Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„So viel Leid“– Seelsorgerin berichtet von Flut in Erftstadt
NIEDERRHEIN/ERFTSTADT (RP) Kerstin Pekur-vogt muss schlucken, wenn sie an das denkt, was sie im Überschwemmungsgebiet erlebt hat. „Ich stehe nun seit elf Jahren Menschen in akuten Notlagen bei, aber ich kann mich nicht erinnern, so viel Leid gesehen zu haben“, erzählt sie. Kerstin Pekur-vogt ist die leitende Koordinatorin der Notfallseelsorge der evangelischen Kirchenkreise Dinslaken, Moers und Wesel. Mit fünf Kollegen war sie sechs Tage nach der Flutkatstrophe in Erftstadt-blessem. Dem Ortsteil, in dem die Fluten nicht nur unzählige Häuser überschwemmt haben, sondern Straßenabschnitte und Gebäude in den Tiefen eines riesigen Kraters verschwunden sind.
„Wir haben die Menschen begleitet, als sie nach acht Tagen das erste Mal ihre Häuser betreten durften. Den Geruch werde ich nie mehr vergessen. Es war eine Mischung aus verdorbenen Lebensmitteln, Schlamm und Öl“, berichtet die Notfallseelsorgerin.
Eine der ersten, die Pekur-vogt begleitet hat, war eine junge Familie, die ihr Haus auf dem elterlichen Grundstück gebaut hatte. Dort, wo auch das gemeinsame Heim der Eltern und der Großmutter steht. Die 91-Jährige musste in einer dramatischen Rettungsaktion mit dem Hubschrauber von dem Grundstück gerettet werden.
„Sie wollten Gewissheit haben, hatten aber auch Angst vor dem, was sie erwartet“, beschreibt die Helferin die Situation der Familie. Nach dem Besuch der Häuser stand fest: Der Familie ist es so ergangen wie vielen. In beiden Gebäuden hatten die Fluten gewütet. Es werde viel Kraft, Zeit und Geld brauchen, bis die Bewohner wieder in ihr Heim zurückkehren können. Zum Glück gebe es in Erftstadt-blessem keine Toten und Vermissten zu beklagen, aber es wurden unzählige Existenzen zerstört.
„Die Betroffenen benötigen derzeit vor allem finanzielle Hilfe“, sagt die Notfallseelsorgerin. Und das möglichst schnell. Der Evangelische Kirchenkreis Dinslaken stelle aus seinem Etat 10.000 Euro für schnelle, unbürokratische Soforthilfen zur Verfügung.
Bis heute sind Notfallseelsorger in Erftsadt-blessem, teilt der Evangelische Kirchenkreis Dinslaken mit. Ab kommender Woche werde die Betreuung der Opfer von Seelsorgern vor Ort übernommen, bei Bedarf könnten die Nottfallseelsorger aber weiterhin angefordert werden. Notfallseelsorge wird vor Ort in ökumenischer Verantwortung wahrgenommen. Kräfte der evangelischen und katholischen Kirche sowie verschiedener Evangelischer Freikirchen arbeiten dabei intensiv zusammen.