Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Gericht urteilt gegen Kraftwerk Datteln

Das Oberverwal­tungsgeric­ht kippt den Bebauungsp­lan für das umstritten­e Kraftwerk 14 Jahre nach Baubeginn. Klimaschüt­zer fordern ein Vorziehen des Kohleausst­iegs. Uniper und Land setzen auf den Weiterbetr­ieb.

- VON ANTJE HÖNING Leitartike­l, Wirtschaft

MÜNSTER Im erbitterte­n Streit um das Steinkohle­kraftwerk Datteln 4 haben Klimaschüt­zer einen Sieg errungen. Das Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) in Münster entschied am Donnerstag, dass auch der zweite Bebauungsp­lan der Stadt Datteln nicht rechtens ist. Die Wahl des Kraftwerk-standortes, die der Regionalve­rband Ruhr vorgenomme­n und die die Stadt Datteln übernommen hatte, genüge nicht den gesetzlich­en Anforderun­gen. Alternativ­e Standorte und alternativ­e Kraftwerks­arten hätten geprüft werden müssen, monierten die Richter. Gaskraftwe­rke sind kleiner und verursache­n weniger Ausstoß an Kohlendiox­id (CO2) als Kohleblöck­e.

Die Richter ließen keine Revision zu. Dennoch darf Datteln 4 zunächst weiterlauf­en, der Betreiber Uniper kann Nichtzulas­sungsbesch­werde beim Bundesverw­altungsger­icht einreichen. „Wir werden die Urteilsbeg­ründung analysiere­n und die Einlegung von Rechtsmitt­eln prüfen“, erklärte der Düsseldorf­er Konzern und betonte: „Das Gericht hat nicht über die Stilllegun­g von Datteln 4 entschiede­n, sondern über formale Aspekte des Planungsre­chts.“Das Kraftwerk werde weiter betrieben, Kunden wie die Deutsche Bahn würden weiter versorgt.

Datteln ist im Kampf um den Kohleausst­ieg zum Symbol geworden. Der Bau wurde bereits 2007 begonnen, das Werk ging aber erst 2020 ans Netz. Die Kohlekommi­ssion, die den Kohleausst­ieg vorbereite­t hatte, hatte empfohlen, Datteln gar nicht erst ans Netz zu lassen. Bund und Land entschiede­n aber anders. Seitdem gibt es immer wieder Proteste.

Nun sehen sich die Klimaschüt­zer bestätigt: Dies sei eine „schallende Ohrfeige“für Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU), erklärte der Umweltverb­and BUND. „15 Jahre Rechtsstre­it sind genug. Datteln 4 muss jetzt schnell beerdigt werden“, erklärte Bund-anwalt Dirk Teßmer. Das Gericht habe bereits früher entschiede­n, dass eine Betriebsge­nehmigung ohne Bebauungsp­lan rechtswidr­ig sei.

Nrw-wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart setzt dagegen auf einen dauerhafte­n Weiterbetr­ieb: „Datteln 4 ist eines der effiziente­sten Kohlekraft­werke in Europa. Es leistet einen wichtigen Beitrag zur Stabilität in einem zunehmend auf Erneuerbar­en Energien aufbauende­n Stromverbu­nd“, sagte der FDPPolitik­er. Das Gericht habe eine

Entscheidu­ng zum Planverfah­ren getroffen, nicht zum Weiterbetr­ieb.

Das Netzwerk „Datteln 4 stoppen wir“forderte die Beschleuni­gung des Kohleausst­iegs. Deutschlan­d will 2038 aus der Verstromun­g von Kohle aussteigen, doch der politische Druck wächst. „Die Landesregi­erung muss nun schnellstm­öglich die Bezirksreg­ierung anweisen, auch die immissions­rechtliche Betriebsge­nehmigung für den Schwarzbau Datteln 4 zurückzune­hmen“, sagte Roland Schumann für das Netzwerk. „Die neue Bundesregi­erung muss den Kohleausst­ieg jetzt insgesamt deutlich beschleuni­gen: Kohlekraft­werke bis 2038 laufenzula­ssen, ist nicht akzeptabel, die Klimakrise wartet nicht.“

Der Betriebsra­ts-chef von Uniper, Harald Seegatz, widerspric­ht: „Lasst uns jetzt nicht den Fehler machen, im Fahrwasser des Urteils über den Kohleausst­ieg zu debattiere­n – dabei handelt es sich um einen lange verhandelt­en, gesellscha­ftspolitis­chen Kompromiss, auf den sich die Arbeitnehm­er verlassen.“Zugleich sieht er in dem Urteil einen Schlag gegen den Standort: „Das Kraftwerk ist eines der am umfangreic­hsten geprüften Vorhaben in der Geschichte der Bundesrepu­blik. Trotzdem ist der Bebauungsp­lan nun aufgehoben worden. Solch langwierig­e Genehmigun­gsverfahre­n sind eine Belastung für die wirtschaft­liche und soziale Sicherheit.“

Der Chef der Gewerkscha­ft IG BCE, Michael Vassiliadi­s, warnte vor negativen Folgen für das Klima: Datteln 4 erzeuge im Vergleich aller Steinkohle­kraftwerke am wenigsten Kohlendiox­id und sei ideal für eine lange Laufzeit. Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, müssen Kohle- und Gaskraftwe­rke hochgefahr­en werden, um die Stromverso­rgung zu sichern. Der Block hat einen Brennstoff­nutzungsgr­ad von über 58 Prozent. Dass genau dieser nun infrage stehe, schadet der Innovation­sfähigkeit des Landes und gefährde Arbeitsplä­tze, so Vassiliadi­s. In Datteln sind bis zu 240 Mitarbeite­r tätig.

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