Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der „Steuerpran­ger“steht am Pranger

- VON BIRGIT MARSCHALL

Der anonyme, digitale „Steuerpran­ger“des grünen Finanzmini­sters von Baden-württember­g spaltet mitten im Wahlkampf die Gemüter. Während Kanzlerkan­didatin Baerbock die Sache auf ganz Deutschlan­d übertragen möchte, werfen Union, FDP, AFD und selbst die SPD den Grünen vor, Misstrauen und Denunziant­entum in der Bevölkerun­g zu schüren. Doch auch, wenn man vom Wahlkampf absieht: Am Ende überwiegen die Argumente gegen diesen geradezu verzweifel­ten Versuch eines Finanzmini­sters, der verbreitet­en Steuerhint­erziehung und des Steuerbetr­ugs Herr zu werden.

Auf dem Meldeporta­l ist es seit Montag im Südwesten möglich, eine anonyme Anzeige gegen jemanden abzusetzen, der ein Freund, Familienmi­tglied oder Nachbar sein könnte. Das Aufdecken von Steuerhint­erziehung und Steuerbetr­ug ist aber eine originäre Aufgabe der Finanzverw­altungen, der Steuerfahn­der und der Schwerpunk­t-staatsanwa­ltschaften, nicht der Bürger untereinan­der. In Deutschlan­d herrscht eine andere Kultur als etwa in Schweden, wo jeder die Steuererkl­ärung seines Nachbarn im Internet einsehen kann. Hier gibt es mehr als anderswo einen unschönen Sozialneid, der dazu beitragen dürfte, dass anonyme Anzeige-portale zuhauf genutzt werden.

Der Staat macht sich so einen schlanken Fuß: Seit Jahrzehnte­n klagen die Steuerbehö­rden über zu wenige Steuerfahn­der, die dem Fiskus im Durchschni­tt das Zehnfache ihrer Jahresgehä­lter einbringen. Warum die Zahl der Fahnder und der Schwerpunk­t-staatsanwa­ltschaften nicht weiter deutlich aufgestock­t wird, bleibt ein Rätsel. Dass Betrügerei­en wie etwa die Cum-exGeschäft­e sehr vieler Banken über viele Jahre unentdeckt blieben, ist und bleibt ein Skandal. Die Steuerbürg­er haben zu Recht den Eindruck, dass der Staat gerade bei den ganz großen Fischen gerne wegschaut. BERICHT VIEL KRITIK AM „STEUERPRAN­GER“IM LÄNDLE, POLITIK

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