Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Mit dem Didgeridoo ins Biotop der Klänge
Adrian Mears kombinierte den Bigband-sound des Cologne Contemporary Jazz Orchestra mit Ethno-elementen. Das Publikum im Burgtheater erlebte einen spannenden Abend.
DINSLAKEN (bes) Gerade noch hat Adrian Mears im Wechsel Soloposaune gespielt und mit lockerer Hand das Cologne Contemporary Jazz Orchestra dirigiert, nun sitzt er auf dem Bühnenboden vor seiner Monitorbox, seine Hände umschließen das Didgeridoo. Jenes Stück Eukalyptusholz, das von Termiten auf natürliche Art ausgehöhlt wurde und seit Tausenden von Jahren den australischen Aborigines als Musikinstrument dient. Adrian Mears führt es als „Electric Didgeridoo“– so der Titel des Konzerts am Samstagabend im Burgtheater Dinslaken – in den Jazz ein. Nicht etwa in einer E-variante, sondern als akustisches Instrument, das eine elektrisierende Wirkung für den Sound und das Spiel einer Formation wie das 17-köpfige Cologne Contemporary Jazz Orchestra hat.
Mears erzeugt auf dem Didgeridoo nicht nur den bekannten, in Intensität und Timbre changierenden Dauerton, er singt und spricht hinein, lässt das Instrument vibrieren, brummen, knarzen, hupen und sogar sprechen. Auf diesem lebenden, sich organisch bewegenden Fundament steht das Cologne Contemporary Jazz Orchestra in seiner Big Band Besetzung. Ein in sich sprühender, aber eben kompakter, Klangkörper, der auf beweglichen Grund das Gleichgewicht behält. Es sind nur zwei Stücke – eines davon die Zugabe, in dessen Genuss das Publikum im Burgtheater am Samstagabend kommt, aber für diese beiden Stücke allein hat sich der Besuch des von der Jazz Initiative Dinslaken veranstalteten Konzerts gelohnt. „Flora & Fauna“lautet der Titel des ersten Werks für diese Besetzung, Adrian Mears kündigt es als eine „Reise“an: Das Didgeridoo kreiert ein Biotop der Klänge, das die Bläser- und die Rhythmussektionen ertastend und erkennend durchwaten.
Adrian Mears ist „von Haus aus“Posaunist, er liebt das freie, experimentelle Spiel. Dies schlägt sich auch in seinen Kompositionen für die klassische Besetzung nieder. Mears lässt das Jazz Orchestra in festen Strukturen agieren. Im ersten Stück des Abends wähnt man sich in einer Paraphrase von „Pink Panther“, später werden die Musiker zwischen Samba und Polka wechseln. Ein kompositorisches Highlight ist eine Ballade im Zwölfachteltakt. Innerhalb dieser klaren Syntax jedoch herrscht völlige Freiheit der musikalischen Sprache.
Mears liebt es frei, experimentell und manchmal auch abrupt. Zumindest für sich, seinen Soli stehen die Minimal-music-repetitionen von Klavier und E-gitarre entgegen. Fast jeder der OrchestraMusiker erhält die Gelegenheit, sich selbst solistisch vorzustellen, gegen
Ende holt Mears zwei der Posaunisten nach vorne. Das „Solo zu Dritt“beginnt als rasanter Staffellauf und endet als Battle.
Das Didgeridoo bringt Ethno-einflüsse aus Australien in den Jazz. Nach der Pause aber beginnt Mears mit Inspirationen aus Afrika. Die Bläser singen im Chor einen Zweizeiler. Sie wiederholen ihn, während die Rhythmusgruppe Fahrt aufnimmt, während Mears auf der Posaune improvisiert. Eine Bläserreihe nach der anderen wechselt an die Instrumente, der Chor klingt weiter, wird aber durch die sich verkleinernde Besetzung leiser. Irgendwann hat sich das Blech durchgesetzt, die Gesangsmelodie bleibt nur in der Erinnerung präsent. Dann hat sich die Big Band ausgepowert, wird zunehmend leiser, der Chor wird nach und nach wieder eingeblendet, bleibt zum Schuss übrig. Ein starker Einstieg nach der Pause.
Und die Zugabe? Deutlich versteht man das „Thank you“, das Adrian Mears ins Didgeridoo singt. Der Applaus des Publikums signalisiert ein „ebenso“.