Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kirchenbau gegen die Epidemie
Die Bürger von Venedig kannten sich aus mit dem
„Schwarzen Tod“. Pest-epidemien hatten die Stadt immer wieder heimgesucht: zwischen 1348 und 1575 war die gefürchtete Krankheit mehr als 20 Mal über Venedig hereingebrochen. Besonders dramatisch verlief die Pest-epidemie der Jahre 1630/31. In 18Monaten starben rund 46.000 der 140.000 Einwohnern. Die Seuche kam meist mit dem Schiff. Als große Handelsmetropole wurde Venedig stets von Handelsschiffen aus aller Welt angelaufen – die Pest war oft mit an Bord. Trotz vieler Maßnahmen, wie der Einrichtung einer Lazarett- und einer Quarantäneinsel gelang es nicht, die Seuche ganz von der Stadt fernzuhalten. Viele sahen es als Strafe Gottes, wenn die Krankheit ein weiteres Mal unter den Einwohnern wütete. Deshalb erbaten die Menschen auch geistlichen Beistand, um die Krankheit einzudämmen. Man traf sich zum Gebet, feierte eine Messe oder legte ein gemeinschaftliches Gelübde ab, versprach zum Beispiel die Abhaltung einer Prozession oder die Errichtung eines neuen Altars. Als ab 1575 eine der am längsten anhaltenden Pestwellen die Stadt in ihrem Bann hielt, versprachen die Venezianer am 4. September 1576 gleich den Bau einer ganzen Kirche. Im folgenden Jahr wurde mit dem Bau der Kirche Il Redentore auf der Insel Giudecca begonnen. Zu dem Gelübde gehörte auch das Versprechen, künftig jedes Jahr eine Prozession zu Ehren des Erlösers abzuhalten. Diese Prozession fand im Frühjahr 1577 zum ersten Mal statt. Im Sommer desselben Jahres war die Pest verschwunden. Bis heute prägt die Festa de Redentore den Jahreskalender von Venedig. Sie wird am dritten Sonntag im Juli gefeiert.