Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Familie aus Duisburg sitzt in Kabul fest
Nach der Machtübernahme der Taliban versuchten sie vergeblich auszureisen. Auch ein Student der Uni versteckt sich in der Stadt.
Die Bundeswehr hat bereits mehr als 200 Menschen aus Kabul ausgeflogen, doch eine fünfköpfige Familie aus Duisburg harrt noch immer in der afghanischen Hauptstadt aus. Offenbar wurde ihnen bislang der Zugang zum internationalen Flughafen in Kabul, dem letzten Ort im Land, der nicht unter der Kontrolle der Taliban steht, verwehrt. Die Stadt hat nun Kontakt mit dem Auswärtigen Amt aufgenommen. Oberbürgermeister Sören Link hat am Mittwoch Außenminister Heiko Maas (SPD) informiert und die Ausweisdaten von vier Personen übermittelt. Eine fünfte besitzt nur die afghanische Staatsbürgerschaft.
Freunde der Familie hatten den
Fall bereits am Dienstag in den sozialen Medien öffentlich gemacht. „Wir haben kein Lebenszeichen seit gestern“, erzählt ein Arbeitskollege des 24 Jahre alten Sohns im Gespräch mit unserer Redaktion. Zuletzt hatte er am Dienstag eine Sprachnachricht der Familie erhalten. Darin heißt es:„soldaten schießen überall rum und lassen uns nicht rein gehen.“Im Hintergrund sind mehrere Schüsse zu hören. Ob die Familie mittlerweile einen Evakuierungsflug der Bundeswehr erreicht hat, ist unklar. „Da leider nicht auszuschließen ist, dass sich die Familie nach wie vor in Kabul befindet, will ich [...] gerne dazu beitragen, deren Ausreise in die Heimat sicherzustellen oder zumindest zu unterstützen“, schreibt Link in dem Brief an das Auswärtige Amt.
Auch Isa Ataie sitzt derzeit in Kabul fest. Der 25-jährige Deutsche lebt in Essen und studiert an der Uni Duisburg-essen. Anfang August reiste er mit seiner Familie nach Afghanistan, um dort Freunde und Verwandte zu besuchen. Nach der Machtübernahme der Taliban am vergangenen Sonntag wurden die Rückflüge der Familie storniert. „Aktuell können wir nicht eigenständig den Flughafen erreichen“, schreibt Ataie in einem öffentlichen Beitrag auf Instagram. Mit seiner Familie hält er sich eigenen Angaben zufolge nun an einem sicheren Ort auf.
Wir erreichen Ataie über Whatsapp, die Netzverbindung in der Stadt sei nicht so gut für ein Telefonat, schreibt er. „Keiner hier hat damit gerechnet, dass die Stadt so schnell fallen wird.“Es sei nun ruhig draußen, ab 21 Uhr sehe man niemanden auf der Straße. Dann greift die nächtliche Ausgangssperre. Am Flughafen sei die Situation chaotisch gewesen. „Es gibt überhaupt keinen richtigen Plan der Behörden“, sagt Ataie. „Ich fühle mich allein gelassen. Wir wissen nicht, wann wir nach Hause kommen.“
Ataie reiste am Dienstag mit seiner Familie zum Hamid Karzai Flughafen in Kabul. Das habe ihm das Auswärtige Amt empfohlen, schreibt er auf Instagram. „Vor dem militärischen Teil des Flughafens haben die Taliban ihre Checkpoints errichtet. Sie haben niemanden durchgelassen.“Dann sei die Stimmung aggressiver geworden, Taliban-kämpfer hätten das Auto der Familie umzingelt und Schüsse in ihre Richtung gefeuert. „Man sagte uns, dass wir uns verpissen sollen.“Immer wieder würden E-mails aus Berlin die Familie erreichen. Darin teile das Auswärtige Amt mit, wann es möglich sei, den Sammelpunkt am sogenannten North Gate des Flughafens zu erreichen. „Dann steht man da und keiner der Soldaten zeigt sich“, sagt Ataie.
Mittlerweile ist auch die Essener Stadtverwaltung über die Situation von Ataie und seiner Familie informiert. „Derzeit halten sich offenbar sechs Personen der Familie in Kabul auf“, sagt eine Sprecherin. Über einen Verbindungsmann vor Ort wolle man Unterstützung organisieren, sodass die Ausreise bald möglich sei.
Afghanistan war am Wochenende nach dem Abzug der internationalen Truppen wieder in die Hände der Taliban gefallen.