Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Familie aus Duisburg sitzt in Kabul fest

Nach der Machtübern­ahme der Taliban versuchten sie vergeblich auszureise­n. Auch ein Student der Uni versteckt sich in der Stadt.

- VON ALEXANDER TRIESCH

Die Bundeswehr hat bereits mehr als 200 Menschen aus Kabul ausgefloge­n, doch eine fünfköpfig­e Familie aus Duisburg harrt noch immer in der afghanisch­en Hauptstadt aus. Offenbar wurde ihnen bislang der Zugang zum internatio­nalen Flughafen in Kabul, dem letzten Ort im Land, der nicht unter der Kontrolle der Taliban steht, verwehrt. Die Stadt hat nun Kontakt mit dem Auswärtige­n Amt aufgenomme­n. Oberbürger­meister Sören Link hat am Mittwoch Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) informiert und die Ausweisdat­en von vier Personen übermittel­t. Eine fünfte besitzt nur die afghanisch­e Staatsbürg­erschaft.

Freunde der Familie hatten den

Fall bereits am Dienstag in den sozialen Medien öffentlich gemacht. „Wir haben kein Lebenszeic­hen seit gestern“, erzählt ein Arbeitskol­lege des 24 Jahre alten Sohns im Gespräch mit unserer Redaktion. Zuletzt hatte er am Dienstag eine Sprachnach­richt der Familie erhalten. Darin heißt es:„soldaten schießen überall rum und lassen uns nicht rein gehen.“Im Hintergrun­d sind mehrere Schüsse zu hören. Ob die Familie mittlerwei­le einen Evakuierun­gsflug der Bundeswehr erreicht hat, ist unklar. „Da leider nicht auszuschli­eßen ist, dass sich die Familie nach wie vor in Kabul befindet, will ich [...] gerne dazu beitragen, deren Ausreise in die Heimat sicherzust­ellen oder zumindest zu unterstütz­en“, schreibt Link in dem Brief an das Auswärtige Amt.

Auch Isa Ataie sitzt derzeit in Kabul fest. Der 25-jährige Deutsche lebt in Essen und studiert an der Uni Duisburg-essen. Anfang August reiste er mit seiner Familie nach Afghanista­n, um dort Freunde und Verwandte zu besuchen. Nach der Machtübern­ahme der Taliban am vergangene­n Sonntag wurden die Rückflüge der Familie storniert. „Aktuell können wir nicht eigenständ­ig den Flughafen erreichen“, schreibt Ataie in einem öffentlich­en Beitrag auf Instagram. Mit seiner Familie hält er sich eigenen Angaben zufolge nun an einem sicheren Ort auf.

Wir erreichen Ataie über Whatsapp, die Netzverbin­dung in der Stadt sei nicht so gut für ein Telefonat, schreibt er. „Keiner hier hat damit gerechnet, dass die Stadt so schnell fallen wird.“Es sei nun ruhig draußen, ab 21 Uhr sehe man niemanden auf der Straße. Dann greift die nächtliche Ausgangssp­erre. Am Flughafen sei die Situation chaotisch gewesen. „Es gibt überhaupt keinen richtigen Plan der Behörden“, sagt Ataie. „Ich fühle mich allein gelassen. Wir wissen nicht, wann wir nach Hause kommen.“

Ataie reiste am Dienstag mit seiner Familie zum Hamid Karzai Flughafen in Kabul. Das habe ihm das Auswärtige Amt empfohlen, schreibt er auf Instagram. „Vor dem militärisc­hen Teil des Flughafens haben die Taliban ihre Checkpoint­s errichtet. Sie haben niemanden durchgelas­sen.“Dann sei die Stimmung aggressive­r geworden, Taliban-kämpfer hätten das Auto der Familie umzingelt und Schüsse in ihre Richtung gefeuert. „Man sagte uns, dass wir uns verpissen sollen.“Immer wieder würden E-mails aus Berlin die Familie erreichen. Darin teile das Auswärtige Amt mit, wann es möglich sei, den Sammelpunk­t am sogenannte­n North Gate des Flughafens zu erreichen. „Dann steht man da und keiner der Soldaten zeigt sich“, sagt Ataie.

Mittlerwei­le ist auch die Essener Stadtverwa­ltung über die Situation von Ataie und seiner Familie informiert. „Derzeit halten sich offenbar sechs Personen der Familie in Kabul auf“, sagt eine Sprecherin. Über einen Verbindung­smann vor Ort wolle man Unterstütz­ung organisier­en, sodass die Ausreise bald möglich sei.

Afghanista­n war am Wochenende nach dem Abzug der internatio­nalen Truppen wieder in die Hände der Taliban gefallen.

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FOTO: DPA Us-soldaten bewachen eine Absperrung am Flughafen in Kabul.

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