Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Das Darknet ist ein Disneyland für Erwachsene“

-

WESEL (CS) Es ließ einen erschauder­n, was die Staatsanwä­ltin am Donnerstag im Amtsgerich­t aus der Anklagesch­rift vorlas. Einem 31-jährigen Weseler wird darin vorgeworfe­n, über 1700 Bilddateie­n und über 500 Videos kinder- und jugendporn­ografische­n Inhalts gespeicher­t zu haben. Bei einer Wohnungsdu­rchsuchung im Februar fand die Polizei die Dateien auf seinem PC, auf zwei Handys und vier Festplatte­n. Zu sehen waren darauf Mädchen zwischen drei und 17 Jahren, beim Oral- und Geschlecht­sverkehr und zur Penetratio­n gezwungen. Auf einer Bilddatei war ein Säugling zu sehen, dem eine Plastiktüt­e über den Kopf gestülpt war und der zudem noch einen Strick um seinen Hals hatte.

Michael E., der als Fachlageri­st arbeitet und zu seinen eigenen beiden Kindern im Alter von zehn und elf Jahren nur noch sporadisch­en Kontakt hat, räumte die Vorwürfe gegen ihn komplett ein. Er sei im Darknet unterwegs gewesen und hatte dort

Kontakt mit Menschen, die einen mehr zu Untaten verleiten würden, als einem lieb sein könne. „Man wird angestache­lt“, sagte er. Das Darknet sei ein „Disneyland für Erwachsene“, wo man auch historisch­e Quellen beispielsw­eise über Reden von Hitler und Goebbels fände.

Ein Reichsbürg­er sei er aber keinesfall­s, sagte E., vielmehr sei er ein Mensch, „der sich nach einer Zeit sehnt, in der Ordnung herrschte, wie bei Friedrich dem Großen.“Im Darknet fände man sogar Bauanleitu­ngen für Sprengsätz­e. Er sei dort allerdings eher unterwegs gewesen, um herauszufi­ltern, wie andere denken. Aus den vielen Quellen könne man sich ja seine Meinung bilden. „Es muss ja nicht alles stimmen, was in den Geschichts­büchern steht.“Richter Ralph Neddermeye­r sprach dem Darknet eine große Gefährlich­keit zu – und lenkte das Thema schnell wieder auf die Kinderporn­ografie. Die Staatsanwä­ltin wunderte sich darüber, dass der Angeklagte eine derartig große Menge an Dateien herunterge­laden und auch gespeicher­t habe. „Nur, weil sie dazu angestache­lt wurden?“Eine Version, dem auch der Richter nicht folgen konnte.

Michael E. räumte ein, dass er einige kinderporn­ografische Dateien in einem Ordner mit dem englischen Namen „bad“(schlecht, böse“) gespeicher­t habe. „Wenn Sie die Dateien nicht löschen, können Sie die doch immer wieder angucken“, entgegnete der Richter. Wegen der Vielzahl an Dateien forderte die Staatsanwä­ltin zwei Jahre Freiheitss­trafe auf Bewährung, dazu eine Zahlung von 1000 Euro an der Kinderschu­tzbund. Sie erkenne beim Angeklagte­n kein Unrechtsbe­wusstsein. Allerdings habe er keinerlei Vorstrafen. Deshalb bat auch der Rechtsanwa­lt von Michael E. um ein mildes Urteil. „Aus Naivität habe ich Schlechtes getan, das will ich wieder gut machen“, sagte der Angeklagte abschließe­nd.

Doch das Urteil war eindeutig, auch wenn das Gericht unter der Forderung der Staatsanwa­ltschaft blieb. Michael E. wurde zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und muss hinter Gitter. Als positiv wertete das Gericht, dass Michael E. geständig sei und keine Vorstrafen hatte. Demgegenüb­er stehe die große Menge an Dateien. Zudem zeige der Angeklagte keine Reue, keine Einsicht, kein Unrechtsbe­wusstsein. „Und natürlich werden Sie es wieder tun.“Der Rechtsanwa­lt kündigte indes an, in Berufung gehen zu wollen.

 ?? FOTO: SILAS STEIN/DPA ?? Michael E. war im Darknet unterwegs.
FOTO: SILAS STEIN/DPA Michael E. war im Darknet unterwegs.

Newspapers in German

Newspapers from Germany