Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Neuer Cdu-vorstand soll Gräben zuschütten

Wolfgang Gödeke wurde in einer turbulente­n Mitglieder­versammlun­g zum Vorsitzend­en des Rheinberge­r Stadtverba­nds gewählt.

- VON UWE PLIEN

RHEINBERG Der Cdu-stadtverba­nd Rheinberg hat einen neuen Vorstand gewählt und will sich am eigenen Schopf aus dem Schlamasse­l ziehen; will das Chaos und die Schlammsch­lachten der vergangene­n Monate hinter sich lassen. In einer mehrstündi­gen, turbulente­n Mitglieder­versammlun­g in der Stadthalle sprach die Mehrheit der 84 stimmberec­htigten Mitglieder erwartungs­gemäß Wolfgang Gödeke aus Millingen das Vertrauen aus. Der 54-jährige Gastronom war der einzige Bewerber für das höchste CDU-AMT in der Stadt. Nach sechs Jahren im Rat hatte er sich 2020 politisch zurückzieh­en wollen, gestand Gödeke: „Aber dann habe ich mich doch noch einmal umentschie­den.“Zu seinen Stellvertr­eterinnen wurden Tanja Mark aus Orsoy und Anna Rasche aus Budberg gewählt, Neue Schatzmeis­terin ist Stefanie Aldenhoff aus Millingen, Schriftfüh­rer Tobias Faasen aus Ossenberg und Mitglieder­beauftragt­e Brigitte Devers aus Orsoy. Dass dieser neue, weiblicher­e und jüngere Vorstand einiges an Arbeit vor der Brust hat, wurde vom ersten bis zum letzten Moment deutlich. Es knisterte, die Protagonis­ten standen unter Dampf, es wurde laut, es zischte und fauchte. Eine vernünftig­e Kommunikat­ion ist offensicht­lich nicht mehr möglich. Zwischen dem alten Vorstand, dem Ortsverban­d Mitte und dem Rest der CDU knirscht es mächtig im Gebälk.

Dabei konzentrie­rte sich alles auf die Stadtverba­ndsvorsitz­ende Sarah Stantschef­f. Als klar geworden war, dass die Ortsverbän­de Borth, Budberg und Orsoy im Hintergrun­d einen Plan für einen Vorstandsw­echsel schmiedete­n, um sie loszuwerde­n, hatte Stantschef­f die Reißleine gezogen und kandidiert­e nicht mehr.

Auf ihre letzte Sitzung hatte sie sich minutiös vorbereite­t So, wie man es von ihr kennt. Bienenflei­ßig, keine Mühen scheuend. Parteimitg­lied Clemens Geßmann sollte später sagen: „Auch wenn wir uns nicht einig sind, Sarah: Ich glaube nicht, dass es schon mal jemanden an der Spitze des Stadtverba­nds gegeben hat, der so viel Arbeit in die Partei gesteckt hat wie du. Das verdient Anerkennun­g.“

Gern hätte sie ihre Verdienste weiter ausgebreit­et. Sichtlich angefasst und aufgewühlt rief Stantschef­f in ihrem Rückblick auch nebensächl­ichste Details in Erinnerung. Jedes Plakat, jede Postkarte, jede Blumenpfla­nz-, Nistkasten­bastel- und Malkreidea­ktion der vergangene­n Jahre, alles war perfekt dokumentie­rt und mit Fotos, Videos, Zahlen und Fakten unterlegt. Aber selbst, als sie später bekanntgab, das Parteikont­o mit einem historisch hohen Kontostand von mehr als 100.000 Euro an ihre Nachfolger zu übergeben, gab es bestenfall­s verhaltene­n Applaus. Keinen Dank, nichts. Spätestens da war klar: Sarah Stantschef­f hat keinerlei Bindung mehr an ihre Partei und die CDU keine mehr an ihre Chefin.

Das Fass lief bereits über, als sie ein Video mit dem Grußwort von Frank Tatzel einspielte, in dem der 2020 unterlegen­e Bürgermeis­terKandida­t die CDU überschwän­glich lobte und die Wahl analysiert­e. Auch wenn es Aufgabe der Vorsitzend­en war, zurückzusc­hauen: Niemand im Saal wollte das alles knapp elf Monate nach dem desaströse­n Kommunalwa­hlergebnis hören oder sehen. Lautstark wurde gefordert, endlich zur Sache zu kommen.

Der frühere Stadtverba­ndsvorsitz­ende und ehemalige stellvertr­etende Landrat Dieter Bartels griff ein. Er redete Tacheles. Sachlich, besonnen, aber frei heraus. Es gebe keine Geschlosse­nheit mehr in der CDU, beklagte er. Der Ortsverban­d Mitte habe massiv Einfluss auf wichtige Entscheidu­ngen genommen und damit Schaden angerichte­t. Den neuen Mandatsträ­gern fehle es nach seiner Ansicht an Verwurzelu­ng in Kirche und Vereinen, was Cdu-mitglieder­n gut anstünde. Vieles mehr führte er an. Es sei genug der geschlagen­en Wunden, mahnte Bartels und fügte weise hinzu: „Wir können diesen Tag zu einem Tag des Aufbruchs machen. Dann müssen wir aber ans andere Ufer gehen.“Sein Vorschlag: „Schwimmen wir los!“

Worte, die die langjährig­e Landtagsab­geordnete Marie-luise Fasse gern aus dem Mund von Sarah Stantschef­f gehört hätte. Fasse sagte fast flehend: „Die Animosität­en und Schwierigk­eiten untereinan­der müssen aufhören. Das Ruder herumzurei­ßen ist nicht leicht, aber es ist möglich.“Unterdesse­n übte Viktor Paeßens, auch ein Urgestein der Rheinberge­r CDU, den Schultersc­hluss mit Bartels: „Wir haben die große Chance, das Steuer herumzurei­ßen. Sonst wird diese CDU nie mehr die sein, die sie war. Wir müssen die tiefen Gräben zuschütten.“

Das Ende der Versammlun­g kam fast einer Erlösung gleich. Auf die CDU wartet viel Arbeit.

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RP-FOTOS: ARMIN FISCHER Wolfgang Gödeke (54) aus Millingen, Inhaber des Alpener Hotels/restaurant­s Burgschänk­e, ist neuer Vorsitzend­er des Stadtverba­nds.
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Sarah Stantschef­f trat nach fünf Jahren an der Parteispit­ze sang- und klanglos ab. Es gab nur ein sehr leises Dankeschön für ihre Arbeit.
 ??  ?? Cdu-altmeister Dieter Bartels analysiert­e, woran es in der Rheinberge­r CDU haperte. Er tat dies sachlich, besonnen, direkt – wie man es von ihm kennt.
Cdu-altmeister Dieter Bartels analysiert­e, woran es in der Rheinberge­r CDU haperte. Er tat dies sachlich, besonnen, direkt – wie man es von ihm kennt.

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