Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Neustart mit Hindernissen
Für mehr als 170 Schulen ist der Beginn des Schuljahrs wegen der Flutschäden schwierig. Trotzdem gibt es Zuversicht.
ESCHWEILER Vor gerade einmal drei Wochen wusste Rektorin Michaela Silbernagel noch nicht, wie und vor allem wo die Schülerinnen und Schüler der Realschule Patternhof den Start ins neue Schuljahr erleben würden. Hatte die Hochwasserkatastrophe Mitte Juli das Gebäude in Eschweiler doch so massiv beschädigt, dass an Unterrichten vorerst nicht mehr zu denken war. Kellerbereich, Technikräume, Lehrerzimmer, Klassenräume, Mensa, Turnhalle, alles hatte das Wasser geflutet und zerstört. Dass es für die rund 900 Schüler am Mittwoch doch weitergeht, nennt Silbernagel daher „einen absoluten Glücksfall“. Dafür ist die Realschule Patternhof kurzerhand umgezogen – in die Nachbarstadt Würselen.
Mehr als 170 Schulen in NRW hat das Flutunglück in Mitleidenschaft gezogen, sodass der Beginn des neuen Schuljahrs dort mit gewissen Einschränkungen verbunden ist. So müssen sich etwa in Stolberg bei Aachen drei Grundschulen und ein Gymnasium vorerst mit Notlösungen behelfen. In allen Einrichtungen seien mindestens die Keller vollgelaufen, berichtet Stolbergs Pressereferent Tobias Schneider, teils seien Erdgeschosse mit Klassenräumen nicht mehr nutzbar. „Es ist aber alles so weit wieder hergestellt, dass die Kinder zumindest unterrichtet werden können“, sagt Schneider.
Allerdings nicht immer in gewohnter Form. So musste etwa bei Sanitärbereichen und Mensen auf Containerlösungen zurückgegriffen werden, die nun auf den Schulhöfen stehen. „Das hat bei uns gut geklappt, weil wir uns extrem früh um diese Container bemüht haben“, sagt Schneider. Andere Städte hätten da weniger Glück gehabt. Ein weiterer wesentlicher Faktor sei das große ehrenamtliche Engagement gewesen, beispielsweise was den Ersatz von zerstörtem Schulmobiliar angeht. Schneider: „Unter anderem hat uns die Stadt Dinslaken mit Schulmöbeln beliefert.“
Schwer getroffen wurde auch das Erzbischöfliche St.-angela-gymnasium in Bad Münstereifel. Dort stand das Erdgeschoss komplett unter Wasser, Räume und Technik wurden verwüstet. „Da das Wasser in weite Teile des Gebäudes eingedrungen ist, muss nach der Beseitigung der großen Schuttmengen noch überprüft werden, ob es eventuell zu Ablagerungen von schädlichen Stoffen gekommen ist“, heißt es in einem Brief der Schulleitung. Ein Containerdorf auf dem Sportplatz soll künftig einen Teil der Schüler beherbergen, vier fünfte Klassen werden vorläufig in eine benachbarte Realschule ausgelagert.
Von nachbarschaftlicher Hilfe profitieren auch Michaela Silbernagels Schüler. Der Bürgermeister von Würselen hatte den Eschweilern das ehemalige Realschulgebäude als
Notbehelf angeboten. Die Schule sei noch bis vergangenes Jahr betrieben worden und Mobiliar entsprechend vorhanden. „Natürlich ist das trotzdem für alle eine Riesenumstellung“, sagt Silbernagel. Zum einen müssten sich Kinder wie Lehrer erst einmal in dem neuen Gebäude zurechtfinden. Dann galt es, einen Schulbusverkehr in zwei Schichten auf die Beine zu stellen – immerhin liegt die Ersatzschule 22 Fahrminuten von Eschweiler entfernt.
Silbernagel weiß, dass sie allen Beteiligten viel Geduld abverlangt und dass es hier und da mal holpern wird im Miteinander. „Das Wichtigste aber ist, dass wir alle zusammen sind“, sagt die Schulleiterin. Denn viele Schüler seien auch privat von der Flut betroffen, der Zusammenhalt in einer neuen Lernumgebung damit auch psychologisch wichtig. Ihr Ziel sei es, möglichst früh Normalität und Zuversicht zu vermitteln. „Das trägt uns dann als Schulgemeinschaft“, sagt sie.
Wie lange die betroffenen Schulen mit der Behelfssituation umgehen müssen, ist noch unklar. Schneider spricht in Stolberg von Jahren, bis der Normalzustand wiederhergestellt sei. Und auch Rektorin Silbernagel kann nicht vorhersagen, wie lange es dauern wird, bis es möglich ist, in die alte Realschule Patternhof zurückzukehren. „Wir haben die Entscheidung getroffen, dass wir auf unbegrenzte Zeit in Würselen einziehen“, sagt Silbernagel. Der Donnerstag ist also in jeder Hinsicht ein Neustart.