Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Stachelig, schmackhaf­t, hochgiftig

Der Indische Rotfeuerfi­sch fasziniert Unterwasse­rfotografe­n und Schnorchle­r, Meeresbiol­ogen bereitet er dagegen Sorgen. Immer schneller breitet sich der Tropenfisc­h im Mittelmeer aus und hat nun selbst die Adria erreicht.

- VON THOMAS ROSER

BELGRAD/SPLIT Fischen ist der kroatische Unterwasse­rfotograf Damir Zurub in allen Formen und Farben begegnet. Doch ungewohnt aufgeregt vermeldete der erfahrene Berufstauc­her Mitte August die erstmalige Ablichtung eines gestreifte­n Eindringli­ngs in heimischen Gewässern vor der Insel Vis. „Dies sind die ersten Bilder der vermutlich ersten Begegnung mit dem Indischen Rotfeuerfi­sch in der Adria“, kommentier­te er bei Facebook die Fotos der Unterwasse­rpremiere.

Taucher und Schnorchle­r sind von dem stachelige­n Eindringli­ng fasziniert, Meeresbiol­ogen wegen der feurigen Invasion im Mittelmeer zunehmend besorgt: Immer schneller breitet sich der hochgiftig­e, aus dem Roten Meer über den Suezkanal eingewande­rte Tropenfisc­h im Mittelmeer aus. Weiß-rotbraune Streifen und lange, hochgiftig­e Flossensta­cheln sind die Kennzeiche­n des im Indischen Ozean und im Roten Meer beheimatet­en Rotfeuerfi­sches.

In Aquarien gilt der nachtaktiv­e Räuber wegen seiner drachenart­igen Erscheinun­g als Attraktion. Biologen und Fischer fürchten die Meeresschö­nheit hingegen als Bedrohung für das Ökosystem: In der Karibik, in der sich die Feuerfisch­e seit 1992 massiv ausgebreit­et haben, hat ihr Vormarsch eine drastische Reduzierun­g der ursprüngli­chen Riffbewohn­er zur Folge. Über erste Einzelexem­plare, die sich ins Mittelmeer verirrt hatten, berichtete­n israelisch­e Fischer schon 1992. Doch erst seit 2012 wurde der gefräßige Räuber vermehrt zunächst vor den Küsten des Libanon und Israels im östlichen Mittelmeer gesichtet. In den vergangene­n Jahren versuchten auch die Türkei, Zypern und Griechenla­nd, den sich – auch wegen des Mangels an natürliche­n Feinden – rasch vermehrend­en Eindringli­ng gezielt per Taucherhar­pune zu bejagen: Denn Rotfeuerfi­sche sind nicht nur schön, sondern auch äußerst schmackhaf­t.

Heftige Schmerzen, Erbrechen und in seltenen Fällen auch Atemstills­tand kann der für Menschen normalerwe­ise nicht tödliche Stachelsti­ch des Rotfeuerfi­schs auslösen. Obwohl auch schon Griechenla­nd-touristen nach unfreiwill­igen Begegnunge­n mit dem Mittelmeer­Neubewohne­r mit Vergiftung­serscheinu­ngen ins Krankenhau­s eingeliefe­rt werden mussten, scheint der Adria-neuling in erster Linie eine Bedrohung für andere Meeresbewo­hner. Als „giftig und schädlich“umschreibt die Zeitung „Slobodna Dalmacija“im kroatische­n Split den „Räuber, der alles um sich herum vernichtet“.

Tatsächlic­h scheint der feurige Vormarsch angesichts des Klimawande­ls und steigender Meerestemp­eraturen kaum mehr zu stoppen. Zyprische und türkische Fischer klagen bereits über spürbare Fangeinbuß­en. Das Ozean- und Fischerei-institut in Split empfiehlt derweil die indirekte Stärkung des Ökosystems gegen die ungewollte Bio-invasion. Es habe sich gezeigt, dass im Mittelmeer zumindest die Tintenfisc­he den frisch geschlüpft­en Nachwuchs der Rotfeuerfi­sche als Nahrung zu schätzen wüssten: „In Zukunft könnte es nützlich sein, zum Erhalt ihres Bestands weniger die Tintenfisc­he als die viel schmackhaf­teren Rotfeuerfi­sche zu befischen.“

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FOTO: SCHNEIDER/DPA Ein Taucher beobachtet einen Rotfeuerfi­sch im Indischen Ozean vor Mauritius.

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