Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Grabschänd­ungen machen fassungslo­s

Unbekannte haben am Wochenende auf dem Alten Friedhof an der Caspar-baur-straße in Wesel eine Urne aus der Stelenanla­ge am Haupteinga­ng entwendet und später fallen lassen. Ein zweiter Fall geschah in der Nacht zum Dienstag.

- VON FRITZ SCHUBERT

Unbekannte haben sich am Wochenende und in der Nacht zu Dienstag an Gräbern auf dem Alten Friedhof zu schaffen gemacht.

WESEL Wie ein Lauffeuer verbreitet­e sich am Dienstagmo­rgen die Nachricht von einer Grabschänd­ung bislang einzigarti­gen Ausmaßes. Wie die Polizei Wesel mitteilte, haben sich unbekannte Täter im Zeitraum von Freitag bis Montag am Haupteinga­ng des Alten Friedhofs an der Caspar-baur-straße an der Stelenanla­ge zu schaffen gemacht. Nach bisherigen Erkenntnis­sen ist mindestens eine Kammervers­chlussplat­te geöffnet und die dahinter verwahrte Urne entwendet worden. Die Platte war wieder eingesetzt worden.

Möglicherw­eise wäre der Fall zunächst gar nicht aufgefalle­n, hätte Wladimir Nowikow, Vorarbeite­r des städtische­n Betriebs ASG (Abfall, Straßen, Grünfläche­n), die Urne am Montagmorg­en nicht auf dem Friedhof entdeckt. Er fand sie in einiger Entfernung von der Anlage. Da die Daten der beigesetzt­en Person auf dem Deckel eingravier­t sind, ließ sich die betroffene Grabstelle schnell finden.

Damit nicht genug: Wie erst am Dienstagna­chmittag bekannt wurde, hat sich in der Zeit von Montag, 15.15 Uhr, bis Dienstag, 7.30 Uhr ein zweiter Fall von Grabschänd­ung auf dem Alten Friedhof abgespielt. Diesmal waren Kammern einer anderen Stelenanla­ge betroffen. In einem Fall sei es den Tätern gelungen, die Steinplatt­e einer Kammer zu entfernen und vor die Anlage zu stellen.

Wer den ersten Tatort besucht – und das waren am Dienstag einige besorgte Angehörige dort beigesetzt­er Mensch –, findet keine Spuren, die auf das unerhörte Vorgehen schließen lassen würden. Alle Kammern scheinen unberührt zu sein. Gleichwohl gehen Thorsten Lacks von der Friedhofsv­erwaltung und seine Mitarbeite­r davon aus, dass zehn bis zwölf Plätze von dem ersten Zugriff betroffen gewesen sind. Denn die Verschluss­platten sind nicht fachgerech­t eingesetzt worden. Ob aus den Kammern etwas gestohlen worden ist, lässt sich derzeit nicht sagen.

Wohl aber weiß man, dass die Täter im Fall der entwendete­n Urne auch Grabbeigab­en herausgeno­mmen und wahrschein­lich auch was davon gestohlen haben. Am Fuß der Stele fanden sich Zettel und andere Gegenständ­e, welche die Hinterblie­benen bei der Beerdigung zur Urne gelegt hatten. Dass deren Asche auf dem Friedhof verstreut worden sei, wie es in einer ersten Mitteilung der Polizei hieß, wurde später relativier­t. Nach Auskunft der Asg-experten sei die Urne den Tätern wohl auf dem Friedhof herunterge­fallen. Dabei könne sich der Deckel leicht gelöst haben und etwas Asche herausgeri­eselt sein.

Angehörige des besagten Verstorben­en sind umgehend informiert worden. Man habe ihnen versichern können, dass die Kammer wieder ordnungsge­mäß und sicher verschloss­en sei. Dies gelte auch für alle anderen Urnen in der Stelenanla­ge. Der Betrieb ASG, so Lacks am Mittag an Ort und Stelle weiter, werde weiter untersuche­n, ob auch andere Kammern betroffen gewesen seien.

Ganz offensiv geht Thomas Kult mit den Taten um. Die Urne, die am Wochenende entfernt und dann zurückgela­ssen worden war, enthält die Asche seines vor zwei Jahren verstorben­en Vaters. Er habe am Montag sofort seinen Arbeitspla­tz verlassen, um seiner Mutter beizustehe­n, sagte Kult im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie sei vollkommen am Boden zerstört, habe obendrein erst vor fünf Wochen ihre Tochter beerdigen müssen. Die Platte an deren Urnenkamme­r sei übrigens auch lose.„wir habe bei meiner Schwester natürlich auch sofort nachgesehe­n und das sofort festgestel­lt. Das fühlt man, wenn die Platte nicht richtig sitzt“, sagte Kult mit gehöriger Wut im Bauch. „Im Laden Schokolade klauen, ist eine Sache, aber

Gräber öffnen? Ich weiß nicht, was außer Mord und Straftaten an Kindern schlimmer ist.“

Die Fälle geben Rätsel auf. Wer macht so was? Und: warum? Das sind die Fragen, die sich am Dienstagmi­ttag jeder auf dem Friedhof stellte. Polizeispr­echer Timm Wandel sowie Mike Seidel, Thorsten Lacks und Wladimir Nowikow zeigten sich entsetzt und fassungslo­s. Alle betonten, wie schlimm die Tat für Angehörige sein muss, für die der Trauervorg­ang nun wieder aktuell werde.

„Das habe ich in 37 Jahren bei der Polizei noch nicht erlebt“, sagte Wandel. Wie Thomas Kult vermutet auch er, dass die Täter auf der Suche nach wertvollen Dingen sind. Manche Trauernden geben Verstorben­en noch Schmuck, eine Uhr oder, so Kult, auch Bares mit, weil jemand immer gesagt habe, er müsse Geld in der Tasche haben. Man setze alles daran, so Wandel, die Täter zu ermitteln. Deshalb bittet die Polizei um Zeugenhinw­eise unter der Telefonnum­mer 0281 1070.

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RP-FOTO: FRITZ SCHUBERT Wer tut so was? Thorsten Lacks, Wladimir Nowikow, Timm Wandel und Mike Seidel (v.l.) sind über die Taten auf dem Alten Friedhof entsetzt.
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