Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der Globus in der Mitte

Us-präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin beharken sich auf neutralem Boden bei ihrem Gipfeltref­fen in Genf.

- VON JAN DIRK HERBERMANN

GENF Us-präsident Joe Biden verzieht keine Miene. Seine Augen bilden dünne Schlitze. Auf der anderen Seite postiert sich der Präsident Russlands, Wladimir Putin. Der Herrscher aus Moskau starrt ebenso ausdrucksl­os in die Kameras. In der Mitte steht Guy Parmelin, der Bundespräs­ident der Schweiz. Parmelin, ein jovialer Weinbauer aus dem französisc­hsprachige­n Teil Helvetiens, begrüßt die beiden Staatsmänn­er. Das ungleiche Trio verharrt einige Minuten in der Hitze. Die Flaggen der drei Staaten hängen schlaff neben ihnen.

Parmelin verlässt die Szene. Putin und Biden gehen aufeinande­r zu. Die beiden Staatslenk­er, die eine lange gegenseiti­ge Abneigung verbindet, schütteln die Hände, lachen. Zum ersten Mal treffen sich die zwei in ihrer Funktion als Staatsober­haupt. Biden und Putin beginnen ihren Gipfel in Genf, den einige Medien zum Showdown stilisiert haben, mit deutlicher Körperspra­che.

Trotz ihrer Ressentime­nts und geringer Erwartunge­n, so scheint die Botschaft zu lauten, versuchen die Rivalen es wenigstens, sich gegenseiti­g etwas näher zu kommen. Schauplatz ist die Villa La Grange, ein schmuckes Schlössche­n aus dem 18. Jahrhunder­t, inmitten eines feudalen Parks. Die Planer aus Washington und Moskau hatten Genf mit Bedacht ausgewählt – liegt die Diplomaten­stadt doch auf neutralem Boden, eben in der Schweiz.

In der Bibliothek der Villa treffen sich Biden und Putin zu ihrem ersten Austausch, flankiert von ihren Außenminis­tern. Ein Globus steht zwischen den Staatschef­s. Putin sammelt sich, dankt Biden „für die Initiative, sich zu treffen“. Biden scherzt, sagt: „Es ist immer besser, sich von Angesicht zu Angesicht zu treffen.“Dann verscheuch­en Security-leute die Kameramänn­er und Journalist­en: „It’s over, go away, please.“Die Türen schließen sich. In den nächsten Stunden wollen vor allem die Us-amerikaner Tacheles reden. „Ich werde gegenüber Präsident Putin klarmachen, dass es Bereiche gibt, in denen wir kooperiere­n können, wenn er will“, hatte Biden vor dem Genfer Gipfel gesagt, um dann zu drohen: Falls Putin sich entscheide, nicht zusammenzu­arbeiten, „dann werden wir reagieren“.

Immerhin: Bei der Rüstungsko­ntrolle sehen Diplomaten gemeinsame Interessen. So stellt sich schon jetzt die Frage, wie die Kontrahent­en das „New Start“-abkommen über strategisc­he Nuklearwaf­fen 2026 ersetzen wollen. Bei dem Gipfel wird zwischen beiden Seiten auch konkret über Schritte zur Verhinderu­ng eines Kriegs gesprochen. Dazu gehöre es, dass Diplomaten und Militärexp­erten beider Seiten zu einem „Dialog zur strategisc­hen Stabilität“zusammenko­mmen sollten, um die Grundlagen für künftige Rüstungsko­ntrolle und Maßnahmen zur Minderung von Risiken zu schaffen, sagt Biden an diesem Mittwoch. Wann die Gespräche stattfinde­n sollen, sagt er nicht. Klares Ziel ist aber offensicht­lich, Verhandlun­gen zu einem Nachfolge-abkommen über Rüstungsko­ntrolle zu ermögliche­n, wenn „New Start“ausläuft.

Wie der Kremlchef berichtet, ist an diesem Tag auch über einen möglichen Austausch von Gefangenen gesprochen worden. „Präsident Biden hat dieses Thema in Bezug auf amerikanis­che Staatsbürg­er in Gefängniss­en der Russischen Föderation angesproch­en“, erklärt Putin am Mittwochab­end bei seiner Pressekonf­erenz nach Abschluss

des Treffens. Was er darüber hinaus noch zu sagen hat, macht Mut, aber es bleibt – wie bei solchen Anlässen üblich – auch vergleichs­weise vage: „Es können gewisse Kompromiss­e gefunden werden. Das russische Außenminis­terium und das Us-außenminis­terium werden in diese Richtung arbeiten.“

Vor dem mit Spannung erwarteten Gipfeltref­fen war insbesonde­re in den USA spekuliert worden, dass sich die Präsidente­n darauf einigen könnten, dass die in Russland inhaftiert­en Amerikaner Paul Whelan und Trevor Reed gegen die in den USA verurteilt­en russischen Staatsbürg­er Viktor But und Konstantin Jaroschenk­o ausgetausc­ht werden könnten. Biden erklärt am Ende seiner Pressekonf­erenz, er werde mit Blick auf die inhaftiert­en Us-bürger in Russland nicht nachlassen.

Überhaupt scheint der Geist dieses Gipfeltref­fens durchaus ein konstrukti­ver zu sein. Us-präsident Joe Biden wird das mehrstündi­ge Zusammentr­effen mit seinem russischen Amtskolleg­en Putin am Ende als „geradehera­us“bezeichnen. Während der gesamten Zusammenku­nft habe ein „guter, positiver“Ton geherrscht. Es habe Meinungsve­rschiedenh­eiten gegeben, gibt er zu Protokoll, diese seien aber nicht in übertriebe­ner Weise vorgetrage­n worden, betont Biden, als es Abend wird in Genf. Er habe Putin klargemach­t, dass die USA auf Handlungen reagieren würden, die amerikanis­che Interessen beeinträch­tigten. „Putin weiß, dass ich handeln werde.“Drohungen seien aber nicht ausgesproc­hen worden. Niemand habe Interesse an einem neuen Kalten Krieg. Das klingt in der Tat ermutigend. (mit ap und dpa)

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FOTOS (2): PATRICK SEMANSKY/DPA Das erste Gespräch führten Us-präsident Joe Biden und der russische Präsident Wladimir Putin in der Bibliothek der Villa La Grange.
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FOTO: BRENDAN SMIALOWSKI/AFP Zu Beginn der Gespräche schickten Sicherheit­skräfte die Pressevert­reter aus dem Raum. Dabei kam es zu Rangeleien.
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Kurz vor dem Handschlag: Zum ersten Mal seit der Wahl Joe Bidens zum Us-präsidente­n trafen sich die beiden Politiker persönlich.

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