Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ein grandioser polnischer Komponist
Klassik Der Mann gilt als große Hoffnung, aus ihm kann noch viel werden, er hat schon wichtige Wettbewerbe gewonnen. Aus dem polnischen Lodz kam er, doch es dürstete ihn nach der großen weiten Welt, nicht aus Hochmut, sondern um seiner Karriere willen. Zuerst lebte er in London, bis er 1960 seine endgültige Heimat in Paris fand. Von dort aus reist er zu Konzerten hier und dort, die Heimat bleibt tief in seinem Herzen; er befindet sich emotional und geografisch gleichsam in den Fußspuren seines großen Landsmanns Frédéric Chopin.
Dann kommt jener Tag im
Jahr 1963, da er einen Autounfall hat und sich das linke Handgelenk bricht. Die Finger der linken Hand bleiben gefühllos. Was nun? Milosz Magin (1929 geboren) gibt nicht auf. Er unterrichtet und beginnt zu komponieren. Diese kreative Ader hatte er immer schon, nun wird sie sein neuer schöpferischer Zweig. Wer Magins Musik einmal hört, der vergisst sie nicht, da herrscht ein ganz eigener Ton, der einen an Gorecki und Lutoslawski erinnert (um bei polnischen Kollegen zu bleiben), aber auch einiges von Prokofieff hat. Vieles befindet sich in tonaler Gravitation und ist unmittelbar eingängig, ohne kitschig zu wirken; es gibt ausgedehnte motorisch-brillante Felder und gleich im Anschluss lyrische Ergehungen. Magin ist tatsächlich unverwechselbar.
Nun hat der französische Pianist Lucas Debargue, der selbst komponiert, Magin für sich und für andere entdeckt. Er trägt ihn vor sich her wie eine Monstranz, da ist eine Hingabe an diese Musik, die ihr hilft, ihren Zauber zu entfalten. Mit dem fabelhaften Geiger Gidon Kremer und dem Orchester Kremerata Baltica hat Debargue eine großartige CD bei Sony produziert und zwei Konzerte für Klavier, Violine und Orchester, aber auch kleine, schmusige Werke aufgenommen. Und aus der bezaubernden „Nostalgie du Pays“(Heimweh) für Klavier hört man tatsächlich heraus, woher Magin stammt und welche Töne er lebenslang in sich aufbewahrt hat. Wolfram Goertz