Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
186 Millionen Euro Fluthilfe überwiesen
Die Hilfe nach der Flut kommt in Gang. Kanzlerin Merkel und Ministerpräsident Laschet machten sich in Hagen ein Bild von der Lage.
DÜSSELDORF/HAGEN Das Land NRW hat bereits fast 186 Millionen Euro an Soforthilfe für Betroffene der Flutkatastrophe zur Verfügung gestellt. Das teilten das Nrw-wirtschaftsministerium und das Innenministerium unserer Redaktion mit. 153,6 Millionen Euro stellte das Innenministerium Kommunen zur Verfügung, damit diese Anträge der Bürger auf Soforthilfe begleichen. 32,5 Millionen Euro zahlte das Wirtschaftsministerium, damit mehr als 6500 Unternehmen, Freiberuflern oder Selbstständigen geholfen werden kann. Das Ministerium ergänzte, es überweise Geld zweimal am Tag. Es gehe davon aus, dass die Kommunen es jeweils direkt weiterleiten. Mit den Hilfen kommt eine Offensive in Schwung, um die betroffenen Gebiete aufzubauen.
Land und Bund wollen unbürokratisch helfen, sagten Nrw-ministerpräsident Armin Laschet und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) am Sonntag bei einem Besuch in Hagen. Zugleich bat Merkel um Geduld beim Wiederaufbau, der lange dauern werde. Sie bot an, dass der Bund Mitarbeiter insbesondere aus Bonn ausleihe, damit diese helfen. Sie lobte, dass NRW zur Bewältigung der Krise viele Planungsregeln bis Ende des Jahres ausgesetzt habe.
Laschet sagte, es habe Priorität, dass alle betroffenen Menschen „bald wieder in ihren vier Wänden leben können“. Es brauche für alle Bürger in den Flutgebieten Zugang zu Strom, Wasser, Heizung und Internet. Wichtig sei auch, alle Schulen und Kitas wieder zu öffnen, der Neustart der Wirtschaft müsse funktionieren: Alleine im Kammerbezirk Südwestfalen hätten 2000 Unternehmen Schäden in Höhe von 1,4 Milliarden Euro gemeldet, da müsse nun schnell gehandelt werden. Er lobte, dass sich am 30-Milliarden-euroHilfsprogramm nicht nur Bund und die betroffenen Bundesländer beteiligen sondern alle Länder. Schon etwas in Wahlkampfstimmung ergänzte der Kanzlerkandidat von CSU/ CSU: „Der Zusammenhalt ist größer als viele denken.“
Wie es vorangehen soll, hatte Nrw-heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) am Freitag im Landtag erläutert. Man rechne mit rund 11.000 Anträgen von Unternehmen und bis zu 100.000 anderen Hilfsanträgen. Am Dienstag werde das Landeskabinett über die Richtlinien für die Wiederaufbauprogramme zu be
raten. Ab 13. September sollen wohl Anträge eingereicht werden können.
Es sei nötig, dass Flächennutzungspläne und andere Vorhaben deutlich schneller genehmigt werden als bisher, damit neue Häuser oder Wohn- und Gewerbegebiete entstehen können, so Scharrenbach. Dabei stellte sie klar, dass das Land vorsichtig sein werde, ganze Orte oder Stadtteile umzusiedeln. „Es wäre falsch zu sagen, dort wo Wasser war, bauen wie nicht wieder auf.“Starkregen könne jeden Standort treffen, weswegen es keinen Sinn mache, von der Katastrophe betroffene Gebiete pauschal zu meiden. Die Karten zur Warnung vor Hochwassern müssten zwar neu berechnet werden, aber es sei klar, dass wichtige Orte wieder aufgebaut würden: „Sollten wir Bad Münstereifel aufgeben? Altena ist ein wichtiger Ort auch unserer Industriegeschichte. Da können wir nicht einfach den Schlüssel ziehen.“
Vor neuen Risiken warnt Johannes Remmel (Grüne), früherer NRW-UMweltminister und nun Landtagsabgeordneter: „Starkregen kann tatsächlich jede Region treffen. Aber Flutgefahren durch überlaufende Bäche oder Flüsse müssen realistischer kalkuliert werden.“Er ergänzt: „Dort, wo Versicherungen nicht mehr versichern, kann der Staat nicht dauerhaft einspringen sondern sollte möglichst schnell ortsnah Alternativen anbieten können.“
Laschet sagte in Hagen, er baue beim Wiederaufbau sehr auf die Ideen von Fritz Jaeckel, seinem Sonderbeauftragten zur Bewältigung der Flutkatastrophe. Der hatte im Landtag auch schon gesagt, was nötig ist: Der Wiederaufbau oder die Instandsetzung von Verwaltungen und Fabriken müsse auch bei gewissen baulichen Änderungen sofort genehmigt werden. „Ein Mittelständler kann nicht viele Monate lang warten, bis er wieder liefern kann. Sonst geraten die erneut in schwere Not.“Jaeckel distanzierte sich von Gedanken, Orte umzusiedeln. Es werde zwar wichtig sein, besseren Hochwasserschutz durchzusetzen. Sehr viele Menschen und Unternehmen würden aber an ihre Standorte zurück wollen. In Sachsen habe man nach den Flutkatastrophen 2002 und 2013, bei deren Bewältigung er maßgeblich half, zwar neue Standorte für Unternehmen ausgewiesen, genutzt habe es wenig: „Wir haben da nun teilweise leerstehende Gewerbegebiete.“