Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Stachelig, schmackhaft, hochgiftig
Der Indische Rotfeuerfisch fasziniert Unterwasserfotografen und Schnorchler, Meeresbiologen bereitet er dagegen Sorgen. Immer schneller breitet sich der Tropenfisch im Mittelmeer aus und hat nun selbst die Adria erreicht.
BELGRAD/SPLIT Fischen ist der kroatische Unterwasserfotograf Damir Zurub in allen Formen und Farben begegnet. Doch ungewohnt aufgeregt vermeldete der erfahrene Berufstaucher Mitte August die erstmalige Ablichtung eines gestreiften Eindringlings in heimischen Gewässern vor der Insel Vis. „Dies sind die ersten Bilder der vermutlich ersten Begegnung mit dem Indischen Rotfeuerfisch in der Adria“, kommentierte er bei Facebook die Fotos der Unterwasserpremiere.
Taucher und Schnorchler sind von dem stacheligen Eindringling fasziniert, Meeresbiologen wegen der feurigen Invasion im Mittelmeer zunehmend besorgt: Immer schneller breitet sich der hochgiftige, aus dem Roten Meer über den Suezkanal eingewanderte Tropenfisch im Mittelmeer aus. Weiß-rotbraune Streifen und lange, hochgiftige Flossenstacheln sind die Kennzeichen des im Indischen Ozean und im Roten Meer beheimateten Rotfeuerfisches.
In Aquarien gilt der nachtaktive Räuber wegen seiner drachenartigen Erscheinung als Attraktion. Biologen und Fischer fürchten die Meeresschönheit hingegen als Bedrohung für das Ökosystem: In der Karibik, in der sich die Feuerfische seit 1992 massiv ausgebreitet haben, hat ihr Vormarsch eine drastische Reduzierung der ursprünglichen Riffbewohner zur Folge. Über erste Einzelexemplare, die sich ins Mittelmeer verirrt hatten, berichteten israelische Fischer schon 1992. Doch erst seit 2012 wurde der gefräßige Räuber vermehrt zunächst vor den Küsten des Libanon und Israels im östlichen Mittelmeer gesichtet. In den vergangenen Jahren versuchten auch die Türkei, Zypern und Griechenland, den sich – auch wegen des Mangels an natürlichen Feinden – rasch vermehrenden Eindringling gezielt per Taucherharpune zu bejagen: Denn Rotfeuerfische sind nicht nur schön, sondern auch äußerst schmackhaft.
Heftige Schmerzen, Erbrechen und in seltenen Fällen auch Atemstillstand kann der für Menschen normalerweise nicht tödliche Stachelstich des Rotfeuerfischs auslösen. Obwohl auch schon Griechenland-touristen nach unfreiwilligen Begegnungen mit dem MittelmeerNeubewohner mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, scheint der Adria-neuling in erster Linie eine Bedrohung für andere Meeresbewohner. Als „giftig und schädlich“umschreibt die Zeitung „Slobodna Dalmacija“im kroatischen Split den „Räuber, der alles um sich herum vernichtet“.
Tatsächlich scheint der feurige Vormarsch angesichts des Klimawandels und steigender Meerestemperaturen kaum mehr zu stoppen. Zyprische und türkische Fischer klagen bereits über spürbare Fangeinbußen. Das Ozean- und Fischerei-institut in Split empfiehlt derweil die indirekte Stärkung des Ökosystems gegen die ungewollte Bio-invasion. Es habe sich gezeigt, dass im Mittelmeer zumindest die Tintenfische den frisch geschlüpften Nachwuchs der Rotfeuerfische als Nahrung zu schätzen wüssten: „In Zukunft könnte es nützlich sein, zum Erhalt ihres Bestands weniger die Tintenfische als die viel schmackhafteren Rotfeuerfische zu befischen.“