Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Dieses Debakel muss Konsequenz­en haben

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Man kann der deutschen Außenpolit­ik derzeit im besten Fall Naivität vorwerfen. Im schlimmste­n Fall muss man ihr den Vorwurf machen, für Lebensgefa­hr, Leid und Tod mitverantw­ortlich zu sein. Dass Afghanen, die den Westen unterstütz­t haben, nun den Taliban in die Hände fallen könnten, ist eine Katastroph­e. Wie konnte es so weit kommen? Warum gab es kein abgestimmt­es Vorgehen zwischen Außen-, Verteidigu­ngsund Innenminis­terium? Warum griff das Kanzleramt nicht ein? Die deutsche Botschaft hat, wie nun bekannt wird, rechtzeiti­g auf die ausweglose Situation aufmerksam gemacht. Private Organisati­onen, darunter Soldaten, wiesen wochenlang auf die Notwendigk­eit der Unterstütz­ung hin, sammelten Geld, um die Menschen auf eigene Faust auszuflieg­en. Das spricht Bände und muss politische Institutio­nen beschämen.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) steht zu Recht politisch am stärksten unter Druck. Nun sind Rücktritts­forderunge­n sechs Wochen vor einer Bundestags­wahl ein populäres Instrument der Opposition, bringen inhaltlich jedoch nichts. Aber der Bundestag muss in der nächsten Legislatur das Desaster aufarbeite­n, um Lehren für die nächsten Einsätze zu ziehen. So sollte künftig ein Ausstiegss­zenario von vornherein mitgedacht werden – und mancher Einsatz, etwa der in Mali, sehr genau überprüft werden.

Die Politik muss sich auch sofort verstärkt um die Bundeswehr kümmern: 59 tote Soldaten beim Einsatz in Afghanista­n, Verwundete, die ihr Leben lang mit Einschränk­ungen klarkommen müssen – derzeit sieht es so aus, als sei all das vergeblich gewesen. Das war es nicht. Darüber muss die Öffentlich­keit sprechen. Die Politik muss sich den Fragen der Truppe stellen, das schuldet sie ihr. Mit einem Gedenken allein wird es nun nicht mehr funktionie­ren.

BERICHT BUNDESWEHR SETZT RETTUNGSMI­SSION FORT, POLITIK

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