Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Afghanistan gehört nicht in den Wahlkampf
Auch kurz nach dem Ende der militärischen Evakuierungsmission in Afghanistan geht der Wahlkampf mit der humanitären Katastrophe offenkundig weiter. Die Forderung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nach schärferen Grenzkontrollen fällt in diese Kategorie. Schließlich koppelte er seinen Vorstoß in der „Bild am Sonntag“an die Bedingung einer „neuen, großen Fluchtbewegung aus Afghanistan, Syrien und Irak“. Doch die ist vorerst noch gar nicht Realität. Die Grenzen sind weitgehend dicht, die Taliban haben kein Interesse an einer Massenflucht aus Afghanistan, und die Fluchtrouten nach Europa, speziell nach Deutschland, sind alles andere als offen.
Horst Seehofer kann unterstellt werden, Kenntnis von der Lage zu haben. Als Bundesinnenminister sollte er wissen, welche Fluchtbewegungen tatsächlich zu verzeichnen sind, welche Grenzen insbesondere in östlichen Staaten der Europäischen Union dicht sind. Derzeit kommt kaum jemand auf anderem Wege als per Flugzeug aus Afghanistan und seinen Nachbarländern zu uns.
Natürlich dürfen verurteilte Straftäter und bereits Abgeschobene nicht wieder einreisen. Flugpassagiere werden aber selbstverständlich kontrolliert, Papiere und Visa werden geprüft. Die weitaus schwerer zu kontrollierenden Grenzübergänge und innereuropäischen Züge sind so gut wie nicht betroffen. Von Grenzkontrollen zu diesem Zeitpunkt zu sprechen, ist also das falsche Signal. Es schürt Angst, bedient Reflexe am rechten Rand. Und lenkt ab von der Aufgabe, die nun eigentlich vor dem Bundesinnenminister liegt: mehr Menschen aus Afghanistan zu retten, die für Deutschland – und auch für das Bundesinnenministerium – gearbeitet haben oder die wegen anderer Umstände schutzbedürftig sind.
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