Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Das Blaue Wunder von Buchara
Moscheen mit glänzendem Kuppelturban, exotische Welten, Aromen aus 1001 Nacht – und plötzlich Apfelstrudel vom Blech. In Bonns Patenstadt Buchara in Usbekistan lässt eine deutsche Künstlerin Touristen und Einheimische staunen und genießen.
Was für ein Ort, was für eine Atmosphäre. Rund um den Labi Chauz, einem Wasserbecken im Herzen von Buchara, sitzen, hocken und liegen vor allem Herren im fortgeschrittenen Alter. Sie trinken Tee, spielen Domino oder Schach und philosophieren mit großer Geste. Und ja, einige liegen tatsächlich: Was einst im Palast des Emirs der seidenbespannte Diwan war, ist in vielen Orten entlang der Seidenstraße als hölzerne Sofa-variante erhalten geblieben.
Für manche mag allein das benachbarte Samarkand und sein berühmter Registan-platz, oft gepriesen als der schönste der Welt, alle Träume erfüllen. Andere sehen ihre Vorstellungen von den exotischen Welten beim Bummel durch die Oase Chiwa wahr werden. Sie liegt inmitten der Wüste Kyzil Kum (Roter Sand), an der Grenze zu Turkmenien. Das Labyrinth ihrer Altstadtgassen ist noch immer von einer komplett erhaltenen Mauer umschlossen. Schließlich folgt Buchara, eine Großstadt zwar, und doch glänzt wohl keine andere Perle am langen seidenen Faden derart magisch. Womöglich hält sie sogar alle 1001 Wunder aus dem Märchen bereit, das zum Synonym für den Zauber des Orients wurde. Eines für jede Nacht, in der die Königstochter Scheherazade ihrem Vater diese Geschichte in Fortsetzungen erzählte.
Zurück zum Labi Chauz, unserem Ausgangspunkt. Dort werden jetzt, wie an jedem Abend, die Lichter über den offenen Teestuben angezündet, und die Chillim, wie die Wasserpfeifen hier heißen, beginnen zu glimmen. Die Kachelturbane, wuchtige blauglasierte Zipfelmützen auf Moscheen und Koranschulen, leuchten im letzten Licht der Sonne. Aus den Restaurants steigen verführerische Düfte auf, Plov, das Nationalgericht aus Reis, Zwiebeln, Karotten und Hammelfleisch, schmurgelt in unzähligen Pfannen. Junges Volk hat nun die Holzsofas besetzt und postet unentwegt Bilder ins Instagram-universum.
Einer, der von einem Esel in einer Ecke des großen Platzes zuschaut, kann nur schelmisch lachen über den Wechsel vom stillen Vormittag zum prallen Leben am Abend. Es ist Nasreddin Hodscha, der orientalische Eulenspiegel, dem man hier ein Denkmal gesetzt hat. Seit Jahrhunderten macht er sich von Anatolien bis Kasachstan über die Obrigkeit lustig, hält aber auch, wie sein westlicher Kollege, dem Volk einen Spiegel vor.
In der Synagoge ums Eck, heute nur noch ein Museum, lässt sich einiges über die bewegte Geschichte der Buchara-juden erfahren. Wer sich durchs geheimnisvolle Gassenlabyrinth treiben lässt, mag vielleicht auf einen zweiten, einen „lebendigen“Tempel stoßen, in dem am Sabbat immer noch Gottesdienst gefeiert wird. Nur ein paar Dutzend Gläubige sind übriggeblieben; ihr besonderer Ritus lebt heute in Jerusalem und New York weiter.
Usbekistan ist ein Land der Teetrinker. Wie kann man da auf die Idee kommen, ein Kaffeehaus im alten Zentrum Bucharas aufzumachen? Gertrud Schrenk, Webdesignerin und Malerin aus Süddeutschland, liebt Herausforderungen. 2008 kam sie zum ersten Mal in die Stadt, ein usbekischer Künstler hatte sie daheim neugierig gemacht auf Ornamente, wie sie an der Seidenstraße seit Jahrhunderten profane wie sakrale Bauten schmücken, eine Kunstrichtung, der sie nachgehen wollte. Schnell war sie dem Orient „verfallen“, nur der Kaffee dort schmeckte ihr nicht wirklich. Also eröffnete sie 2012, nach Überwindung vieler bürokratischer Hürden, ihr Café Wishbone in einem alten Basargebäude. „Wunschknochen“? Was ist das denn für ein Name? Auch so ein Geheimnis, das zu Buchara passt. Ihre Gäste bestellen jedenfalls zum feinen Kaffee gern ein Stück Ap
felstrudel oder Käsekuchen. Der Renner aber sind frische Brezeln nach schwäbischem Rezept ihrer Oma. Dazu gibt es kostenlose Tipps zum Schauen und Shoppen.
Sie selbst kauft am liebsten im Karvon Bozor ein, draußen vor der Stadt, wo einst die Ka
rawanen lagerten. Es stimmt sie aber traurig, dass dieser alte Basar, wie man in Buchara hört, demnächst zu einer modernen Mall umgebaut werden soll. Nasreddin, der alte Spötter, hätte zu so einem Frevel wohl die passende Antwort gewusst.