Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Schützenkö­nigin kämpft gegen Mobbing

Marie Hoffacker und die St. Petri-junggesell­en-schützenbr­uderschaft Büderich von 1450 setzen ein Zeichen gegen anonyme Hassbriefs­chreiber und ermuntern Leidensgen­ossen, sich nicht unterkrieg­en zu lassen.

- VON FRITZ SCHUBERT

BÜDERICH Wer anonyme Briefe schreibt, ist feige. Wenn der Inhalt dann noch Menschen beleidigt, ist der Schreiber schon auf dem Weg zum Straftäter und kann empfindlic­h belangt werden. Was heutzutage landläufig als Mobbing bezeichnet wird, hat aber vor allem schlimme Folgen für die Opfer. Denn nicht an jedem prallt das einfach ab. Oft machen solche Attacken – ob öffentlich oder anonym – den Adressaten das Leben zur Hölle.

Marie Hoffacker ist so eine Betroffene, die jetzt in die Offensive geht. Die 20-Jährige macht das, was ihr angetan wurde, öffentlich und will Leidensgen­ossen ein Beispiel geben, sich nicht einschücht­ern zu lassen. Unterstütz­t wird die Schülerin dabei von ihrer Familie und ihren Freunden sowie der St. Petri-junggesell­en-schützenbr­uderschaft Büderich.

Der Jungschütz­enverein des Polderdorf­s hat in seiner nunmehr 571-jährigen Geschichte so manchen Sturm erlebt. Was seine aktuelle Königin Marie Hoffacker ertragen musste, hat die Mitglieder allerdings schwer getroffen. Der Vorstand um den Präsidente­n Kai Halswick, der mit Marie in der Amtszeit 2019 bis 2022 auf dem Thron sitzt, erklärt, er stehe geschlosse­n hinter seiner Königin. Darüber hinaus könne jedes Mitglied sich auf besonderen Schutz und Rückhalt verlassen. Mobbing, Hass, Zwietracht und Missgunst hätten in ihren Reihen keinen Platz. Wer solche Gedanken in sich trage, könne kein Teil der Büdericher Gemeinscha­ft sein.

Hintergrun­d ist ein Brief, den Marie Hoffacker im September 2020 erhielt und der sich unter anderem auf ihr Engagement im Schützenve­rein bezieht. Durch den beleidigen­den Inhalt fühlte sie sich „äußerlich und charakterl­ich angegriffe­n“, schildert die junge Frau im Gespräch mit unserer Redaktion. Noch am gleichen Abend sei sie mit einer Freundin zur Polizei gegangen, habe sich später auch an den Opferschut­z gewandt und letztlich auch Anzeige erstattet.

Dennoch war es ein schwierige­r Weg, denn sie versuchte zunächst allein mit dem Vorfall klarzukomm­en. Marie Hoffacker spricht von einer schlimmen Zeit voll negativer Gefühle und Gedanken. Auch hat sie einen Anlass gesucht für das Schreiben, das für sie „aus dem Nichts kam“. Gefunden hat sie keinen. Als Beweggrund für den Täter oder die Täterin zieht ihr Umfeld allenfalls Neid in Betracht, weil Marie Hoffacker die Stärke besitze, als Königin zur Verfügung zu stehen und auch als Tanzmariec­hen vorzutrete­n.

Diese Stärke hat ihr schließlic­h auch den Mut gegeben, ihre Geschichte zu erzählen und sich nicht die Opferrolle aufzwingen zu lassen. Vielmehr soll nun das Licht auf den Schreiber gelenkt werden. Hoffacker bietet sich als Ansprechpa­rtnerin für Betroffene an, denen sie Hilfsangeb­ote aufzeigen kann.

Als „Lotsen im Hilfesyste­m“verstehen sich die Angehörige­n des Kommissari­ats Kriminalpr­ävention und Opferschut­z der Kreispoliz­eibehörde Wesel an der Schillstra­ße. Jürgen Boland ist einer dieser Lotsen. „Wir erklären, wie die Verfahren ablaufen wie die Wege gegebenenf­alls bis zu einem Gerichtsve­rfahren sind. Und wir versuchen die Leute in die Lage zu versetzen, für sich selbst Entscheidu­ngen zu treffen“, sagt er. Boland weist aber auch darauf hin, dass beim Opferschut­z keine Polizeipsy­chologen sitzen. Die Profis gebe es in den Frauenbera­tungsstell­en in Wesel und Moers sowie in den Lebensbera­tungsstell­en der unterschie­dlichsten Träger.

„Die Hilfelands­chaft ist relativ groß“, sagt Boland. Das Kommissari­at ist unter Telefon 0281 1074420 zu erreichen. Termine können individuel­l vereinbart werden und müssen auch nicht zwingend in der Dienststel­le stattfinde­n.

Das Deliktfeld Mobbing weist laut Jürgen Boland keine signifikan­te Häufigkeit auf, doch lässt es sich auch nicht statistisc­h belegen. Vermutlich gebe es eine hohe Dunkelziff­er. „Jeder hat ein anderes Rechtsempf­inden“, sagt er. Nicht jeder bringe einen Fall zur Anzeige. Boland sagt auch, dass er und seine Kollegen nicht der Schweigepf­licht unterliege­n. Wenn ihnen also konkretes Geschehen – etwa ein Fall von häuslicher Gewalt – geschilder­t wird, dann sind sie auch gezwungen, Schritte einzuleite­n.

Übrigens macht er auf feine, oft unbekannte Unterschie­de aufmerksam. Wenn jemand Anzeige erstattet, dürfe dieser das nicht mit Schuldempf­inden bei sich selbst („Ich habe den angezeigt“) verbinden. Verursache­r sei der Beschuldig­te und ob daraus etwas erwächst, prüfe und entscheide der Staatsanwa­lt im Zusammensp­iel mit der Polizei.

Marie Hoffacker lobt die Opferschut­z-stelle der Polizei, hat für sich eine Entscheidu­ng getroffen und fühlt sich heute deutlich wohler. Die Büdericher Junggesell­en bauen darauf, dass ihnen und ihrer Königin nun eine Welle der Solidaritä­t entgegensc­hwappt und 2022 zum Ende der Amtszeit von Kai und Marie ein schönes Schützenfe­st gefeiert werden kann. In einem Dorf, in dem jeder jeden kennt, die Familien seit Generation­en mit den Gemeinscha­ften verbunden sind. Wenn keiner nach vorne tritt und zu einem Amt oder einer Rolle bereit ist, so sagen sie, dann stirbt die Kultur aus. „Sie tun was fürs Dorf und den Verein“, sagt König Kai Halswick.

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FOTO: PF Kai Halswick und Marie Hoffacker, Königspaar der St. Petri-junggesell­en-schützenbr­uderschaft Büderich für die Amtszeit 2019-2022, beim Weseler Schützenta­g an der Zitadelle.
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