Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Dieses Debakel muss Konsequenzen haben
Man kann der deutschen Außenpolitik derzeit im besten Fall Naivität vorwerfen. Im schlimmsten Fall muss man ihr den Vorwurf machen, für Lebensgefahr, Leid und Tod mitverantwortlich zu sein. Dass Afghanen, die den Westen unterstützt haben, nun den Taliban in die Hände fallen könnten, ist eine Katastrophe. Wie konnte es so weit kommen? Warum gab es kein abgestimmtes Vorgehen zwischen Außen-, Verteidigungsund Innenministerium? Warum griff das Kanzleramt nicht ein? Die deutsche Botschaft hat, wie nun bekannt wird, rechtzeitig auf die ausweglose Situation aufmerksam gemacht. Private Organisationen, darunter Soldaten, wiesen wochenlang auf die Notwendigkeit der Unterstützung hin, sammelten Geld, um die Menschen auf eigene Faust auszufliegen. Das spricht Bände und muss politische Institutionen beschämen.
Außenminister Heiko Maas (SPD) steht zu Recht politisch am stärksten unter Druck. Nun sind Rücktrittsforderungen sechs Wochen vor einer Bundestagswahl ein populäres Instrument der Opposition, bringen inhaltlich jedoch nichts. Aber der Bundestag muss in der nächsten Legislatur das Desaster aufarbeiten, um Lehren für die nächsten Einsätze zu ziehen. So sollte künftig ein Ausstiegsszenario von vornherein mitgedacht werden – und mancher Einsatz, etwa der in Mali, sehr genau überprüft werden.
Die Politik muss sich auch sofort verstärkt um die Bundeswehr kümmern: 59 tote Soldaten beim Einsatz in Afghanistan, Verwundete, die ihr Leben lang mit Einschränkungen klarkommen müssen – derzeit sieht es so aus, als sei all das vergeblich gewesen. Das war es nicht. Darüber muss die Öffentlichkeit sprechen. Die Politik muss sich den Fragen der Truppe stellen, das schuldet sie ihr. Mit einem Gedenken allein wird es nun nicht mehr funktionieren.
BERICHT BUNDESWEHR SETZT RETTUNGSMISSION FORT, POLITIK