Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Arzt bestreitet Totschlags-vorwurf
Der Essener Mediziner soll laut Anklage einen Corona-patienten getötet haben.
ESSEN Ruhig trägt der Angeklagte seinen Lebenslauf vor. Der großgewachsene Anästhesist spricht darüber, wie er Karriere machte, sich mehrfach weiterbildete und unter anderem in Krankenhäusern in Detmold, Heidelberg und zuletzt in der Uniklinik Essen arbeitete. Dort hat der 45-Jährige auf einer Covid-station schwerstkranke Patienten behandelt. „Es ist eine Ehre, auf der Intensivstation eingesetzt zu werden“, sagt er. Doch nur einige Monate nachdem er auf diese Station gewechselt war, kam einem Pfleger der Tod eines Patienten verdächtig vor. Er meldete es einem Arzt, die Klinik verständigte die Polizei. Die Staatsanwaltschaft Essen wirft dem Arzt nun vor, einem 47-jährigen Patienten im November 2020 eine tödliche Injektion verabreicht zu haben. Die Anklage lautet auf Totschlag.
Seit November sitzt der Arzt in Untersuchungshaft, nun hat der Prozess vor dem Landgericht Essen begonnen. Laut Staatsanwaltschaft hat die Injektion unabhängig von der Grunderkrankung zum unmittelbaren Tod des Patienten geführt.
Harald Wostry, der Verteidiger des Arztes, schildert die Geschehnisse anders. Nicht die Spritze sei für den Tod des Patienten verantwortlich, sondern das Abschalten von lebenserhaltenden Geräten. Die Ehefrau und die Schwägerin des Patienten hätten zugestimmt, die Geräte abzuschalten. Die Situation des Niederländers sei aussichtslos gewesen. „Die Beweisaufnahme wird ergeben, dass ursächlich für das Versterben des Patienten das zulässige
Abschalten der Geräte war“, sagte Wostry. Die Medikamentengabe sei üblich. „Aus meiner Sicht ist nichts strafrechtlich Relevantes passiert.“
In zwei weiteren Verdachtsfällen gibt es gegen den Arzt ebenfalls eine Anklage. Die Fälle seien ähnlich gelagert, sagte ein Sprecher des Gerichts. „Dort sieht die Staatsanwaltschaft noch keinen hinreichenden Tatverdacht.“Der Fall des Niederländers ist für die Staatsanwaltschaft offenbar deutlicher. Für das Verfahren sind 14 weitere Termine bis Ende November vorgesehen.