Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Wir müssen mit den Taliban reden“
Außenminister Heiko Maas sucht in Katar Möglichkeiten, Kontakt zu den neuen Machthabern in Afghanistan aufzunehmen und Gesprächskanäle aufzubauen.
DOHA Als Heiko Maas aus der Regierungsmaschine „Konrad Adenauer“steigt, empfangen ihn 38 Grad Wüstenhitze. Maas ist jetzt dort, wo die politische Führung der Taliban ihren Sitz hat: Doha, Hauptstadt des Golfstaates Katar. Es geht um Frieden und Ausreisen aus Afghanistan. Offiziell spricht er in Katar mit Außenminister Scheich Mohammed bin Abdulrahman bin Jassan AlThani. Für Gespräche mit den Taliban unterhalb der Ministerebene hat die Bundesregierung Botschafter Markus Potzel am Ort. Potzel ist der Mann, der eigentlich den Botschafterposten in der afghanischen Hauptstadt Kabul übernehmen sollte. Aber dann kamen die Taliban. Jetzt verhandelt der deutsche Diplomat, der Dari spricht und vier Jahre im Iran auf Station war, mit den Taliban. Und er wähnt sich in keiner schlechten Verhandlungsposition, weil er spürt, dass auch die Taliban eines Tages Geld und Hilfe aus dem Westen, auch aus Deutschland, brauchen.
Im Golfstaat Katar haben die Religionskrieger mit der Us-regierung des damaligen Präsidenten Donald Trump jenes Abkommen ausgehandelt, das die Regierung von Joe Biden letztlich übernahm und nur den Abzug um einige Wochen nach hinten schob. Auch deshalb muss Maas am Golf Präsenz zeigen, wo die Regierung in Katar einen ausgesprochen privilegierten Zugang zu den Taliban pflegt. Und umgekehrt. Ein Gesprächskanal, von dem auch Deutschland und die USA profitieren könnten, wollen sie ihre Leute noch sicher raus aus Afghanistan bringen. Maas hat in den vergangenen Tagen immer wieder betont, dass man nun, nach Ende der Evakuierung, mit zahlreichen Partnern und, „ja, auch mit den Taliban reden“müsse. Sein pakistanischer Amtskollege Shah Mahmood Qureshi hatte noch gesagt: „Jedes Treffen hilft, sich besser zu verstehen.“Qureshi spielte damit zwar auf insgesamt drei persönliche Gespräche – Auge in Auge – mit Maas innerhalb kurzer Zeit an. Aber die Taliban zu verstehen, kann auch nicht schaden, wenn man einen Exodus aus Afghanistan vermeiden und noch deutsche Staatsbürger wie Ortskräfte dort herausholen und nach Deutschland bringen will.
Maas und Al-thani formulieren bei ihrem gemeinsamen Auftritt klare Erwartungen an die Taliban. Der katarische Außenminister spricht von einer „friedlichen Übergabe der Macht“und von einer „inklusiven, erweiterten Regierung mit allen Bevölkerungsgruppen“, die die Taliban in Kabul sicherstellen müssten. Er mahnt aber auch die internationale Gemeinschaft, die Religionskrieger nicht in die Enge zu treiben und betont: „Isolieren ist keine Option.“Maas macht auch auf dieser Station seiner Reise deutlich: „Es führt überhaupt kein Weg vorbei an Gesprächen mit den Taliban.“
Ein funktionierender Gesprächskanal muss her.
Ob die Bundesregierung die Taliban nicht anerkennen wollte, wird der deutsche Außenminister von einem arabischen Journalisten gefragt. Maas will nicht. „Wir beschäftigen uns nicht mit formalen Anerkennungsfragen.“Die internationale Staatengemeinschaft erwarte von der neuen Regierung in Kabul „gewisse Voraussetzungen“, so Maas. Dazu zählten: Einhaltung der Menschenrechte, Möglichkeit der Ausreise und kein Unterschlupf für Terrororganisationen. „Wenn es politisch möglich wäre und wenn die Sicherheitslage es erlaubt, dann sollte auch Deutschland in Kabul wieder eine eigene Botschaft haben.“Das wäre dann wieder der offizielle Draht. Vorerst aber werden informelle Kontakte und Gesprächskanäle gesucht. Es ist die Zeit der Kanalarbeiter. Es muss tief gegraben werden bei der Suche nach Kompromissen und verlässlichen Zusagen. In Doha und in Kabul.