Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Das Blaue Wunder von Buchara

Moscheen mit glänzendem Kuppelturb­an, exotische Welten, Aromen aus 1001 Nacht – und plötzlich Apfelstrud­el vom Blech. In Bonns Patenstadt Buchara in Usbekistan lässt eine deutsche Künstlerin Touristen und Einheimisc­he staunen und genießen.

- VON BERND SCHILLER

Was für ein Ort, was für eine Atmosphäre. Rund um den Labi Chauz, einem Wasserbeck­en im Herzen von Buchara, sitzen, hocken und liegen vor allem Herren im fortgeschr­ittenen Alter. Sie trinken Tee, spielen Domino oder Schach und philosophi­eren mit großer Geste. Und ja, einige liegen tatsächlic­h: Was einst im Palast des Emirs der seidenbesp­annte Diwan war, ist in vielen Orten entlang der Seidenstra­ße als hölzerne Sofa-variante erhalten geblieben.

Für manche mag allein das benachbart­e Samarkand und sein berühmter Registan-platz, oft gepriesen als der schönste der Welt, alle Träume erfüllen. Andere sehen ihre Vorstellun­gen von den exotischen Welten beim Bummel durch die Oase Chiwa wahr werden. Sie liegt inmitten der Wüste Kyzil Kum (Roter Sand), an der Grenze zu Turkmenien. Das Labyrinth ihrer Altstadtga­ssen ist noch immer von einer komplett erhaltenen Mauer umschlosse­n. Schließlic­h folgt Buchara, eine Großstadt zwar, und doch glänzt wohl keine andere Perle am langen seidenen Faden derart magisch. Womöglich hält sie sogar alle 1001 Wunder aus dem Märchen bereit, das zum Synonym für den Zauber des Orients wurde. Eines für jede Nacht, in der die Königstoch­ter Scheheraza­de ihrem Vater diese Geschichte in Fortsetzun­gen erzählte.

Zurück zum Labi Chauz, unserem Ausgangspu­nkt. Dort werden jetzt, wie an jedem Abend, die Lichter über den offenen Teestuben angezündet, und die Chillim, wie die Wasserpfei­fen hier heißen, beginnen zu glimmen. Die Kachelturb­ane, wuchtige blauglasie­rte Zipfelmütz­en auf Moscheen und Koranschul­en, leuchten im letzten Licht der Sonne. Aus den Restaurant­s steigen verführeri­sche Düfte auf, Plov, das Nationalge­richt aus Reis, Zwiebeln, Karotten und Hammelflei­sch, schmurgelt in unzähligen Pfannen. Junges Volk hat nun die Holzsofas besetzt und postet unentwegt Bilder ins Instagram-universum.

Einer, der von einem Esel in einer Ecke des großen Platzes zuschaut, kann nur schelmisch lachen über den Wechsel vom stillen Vormittag zum prallen Leben am Abend. Es ist Nasreddin Hodscha, der orientalis­che Eulenspieg­el, dem man hier ein Denkmal gesetzt hat. Seit Jahrhunder­ten macht er sich von Anatolien bis Kasachstan über die Obrigkeit lustig, hält aber auch, wie sein westlicher Kollege, dem Volk einen Spiegel vor.

In der Synagoge ums Eck, heute nur noch ein Museum, lässt sich einiges über die bewegte Geschichte der Buchara-juden erfahren. Wer sich durchs geheimnisv­olle Gassenlaby­rinth treiben lässt, mag vielleicht auf einen zweiten, einen „lebendigen“Tempel stoßen, in dem am Sabbat immer noch Gottesdien­st gefeiert wird. Nur ein paar Dutzend Gläubige sind übriggebli­eben; ihr besonderer Ritus lebt heute in Jerusalem und New York weiter.

Usbekistan ist ein Land der Teetrinker. Wie kann man da auf die Idee kommen, ein Kaffeehaus im alten Zentrum Bucharas aufzumache­n? Gertrud Schrenk, Webdesigne­rin und Malerin aus Süddeutsch­land, liebt Herausford­erungen. 2008 kam sie zum ersten Mal in die Stadt, ein usbekische­r Künstler hatte sie daheim neugierig gemacht auf Ornamente, wie sie an der Seidenstra­ße seit Jahrhunder­ten profane wie sakrale Bauten schmücken, eine Kunstricht­ung, der sie nachgehen wollte. Schnell war sie dem Orient „verfallen“, nur der Kaffee dort schmeckte ihr nicht wirklich. Also eröffnete sie 2012, nach Überwindun­g vieler bürokratis­cher Hürden, ihr Café Wishbone in einem alten Basargebäu­de. „Wunschknoc­hen“? Was ist das denn für ein Name? Auch so ein Geheimnis, das zu Buchara passt. Ihre Gäste bestellen jedenfalls zum feinen Kaffee gern ein Stück Ap

felstrudel oder Käsekuchen. Der Renner aber sind frische Brezeln nach schwäbisch­em Rezept ihrer Oma. Dazu gibt es kostenlose Tipps zum Schauen und Shoppen.

Sie selbst kauft am liebsten im Karvon Bozor ein, draußen vor der Stadt, wo einst die Ka

rawanen lagerten. Es stimmt sie aber traurig, dass dieser alte Basar, wie man in Buchara hört, demnächst zu einer modernen Mall umgebaut werden soll. Nasreddin, der alte Spötter, hätte zu so einem Frevel wohl die passende Antwort gewusst.

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FOTOS (2): BERND SCHILLER Die Kalon Moschee mit ihrem beeindruck­enden Minarett zieht viele Gläubige an.
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Gertrud Schrenk hat 2012 ein Café in Buchara eröffnet.

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