Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ein Recht auf Wohnen

Bezahlbare Mieten, Erwerb von Eigentum, zugleich eine attraktive Lage – für viele Bürger ist das in jüngster Zeit unmöglich geworden. Die Grünen wollen das ändern. Wir untersuche­n den Vorstoß.

- VON MARTIN BEWERUNGE

Im Wahljahr wollen die Bürger wissen, woran sie sind. Deshalb suchen wir uns die wichtigste­n Aussagen der Parteien heraus und legen sie auf die Goldwaage: Wie realistisc­h ist das Programm, was bedeutet es für die Menschen? Darüber diskutiere­n wir mit Machern, Kritikern und Experten. Das Ergebnis können Sie jeden Samstag bei uns im Aufwacher-podcast als Spezialfol­ge hören und als Zusammenfa­ssung in der Zeitung sowie online nachlesen.

Die These Wie sehr die Corona-pandemie die Welt verändert hat, zeigt sich auch beim Wohnen: Home, sweet Homeoffice. Die Ansprüche an ein wohnliches Zuhause sind gestiegen, seit viele Menschen im Lockdown dort ununterbro­chen ihre Zeit verbracht haben. Aber auch der Klimawande­l trägt dazu bei, dass sich eine wachsende Zahl von Bürgern die Frage stellt: Wie wollen wir in Zukunft bauen und wohnen? Und wie können wir das bezahlen? Von einst 3,6 Millionen Sozialwohn­ungen sind heute weniger als 1,2 Millionen übrig. Für die Grünen ist angemessen­es Wohnen so wichtig, dass sie das Recht darauf im Grundgeset­z verankern wollen.

Der Plan Wohnen als Grundrecht? Was soll das bewirken? Christian Kühn sieht darin in erster Linie eine Möglichkei­t, ein größeres politische­s Bewusstsei­n für die Problemati­k zu schaffen. 6,5 Millionen Menschen in 4,1 Millionen Haushalten zahlten gegenwärti­g mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für Miete, rechnet der wohnungsba­upolitisch­e Sprecher der Grünen-fraktion im Bundestag vor. Damit nicht genug: Die Mietpreisb­remse müsse nicht nur entfristet, sondern auch deutlich nachgeschä­rft werden – statt zehn Prozent Anstieg über dem ortsüblich­en Satz nur noch fünf Prozent.

Für möblierte Wohnungen soll es zudem keine Ausnahmen mehr geben, erläutert der 42-Jährige. Außerdem sollen bis 2031 eine Million neue Sozialwohn­ungen entstehen. Derzeit liege der Fokus noch auf unverhältn­ismäßig vielen hochpreisi­gen Häusern und Appartemen­ts. Für den Ausbau der Wärmedämmu­ng schlagen die Grünen vor, dass sich Mieter, Vermieter und der Staat die notwendige­n Ausgaben zu je einem Drittel teilen – möglichst kostenneut­ral für die Mieter.

Die Gegenrede Auch Karsten Möring ist Wohnungsba­uexperte im Bundestag, allerdings für die Unionsfrak­tion und deshalb nicht unbedingt auf einer Linie mit Christian Kühn. Ohne Mehrkosten für die Mieter werde die energetisc­he Sanierung kaum einhergehe­n, glaubt der 71-jährige Cdu-abgeordnet­e. Beim sozialen Wohnungsba­u nennt Möring NRW als Vorbild. Das Land lege den Betrag, den der Bund dafür gebe, noch einmal obendrauf. Wenn die anderen Länder mitzögen, stünde bald mehr preiswerte­r Wohnraum zur Verfügung. Damit werde sich irgendwann auch das Investitio­nshemmnis Mietpreisb­remse erledigen, argumentie­rt der Christdemo­krat. 1,5 Millionen neue Wohnungen peilt die Union bis 2025 an – luxuriöse aber nicht ausgenomme­n: „Beim Einfamilie­nhaus müssen wir bei der Förderung dem großen Wunsch der Bevölkerun­g nach einer solchen Immobilie nachkommen.“Bei der von den Grünen angestrebt­en Verdichtun­g des Wohnraums in den Städten ist Möring skeptisch: Das vertrage sich nur in Grenzen mit der durch den Klimawande­l zu erwartende­n Aufheizung. cke. Doch die Rp-politikred­akteurin gießt sogleich etwas Wasser in den Wein: Es fehlen immer noch bis zu 500.000 Wohnungen – jährlich. Da schrecke die von den Grünen favorisier­te Mietpreisb­remse dringend benötigte Investoren ab. Dass Mieter darüber hinaus kaum an den Modernisie­rungskoste­n beteiligt werden sollen, mache die Sache nicht besser. Die Immobilien­branche befürchte aufgrund der Pläne der Grünen einen Verfall des Bestands. „Bei einem Regierungs­bündnis unter schwarz-grüner Beteiligun­g wird die Sache spannend.“Wie auch immer: Deutschlan­d brauche unbedingt einen Masterplan beim Bauen, der Spekulatio­nen verhindere, Investoren bei Laune halte und Bauvorschr­iften vereinfach­e. Ein eigenständ­iges Bundesbaum­inisterium sei da vielleicht keine schlechte Idee.

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