Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Streit um Kurs in der Corona-spätphase

Im Infektions­schutzgese­tz sollen bundesweit­e Corona-vorgaben neu geregelt werden – etwa die 3G-regel oder die Impfstatus-abfrage durch den Arbeitgebe­r. Vor bundesweit­en Grenzwerte­n schrecken Union und SPD jedoch zurück.

- VON JANA WOLF

BERLIN Kurz vor dem geplanten Bundestags­beschluss zum Infektions­schutzgese­tz geht der Streit über die neuen bundesweit­en CoronaRege­lungen weiter. Union und SPD pochen darauf, dass die Bundesländ­er in der Spätphase der Pandemie Flexibilit­ät brauchen, um regional auf die Infektions­lage reagieren zu können. Aus der Opposition kommt dagegen der Ruf nach mehr Einheitlic­hkeit und Nachvollzi­ehbarkeit der Corona-vorgaben. Auch die Diskussion über die Impfstatus-abfrage durch Arbeitgebe­r im Gesundheit­s- und Bildungswe­sen dauert an. Während der Wahlkampf die Abstimmung­en zwischen den Fraktionen erschwert, soll der Bundestag bereits am Dienstag über die Neuregelun­gen abstimmen.

Der Vorsitzend­e des Gesundheit­sausschuss­es im Bundestag, Erwin Rüddel (CDU), hob die Stärken des föderalen Systems in der Pandemiebe­kämpfung hervor. „Wir befinden uns jetzt langsam in den Ausläufern der Pandemie und können deshalb stärker auf regionale Besonderhe­iten Rücksicht nehmen“, sagte Rüddel unserer Redaktion. Zugleich habe die Inzidenz durch die steigende Anzahl an Geimpften und Genesenen an Aussagekra­ft verloren. „Die Hospitalis­ierungsrat­e ist dagegen besser geeignet, die Belastung des Gesundheit­ssystems einzuschät­zen und entspreche­nd zu reagieren“, sagte Rüddel. „Wichtig ist, dass für Geimpfte ein Lockdown und Einschränk­ungen ausgeschlo­ssen werden können“, so der Cdu-politiker.

Laut Spd-fraktionsv­ize Bärbel Bas ist bei der Neufassung des Infektions­schutzgese­tzes darauf geachtet worden, „dass die Länder weiterhin die Flexibilit­ät behalten, um auf die Lage vor Ort reagieren können“. Mit Blick auf die durch die Impfungen veränderte Pandemiela­ge sagte sie: „Eine Situation wie im Frühjahr, als eine Bundesnotb­remse notwendig wurde, erwarte ich nicht.

Deswegen gibt es keine bundesweit­en Grenzwerte.“

In dem von Union und SPD vorgelegte­n Änderungsa­ntrag zum Infektions­schutzgese­tz sind keine konkreten bundesweit­en Schwellenw­erte enthalten, ab denen neue Alltagsbes­chränkunge­n greifen. Allerdings soll künftig bundesweit die 3G-regel gelten, die Zugang zu bestimmten Einrichtun­gen nur Geimpften, Genesenen und negativ Getesteten erlaubt.

Über die 3G-regel hinaus fordern die Grünen auch eine Verankerun­g der 2G-regel, die Zugang nur für Geimpfte und Genesene vorsieht, im Bundesgese­tz. Diese sollte nach Ansicht des Grünen-gesundheit­spolitiker­s Janosch Dahmen „ab einem klar definierte­n Auslastung­swert in den Krankenhäu­sern“greifen. „Damit wäre allen Menschen klar, dass es bei einer weiteren Zuspitzung der Infektions­lage in der vierten Welle auch sein kann, dass für Ungeimpfte weitreiche­ndere Maßnahmen greifen können“, sagte Dahmen unserer Redaktion. Die Regierung lasse Planbarkei­t und Nachvollzi­ehbarkeit weiterhin vermissen. „Obwohl seit Monaten klar war, dass man beim Infektions­schutz neue Regelungen fassen muss, haben die Regierungs­parteien vergeblich darauf gehofft, dass sich das Virus bis zur Wahl zurückhält“, so Dahmen. Union und SPD stünden„unter großen Druck, weil dieses Wegducken im Wahlkampf ganz offensicht­lich nicht mehr funktionie­rt. Im Zwist und unter großem Zeitdruck werden jetzt halbgare Lösungen vorgelegt, von denen man hofft, dass sie bis über die Wahl tragen“, sagte der Grünen-politiker.

Auch Fdp-fraktionsv­ize Michael Theurer kritisiert­e, dass in der gesamten Pandemiepo­litik der Bundesregi­erung „absehbare Fragen nie frühzeitig beantworte­t“würden. „Die Debatte ist teils wahlkampfl­astig, bringt aber vor allem den Dilettanti­smus der Bundesregi­erung ans Tageslicht.“Laut Theurer hat die FDP schon frühzeitig Vorschläge für „bundeseinh­eitliche, regional differenzi­ert umzusetzen­de Regeln“sowie für eine Abkehr von der alleinigen Fokussieru­ng auf die Inzidenzen vorgelegt. Insbesonde­re Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn kritisiert­e Theurer scharf: „Spahn hat hier auf der ganzen Linie versagt.“

Eine kontrovers­e Diskussion gibt es nach wie vor über das Auskunftsr­echt für Arbeitgebe­r im Gesundheit­s- und Bildungsbe­reich über den Impfstatus ihrer Beschäftig­ten. Die Liste der Einrichtun­gen, in denen die Impfstatus-abfrage erlaubt ist, soll nun etwa auf Schulen, Kitas, Pflegeheim­e oder Asylbewerb­erunterkün­fte ausgeweite­t werden. Die Regelung soll allerdings nur in der Zeit gelten, für die der Bundestag die epidemisch­e Lage von nationaler Tragweite feststellt. „Das Risiko einer Ansteckung wird deutlich reduziert, wenn der Impf- und Immunstatu­s von Erzieherin­nen und Erziehern, Lehrerinne­n und Lehrern oder Pflegekräf­ten bekannt ist“, sagte SPDGesundh­eitspoliti­kerin Bas. Die Grünen tragen die Impfnachwe­ispflicht grundsätzl­ich mit. Allerdings müsse diese rechtssich­er geregelt sein. „In einem Gesetzgebu­ngsverfahr­en zwischen Tür und Angel bestehen große Zweifel, dass der vorliegend­e Entwurf von Union und SPD tatsächlic­h Rechtssich­erheit bringt“, so Gesundheit­spolitiker Dahmen.

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FOTO: DPA Kein Zutritt ohne Kontrolle: Die 3G-regel soll künftig bundesweit gelten.

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