafen, Vieux Port, in La Rochelle ist unvergleichlich. Auf den Terrassen der Kais kommen die Menschen zusammen. Zeugen der Geschichte umrahmen die Bilder der Gegenwart: die Türme Saint-nicolas und Chaîne, die seit dem Spätmittelalter den Hafeneingang flankieren und den Bootsverkehr überwachten. Chaîne bedeutet Kette – mit einer solchen aus Eisen ließ sich der Hafen versperren. Dritter Turm ist der Tour de la Lanterne, erbaut als Leuchtturm und zeitweilig zweckentfremdet als Gefängnis.
Streifzüge zu Fuß führen durch die Arkaden der Altstadt, zum Markt und ins Viertel Gabut mit moderner Street Art. Für alle, die mehr Zeit haben: La Rochelle ist das Sprungbrett zur Ferieninsel Ré.
Insel Aix: Eine eigene Welt
Wasserstraße statt Asphalt: Ab Fouras schippert eine Fähre zum Inselchen Aix, Ortsfremde dürfen nicht mit dem Auto dorthin. Beim Anleger verbirgt sich das einzige Inseldorf hinter Festungsmauern. Die Wiesen laufen auf gleich zwei Leuchttürme zu. Häuser tragen Fensterläden in Rostrot, Blau, Türkis. Eine eigene Welt.
Im Juli 1815 wartete Napoleon auf Aix auf das Schiff in die Verbannung nach Sankt Helena, verbrachte hier also seine letzten Nächte auf französischem Boden. Untergebracht war der bei Waterloo Geschlagene im Gouverneurspalast, heute Napoleon-museum. Dass am Giebel „In Erinnerung an unseren unsterblichen Kaiser“steht, dürften nur patriotische Franzosen verstehen.
Leihräder oder die eigenen Beine bringen einen rund um die Insel, durch Waldgürtel und zu kleinen Stränden. Von der Südspitze bis zum östlichsten Punkt sind es rund drei Kilometer, an der schmalsten Stelle schnürt sich Aix auf weniger als 300 Meter zusammen.
Lacanau: Perfekt für Aktive
Salz- oder Süßwasser, Meeresoder Binnenseestrand, Forstwege oder Promenaden? Die Stadt Lacanau zwischen dem Mündungstrichter der Gironde und der Bucht von Arcachon bietet all dies. Feriengemeinden wie Hourtin und Carcans-maubuisson profitieren ebenfalls vom Nebeneinander aus Ozean, Inlandsseen, Dünen und Pinienwäldern.
Hier bieten sich eine Fülle von Sport- und Freizeitmöglichkeiten: Surfen, Kitesurfen,
Wandern, Stehpaddeln, Radeln, Sonnenbaden, Schwimmen und Strandspaziergänge. Wer sich in den Atlantik stürzt, muss hier und andernorts vorsichtig sein. Tiefen und Strömungen sind unberechenbar. Zudem beträgt der Tidenhub mehrere Meter. Es ist also keine gute Idee, bei Ebbe ein Strandplätzchen mit dem Handtuch zu belegen – bei Flut kann es in den Wellen liegen.
Bordeaux: Die Wiege des Genusses
Bordeaux liegt zwar landeinwärts, ist aber als Tor zur Küste und kosmopolitische Hauptstadt Neu-aquitaniens nicht vom Reiseplan wegzudenken. Gelegen an Flussschleifen der Garonne, hat das einstige Burdigala der Römer seit der Jahrtausendwende die Kurve gekriegt – von einer düsteren Metropole zu einer Lichtgestalt unter Frankreichs Städten. Dort, wo vormals Lagerhallen die Ufer verstellten, ging es ans Großreinemachen. So entstanden stolze Promenaden.
Zum Facelifting gehörte die Cité du Vin, ein avantgardistisches Weinmuseum, das in Themenparcours veranschaulicht, warum man sich an den weltberühmten Bordeauxweinen gesundgestoßen hat. Eine Kostprobe ist im Eintrittspreis natürlich enthalten.
Bordeaux punktet mit Baudenkmälern wie der Kathedrale und der Basilika Saint-michel, Märkten und Gastronomie, einem Theater und dem alternativen Kulturzentrum Darwin. Besuchsziel zum Nulltarif ist der Wasserspiegel: Auf einer riesigen, gefluteten Platte aus Granit nimmt der Börsenplatz gegenüber ein Spiegelbad, was bei Einbruch der Dunkelheit besonders stimmungsvoll ausschaut.
Zusatztipp: die Stadt per Leihbike entdecken. Radwege führen über die moderne Flussbrücke Chaban-delmas, zum See oder zu Ausstellungen im einstigen U-boot-bunker. Tückisch sind allerdings die Rillen der Straßenbahnen – immer schräg anfahren.
Le Teich: Besuch im Vogelpark
Wer einen Zoo oder ein anderweitig künstliches Areal vermutet, liegt falsch – der Vogelpark von Le Teich ist ein Naturreservat voller Feuchtgebiete östlich der Bucht von Arcachon. Besuchern stehen Unterstände und sechs Kilometer Wege offen, um Vögel in freier Wildbahn zu beobachten. 323 Arten sind dokumentiert, etwa Kormorane, Weißstörche, Blässhühner, Haubentaucher, Fisch- und Seidenreiher. Ein Teil der Spezies nistet hier, andere machen als Zugvögel Station.
