Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ein bisschen Normalität
Erstmals seit der Flutkatastrophe findet am Nürburgring ein Rennwochenende statt. Timo Glock erklärt, wie das gelingen kann.
NÜRBURG Es waren eindrückliche Bilder, die Mitte Juli in die Welt hinausgingen. Auf dem Nürburgring, der legendären Motorsport-rennstrecke in der Eifel, auf der sonst die Wagen mit Spitzengeschwindigkeiten um die 300 Kilometer pro Stunde über den Asphalt jagen, standen Hunderte Rettungswagen, Militärfahrzeuge und Dutzende Zelte. Die Rennstrecke wurde mitten in der schlimmen Hochwasserkatastrophe in Deutschland zur Einsatzzentrale der Helfer. 5557 Kräfte waren hier zwischenzeitlich stationiert.
„Der Nürburgring ist bekannt für Rennsport, und irgendwann muss es weitergehen“Timo Glock Dtm-fahrer
Aus der Boxengasse koordinierten THW, Bundeswehr und Co. die Einsätze an der Ahr. Hier wurden Spenden für die Opfer der Flut gesammelt, im Hotel übernachteten Menschen, die ihr Dach über dem Kopf verloren hatten. An Rennsport war wochenlang nicht zu denken, alle Veranstaltungen wurden abgesagt. Bis jetzt. Am Wochenende gastiert die DTM mit Fahrergrößen wie Timo Glock, Alexander Albon oder Mike Rockenfeller an der legendären Rennstrecke. Etwas Normalität soll zurückkehren in eine Region, in der immer noch die Aufräumarbeiten laufen.
Leicht wird das nicht sein, weiß auch Glock, der einst in der Formel 1 fuhr und seit Jahren einer der besten Fahrer der Rennserie ist. „Für alle von uns ist es schwierig zu wissen, dass es nur ein paar Kilometer weiter die Flutkatastrophe gab und viele Menschen noch lange mit den
Auswirkungen zu kämpfen haben werden“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. Die DTM selbst sammelte mit ihren Sponsoren zusammen 100.000 Euro Spenden für die Region.
Nun geht der Blick nach vorn, wenngleich niemand weiß, ob es der richtige Zeitpunkt dafür ist. „Der Nürburgring ist bekannt für den Rennsport, und irgendwann muss es dort auch weitergehen“, sagt Glock. Schließlich lebe die Rennstrecke davon, dass Wettbewerbe stattfinden und Zuschauer kommen. Großevents sind wohl gerade jetzt von wirtschaftlicher Bedeutung für die Region. Wenngleich der 39-Jährige weiß: „Den Leuten, die betroffen sind, wird es egal sein, ob wir nun Rennen fahren oder nicht.“Und ihm selbst? Er sei natürlich betroffen und nehme Anteil am Schicksal der Menschen. „Für mich als Fahrer geht es irgendwann am Wochenende darum, meinen Job zu machen. Und der ist Rennen zu fahren“, sagt er im Gespräch.
Das macht er noch immer mit großer Leidenschaft, wenngleich sich Routine eingestellt habe. „Wenn ich 20 Jahre zurückdenke und wir donnerstags zur Kartbahn gefahren sind – da bin ich schon auf der Autofahrt nervös geworden“, sagt Glock. Inzwischen komme die Anspannung erst, wenn er in Auto einsteige. Am Nürburgring hofft er nun darauf, dass auch das Glück mitfahren wird, denn dieses war ihm in den bisherigen sechs Rennen nicht treu. Null Punkte stehen nach den ersten drei Rennwochenenden zu Buche. Nun geht es aber auf einen Kurs, den er aus vielen Jahren im Motorsport sehr gut kennt.
Leichter wird es aber nicht, denn mit einem Porsche wird erstmals seit 34 Jahren eine siebte Marke bei der Tourenwagen-meisterschaft an den Start gehen und die Konkurrenz aufwirbeln. Es ist ein Beweis dafür, dass die DTM boomt – zumindest in der Szene. Denn der Bedeutungsverlust der Rennserie ist nicht wegzudiskutieren – genauso wie der des gesamten Motorsports. Gründe dafür sind schwer auszumachen, meint Glock. „Der Sport ist gut, wir haben in der Vergangenheit tolle Rennen und Shows gezeigt“, sagte er.
Gerade die DTM sei hochspannend mit vielen verschiedenen Siegern. „Da kannst du am Samstag
gewinnen und am Sonntag letzter werden. Das gesamte Feld liegt oft innerhalb einer Sekunde“, so der 39-Jährige. Ein großer Unterschied zur oft monotonen Formel 1: „Die Hauptkonkurrenten waren der Teamkollege und zwei, drei andere Fahrer. In der DTM ist das anders.“Außerdem komme man als Fan viel näher dran als etwa bei der Formel 1 – und die Autos ähneln zumindest in Teilen den Straßenmodellen. Wenngleich es nicht mehr so ist, wie in der Vergangenheit. „Früher war es so, dass man am Wochenende die Autos auf der Rennstrecke gesehen hat und sie montags beim Autohändler kaufen konnte“, sagt Glock mit einem Lachen.
Will man das überhaupt noch? Ist der Motorsport dazu geeignet, die Zukunft in einer Region einzuläuten, die von Umweltschäden beeinträchtigt ist? Ausgerechnet die Sportart, die von Umweltschützern regelmäßig scharf kritisiert wird, weil sie in Zeiten von Klimadebatten als kontraproduktiv gilt? „Wir wissen, dass der Motorsport auch einen Teil zum Klimawandel beiträgt“, sagt Glock. „Letztendlich ist es aber jeder einzelne Mensch, der sein Päckchen trägt. Der Fußballspieler, der zum Training fährt, der Politiker, der nach Berlin fährt. Es gibt sicher größere Baustellen als den Motorsport in dieser Thematik.“