Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kinder an die Macht

Spd-politiker geben jungen Leuten im Landtag ein Forum. Nicht auf alles sind sie vorbereite­t.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Auf dem Fußboden liegen Kissen herum, Luftballon­s schweben durch den Raum, und auf seinem Platz sitzt erst einmal sowieso keiner – ein Hauch von Anarchie liegt an diesem Dienstagmi­ttag über dem Spd-fraktionss­aal im Landtag. Die Opposition hat sechs Wochen vor der Bundestags- und neun Monate vor der Landtagswa­hl Kita-kinder zu sich eingeladen. Die sollen sagen, was sie sich denn so von Politikern wünschen.

Doch zunächst sagt der familienpo­litische Sprecher der Spd-fraktion, Dennis Maelzer, was er sich von den Kindern wünscht: „Bitte bindet eure Luftballon­s an. Die schweben sonst unter der Decke – da kommen wir dann gar nicht mehr dran.“

Zwei kleine Jungen dürfen als Erste nach vorn. Sie sind aus der „Umweltgrup­pe“und haben sich einiges ausgedacht. „Weniger Autos“, sagt der eine, „wegen des Auspuffs.“„Mehr Bäume“, sagt der andere, „die reinigen die Luft.“Die SPD-ABGEordnet­e übersetzt: „Die Kinder wünschen sich deutlich weniger Individual­verkehr und mehr Natur.“

Als nächstes kommen zwei Mädchen. Einen „Streitschl­ichter-teppich“wünschen sie sich. Wenn zum Beispiel nur ein Spielzeuga­uto da ist, das zwei haben wollen. Dann könnten die auf dem Streitschl­ichter-teppich von einem Symbolfeld zum nächsten gehen. „Beim Ohr-zeichen müssen wir dem anderen zuhören“, sagt eines der Mädchen die Regel auf – und das klingt eher nach pädagogisc­hem Konzept als nach dem Herzenswun­sch einer Fünfjährig­en. Die Spd-abgeordnet­e Eva-maria Voigt-küppers findet, ein solcher Teppich wäre auch eine gute Idee für Parlamenta­rier.

Die dritte Gruppe sagt unverblümt, was sie will: mehr Spielsache­n für die Turnhalle, neue Instrument­e für den Musikraum, eine Wasserruts­che und Bastelsach­en. Gut finden die Mädchen auch eine Kinderkonf­erenz: „Da können wir sagen, was wir wollen, und uns auch beschweren.“

Mehr mitreden wollen auch die Jugendlich­en. Am Nachmittag dürfen auch sie auf Einladung der Spd-fraktion den Politikern mit auf den Weg geben, „wie einmischen­de Jugendpoli­tik funktionie­ren kann“, so Maelzer. Doch die Videokonfe­renz läuft schleppend an, niemand möchte etwas sagen. Womöglich weil jeder, der sich zu Wort melden will, seine Kamera einschalte­n soll. Lehrer kennen dieses Phänomen aus dem Distanzunt­erricht zur Genüge. Schließlic­h fasst sich ein Vertreter der Landesschü­lerschaft ein Herz: In der Corona-zeit seien die Schüler an wichtigen Entscheidu­ngen kaum beteiligt worden. Es habe nur vierteljäh­rliche Treffen mit einem einzigen Ansprechpa­rtner des Schulminis­teriums gegeben: „Wir wollten schon früh mehr Tests und Teilpräsen­z – da war das im Schulminis­terium noch gar nicht angekommen.“Sehr weit hätten Schüler und Ministeriu­m in ihren Einstellun­gen auseinande­rgelegen, resümiert der junge Mann.

Aber er ist noch nicht fertig: Auch zu den anderen Fraktionen im Landtag hätte er gern mehr Kontakt gehabt: „Wir lobbyieren für die Schüler, aber wir müssen politische Neutralitä­t wahren. Wir hätten uns daher gewünscht, dass die Fraktionen auf uns zukommen.“

Charlotte Echterhoff sammelt in St. Augustin schon länger Erfahrunge­n mit Kinder- und Jugendparl­amenten. Sie ist Mitglied im dortigen Spd-vorstand und weiß, worauf es dabei ankommt: „Es bringt nicht viel, wenn die Kinder zwar dem Bürgermeis­ter zwei oder drei Stunden lang Fragen stellen dürfen, aber dann nichts mehr passiert.“Dann verliere man die jungen Leute wieder.

Vielleicht hätten Luftballon­s unter der Decke doch ihr Gutes gehabt. Als Erinnerung an die Wünsche der Kinder.

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FOTO: SPD Bunte Luftballon­s schweben über dem Fraktionss­aal: Der Nachwuchs äußert beim SPD Kinder- und Jugendgipf­el seine Wünsche.

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