Vom Herbst bis ins Frühjahr ergeben sich die besten Gelegenheiten zur Vogelbeobachtung, im Hochsommer dagegen ist die Ausbeute vor den Kameras und Ferngläsern eher mager.
Arcachon: Mehr als Austerndie
Stadt Arcachon ist eine Sache, ihre gleichnamige Bucht vor der Haustür aus Promenaden, Molen und Stränden eine andere. Dieses Bassin d‘arcachon ist ein Meer im Kleinformat, mit schmalem Auslauf zum Atlantik. Gourmets schätzen die Produkte der Austernzucht. Touren auf Ausflugsbooten schippern an Austernparks heran und an Sandbänken vorbei. Im Hintergrund der Leuchtturm von Cap Ferret.
Zurück an Land führt der Weg ins Viertel Ville d‘hiver ( Winterstadt) mit architektonisch wertvollen Villen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Aus ferner Zeit ist ein Wunder überliefert, dem die Kirche Unserer Lieben Frau von Arcachon die Existenz verdankt. Um das Jahr 1519 sah angeblich der Prediger Thomas Illyricus vom Ufer, wie zwei Schiffe in Seenot gerieten. Er flehte
Gott um Hilfe an. Darauf glätteten sich die Wogen, ein Marienbildnis wurde vor seine Füße gespült. Dies hat bis heute seinen Ehrenplatz im Heiligtum.
Düne von Pilat: Selfie über dem Meer
Der Sandgigant bei Arcachon gilt europaweit als größter Buckel seiner Art. Die Düne von Pilat ist über 100 Meter hoch, 500 Meter breit und annähernd drei Kilometer lang. Wer hinter dem Parkplatz zum Sturm auf die Gipfelzonen bläst, braucht Kondition. Es geht nur zu Fuß hinauf, am besten unbeschuht. Lohn der Aufstiegsmühen sind Panoramen, die sich zahlreicher Social-media-posts im Netz erfreuen: ein grünes Meer aus Pinien und das Blau des echten Meeres und der benachbarten Bucht von Arcachon. Der Sand trägt Windmaserungen und Spuren der Vorgänger. Die Luft schmeckt nach Salz und unendlicher Weite.
Biarritz: Wo der Jetset gastierte
Bescheidenheit ist Biarritz fremd. „Strand der Könige, Königin der Strände“, so heißt es gerne. Einst lag hier ein windgepeitschter Flecken am Atlantik, Heimat verwegener Fischer und Walfänger. Das Stadtwappen zeigt einen Wal und ein Walfängerboot. Den Aufstieg zum Seebad verdankte Biarritz Kaiserin Eugénie und Napoleon III., die Mitte des 19. Jahrhunderts ein Sommerpalais erbauten.
Fortan avancierte Biarritz zur Spielwiese der Hautevolee, bekam Chic und internationales Flair. Der Adel aus ganz Europa strömte Frankreichs Royals hinterher, Geld spielte keine Rolle. Der Kaiserpalast ist längst ein Spitzenhotel, doch die Stadt hat auch bodenständige Seiten wie den Fischerhafen, die Surferreviere und den Leuchtturm. Nettes Familienziel ist das Aquarium. Und wie wäre es mit einer Thalassotherapie zur Entspannung? Noten historischer Architektur setzen die Kaiserkapelle und die Orthodoxe Kirche.
Kontrastreich sind die Klippen um den Jungfraufelsen, Rocher de la Vierge. Eine Eisenbrücke von Stararchitekt Gustave Eiffel führt zum Aussichtsvorsprung. Unten krachen oft Brecher gegen die Felsen und schicken die Gischt als Gruß hinauf.
Saint-jean-de-luz: Pittoresker Zwischenhalt
Sandstrand, Ausgehzonen, historische Häuserzeilen, Fischkutter und Netzestapel am Hafen: Das kleine Saint-jean-de-luz ist so etwas wie ein Konzentrat der ganzen Küstenregion. Stil hat die Fußgängerzone mit ihren edlen Boutiquen und Schuhgeschäften. Sehenswert in der Kirche Saint-jean-baptiste sind die hölzernen Emporen. Pittoresk wie der Hafen ist auch die Küstenstraße, die zwischen Wiesen und Steilküstenabschnitten nach Hendaye führt. Im Inland werfen sich weithin sichtbar die westlichsten Ausläufer der Pyrenäen auf.
Hendaye: Die Reise endet wild
Das neugotische Schloss, das Naturschutzgebiet Domaine d‘abbadia über den Klippen, die Marina beim Grenzfluss Bidassoa, die Promenaden – kurz vor Spanien setzt Hendaye einen schönen Schlusspunkt der Reise entlang Frankreichs Küste. Drei Kilometer lang ist der Strand, samt Surfer- und Nudistenterrain. Nackte Tatsache ist aber auch, dass der Mittelteil des Strandes bei Flut komplett verschwindet. Typisch wilde Atlantikküste.