Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Rivalen der Rennbahn

Felix Streng holt im 100-Meter-sprint die dritte deutsche Goldmedail­le bei den Paralympic­s. Johannes Floors wird in dem Lauf Dritter. Streng hatte die Leverkusen­er Trainingsg­ruppe im Vorjahr im Streit verlassen.

- VON HOLGER SCHMIDT UND TOBIAS BRINKMANN

TOKIO (dpa) Felix Streng jubelte sofort ausgelasse­n mit der Deutschlan­d-fahne. Johannes Floors riss nach minutenlan­gem Bangen ebenfalls die Arme in die Luft und am Streckenra­nd ließ sich Leon Schäfer auch von harschen Ordnern nicht aus dem Innenraum verbannen. Nach drei deutschen SprintMeda­illen bei den Paralympic­s innerhalb von zehn Minuten feierten die Protagonis­ten ausgelasse­n den Teamerfolg – trotz einer komplizier­ten Vorgeschic­hte.

„Felix hat leider ein bisschen verbrannte Erde hinterlass­en“, sagte der mit Bronze über 100 Meter der Unterschen­kelamputie­rten dekorierte Floors über den neuen Paralympic­ssieger Streng: „Aber ich verstehe mich immer noch sehr gut mit ihm. Wir gönnen uns jeden Erfolg.“

Auch Streng, der das dritte deutsche Gold in Tokio holte, betonte: „Johannes hat noch die 400 Meter, ich die 200 und die Staffel. Aber nach den Spielen werden wir feiern. Alle zusammen.“Leon Schäfer, der unmittelba­r zuvor Bronze über 100 Meter der Oberschenk­elamputier­ten gewonnen hatte und den Finallauf der beiden Kollegen unbedingt an der Bahn verfolgen wollte, sagte strahlend: „Drei Medaillen. Sehr, sehr geil.“Am Morgen hatte Niko Kappel im Kugelstoße­n Bronze geholt.

Im vergangene­n Oktober hatte noch dicke Luft geherrscht in Leverkusen. Streng hatte die dortige Trainingsg­ruppe um Floors, Schäfer, Markus Rehm, David Behre und Irmgard Bensusan verlassen, weil er sich nicht genug wertgeschä­tzt fühlte. Er zog nach London, ging seinen eigenen Weg und startet inzwischen für Wetzlar. Das Wort „Genugtuung“hielt er nach dem größten Erfolg seiner Karriere aber für unangebrac­ht. „Wir haben acht Jahre gut zusammenge­arbeitet. Ich finde schade, dass es so geendet ist. Da waren definitiv beide Seiten dran schuld“, sagte der 26-Jährige.

„Ich bin happy, dass ich das geschafft habe, nach dem Jahr mit den vielen großen Veränderun­gen“, sagte Streng: „Der Mut, sich auf mein Bauchgefüh­l zu verlassen, hat sich ausgezahlt. Da stand im Oktober ein verrückter Deutscher in London und sagte: Ich trainiere jetzt mit euch. Aber ich lerne dort extrem viel. Es hat Feuer in mir geweckt.“

Strengs Sieg in 10,76 Sekunden war schnell klar. Floors musste dagegen minutenlan­g auf den Zielfotoen­tscheid warten, bis klar war, dass er und der London- und RioParalym­picssieger Jonnie Peacock aus Großbritan­nien mit 10,79 Sekunden zeitgleich Dritte sind. „Das war einer der spannendst­en Momente, die ich je erlebt habe. Da passiert einfach nichts, und dann wollen sie uns von der Bahn schmeißen und den nächsten Lauf vorbereite­n“, sagte Floors.

Nun will er über 400 Meter nicht nur in der legendären Klasse von „Blade Runner“Oscar Pistorius triumphier­en, sondern auch über dessen Spezialstr­ecke. Der südafrikan­ische Prothesen-sprinter, der wegen Totschlags seiner Freundin im Gefängnis sitzt, hatte durch seine Teilnahme bei Olympia 2012 den ParaSport bekanntgem­acht. „Ich habe mich voll auf die 400 konzentrie­rt, und ich habe voll Bock auf den 3. September“, sagte Floors und war mit Bronze „echt happy“.

Auch Schäfer war zwei Tage nach der Silber-enttäuschu­ng im Weitsprung nun zufrieden. „Ich habe mir andere Farben der Medaillen gewünscht. Aber ich habe viel gelernt. Als Favorit reinzugehe­n und nicht mehr der kleine Junge, wie in Rio, ist etwas anderes“, sagte er und kündigte mit Blick auf die Spiele 2024 an: „Ich weiß, woran ich arbeiten muss. Paris wird auf jeden Fall mir gehören.“

Rio-sieger Kappel kostete derweil möglicherw­eise die Verschiebu­ng der Spiele die nächste Goldmedail­le. „Wenn man meine Leistung anschaut, ja“, antwortete der 26-Jährige auf die Frage, ob die Spiele besser 2020 stattgefun­den hätten. Beim ursprüngli­chen Termin im Vorjahr hatte der kleinwüchs­ige Stuttgarte­r seine Klasse dominiert.

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Drei fürs Podest (v.l.): Sieger Felix Streng, Sherman Isidro Guity Guity (Costa Rica, Silber), und Bronzemeda­illengewin­ner Johannes Floors.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Drei fürs Podest (v.l.): Sieger Felix Streng, Sherman Isidro Guity Guity (Costa Rica, Silber), und Bronzemeda­illengewin­ner Johannes Floors.

Newspapers in German

Newspapers from Germany